Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Die Welt toleriert kein Hinauszögern"

Wiener Konferenz: Breiteste Unterstützung für Atomteststopp-Vertrag wird deutlich

Den folgenden Beitrag aus der "Wiener Zeitung" dokumentieren wir mit freundlicher Genehmigung des Autors.


Von Thomas Roithner*

Von 3. - 5. September war Österreich Gastgeber der 3. Konferenz, um Fortschritte für die Inkraftsetzung des Vertrags der UN-Atomteststoppbehörde (CTBTO) zu erzielen. Eine breite Mehrheit der UN-Mitglieder und Tausende Nichtregierungsorganisationen werben seit 1996 für die Ratifizierung der 44 Staaten, deren Unterstützung zur Inkraftsetzung unerlässlich ist. Trotz der 168 Signatarstaaten und der 104 Ratifizierungen behindern 12 Staaten, dass aus einer "vorbereitenden Kommission" eine "Organisation" für den umfassenden nuklearen Teststopp wird. Darunter finden sich u.a. Nordkorea, Indien, Pakistan, die USA, Israel, der Iran und China.

Das Klima für Fortschritte zur atomaren Rüstungskontrolle und Abrüstung wurde unter diesen Staaten durch den Aufbau des US-Raketenabwehrprogrammes, die "Nuclear Posture Review" der USA, das nur halbherzige Abrüstungsabkommen mit Russland und nicht zuletzt durch die Entwicklung von amerikanischen "Mini"-Atomwaffen nicht verbessert. Seit Jahren gibt es keinerlei Fortschritte in der Genfer Abrüstungskonferenz. Die USA nahmen - gemäss der kritischen Haltung gegenüber internationalen Abkommen und der UNO - an der Wiener Teststoppkonferenz nur als informelle Beobachter teil.

Malaysia macht die Position der Bewegung der paktungebundenen Staaten (NAM) deutlich. Nur ein multilaterales Vorgehen in engster Abstimmung mit der UNO kann die Fragen von Abrüstung und internationaler Sicherheit nachhaltig lösen. Die Bewegung der blockfreien Staaten tritt unmissverständlich für die völlige Abschaffung von allen Formen nuklearer Tests ein. Damit sind auch neue technische Methoden der USA gemeint, um die Abkommen der Teststoppbehörde zu umgehen. Die Blockfreien betrachten den Teststoppvertrag als wichtigen Schritt zur Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen und auch zu deren Abrüstung. Den fünf offiziellen Nuklearwaffenstaaten (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA) kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Übereinstimmend stellen die nicht paktgebundenen Staaten ihre skeptische Position bezüglich der neuen Typen von Atomwaffen und zur US-amerikanischen "Nuclear Posture Review" klar, die so genannten "Schurken" mit dem allerdings völkerrechtswidrigen Einsatz von Atomwaffen droht. Bereits vor Jahren hat die Bewegung das Konzept der "nuklearen Teilhabe" - US-Atomwaffen sind in Belgien, Deutschland, Griechenland, Italien, den Niederlanden und der Türkei stationiert - des atomar gerüsteten Militärpakts NATO unmissverständlich verurteilt.

Ägypten, Brasilien, Irland, Neuseeland, Mexiko, Südafrika und Schweden haben sich zur "New Agenda Coalition" zusammengefunden. Ihr Ziel ist die - gemäss dem Artikel VI des Nichtweiterverbreitungsvertrages (NPT) - vollständige Abschaffung aller Atomwaffen. Eine Verbindung von NPT und CTBT ist aufgrund der israelischen Position bei der Wiener Teststopp-Konferenz nicht konsensfähig. Die südafrikanische Delegation weist auf die untrennbare Verbindung zwischen den beiden Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträgen hin. Südafrika führt deutlich aus, dass die Fortschritte von jenen Staaten, die den CTBT nicht ratifiziert haben bzw. wie die USA eine Ratifizierung dezidiert ausgeschlossen haben nicht abhängen darf.

Starke non-governmentale Beteiligung

Über 100 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben sich vor und während der Konferenz auf ein gemeinsames Statement zur Unterstützung des CTBT geeinigt. Forschung, Entwicklung, Produktion oder Tests von neuartigen Atomwaffen würde nicht nur eine nukleare Aufrüstungsspirale auslösen, sondern die internationale Sicherheit gefährden.

Dr. Klaus Renoldner von den Internationalen ÄrztInnen gegen Krieg und Atomgefahren (Friedensnobelpreis 1985) kritisiert als Sprecher der NGO-Gruppe in seinen Statement, dass sich die US-Administration um eine Ratifizierung des CTBT nicht einmal bemüht. Je länger die 12 Staaten, die bisher noch nicht ratifizierten, warten, desto höher wird in der gegenwärtigen Lage das Risiko, das ein Staat Atomtests durchführt. "Die Welt toleriert kein Hinauszögern", so das NGO-Statement. An die Staaten des Nahen Ostens wird appelliert, die Ratifikation nicht an Bedingungen zu knüpfen, sondern unverzüglich einen Beitrag zum Inkrafttreten des Vertrages zu leisten. "Es ist vielleicht ironisch", so die weltweiten UnterstützerInnen des NGO-Statments, "zwei derart unterschiedliche Staaten in einem Atemzug zu nennen: Die Demokratische Volksrepublik Korea und die USA. Leider haben beide den Wunsch, zur Option von Nukleartests zurückzukehren." Prof. Thomas Schönfeld von NGO-Committee on Peace bei den Vereinten Nationen in Wien führt in einer Presseerklärung aus, dass gerade NGOs in Kooperation mit Regierungen, Parlamenten und Medien eine besondere Bedeutung zukommt.

Das neutrale Österreich hat sich aufgrund einer Petition der Friedensbewegung für einen atomkraft- und atomwaffenfreien Status verfassungsrechtlich festgelegt. Dennoch, so VertreterInnen aus der Friedensbewegung, kann Österreich im Sinne einer geforderten aktiven Neutralität nicht aus der Verantwortung entlassen werden, sich im Rahmen der Konferenz für Abrüstung für Fortschritte einzusetzen.

* Dr. Thomas Roithner, Sozialwissenschaftler und Friedensforscher; Mitarbeiter des Österreichischen Studienzentrums für Friedens- und Konfliktlösung (OSFK); häufiger Gast und Referent bei den Friedenspolitischen Ratschlägen in Kassel.

Quelle: Wiener Zeitung, Printausgabe, 9. September 2003, Seite 2


Zurück zur Seite "Atomwaffen"

Zurück zur Homepage