Widersprüchliches zu Irans Nuklearprogramm
Neuer Chef der Atomenergiebehörde: Japaner Jukija Amano gilt als Wunschkandidat des Westens
Von Knut Mellenthin *
Mit widersprüchlichen Äußerungen zum iranischen Atomprogramm hat sich
der am vergangenen Donnerstag gewählte neue Generaldirektor der
Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auf seiner ersten
Pressekonferenz vorgestellt. Auf die Frage, ob er glaube, daß Iran den
Besitz von Atomwaffen anstrebt, sagte der 62jährige Japaner Jukija Amano
am Freitag: »Ich erkenne in den offiziellen Dokumenten der IAEA keinen
Hinweis darauf«.
Sein Vorgänger, der noch bis zum 30. November amtierende 67jährige
Ägypter Mohamed ElBaradei, hatte zuletzt im Juni orakelt, er habe »ein
Gefühl im Bauch«, daß Iran die Fähigkeit zur Produktion von Atomwaffen
anstrebe, wenn auch nur als »Absicherung« gegen eventuelle Bedrohungen.
Irans Politiker haben immer wieder betont, daß für Atomwaffen absolut
kein Platz in ihrer Verteidigungsstrategie ist. Der oberste religiöse
Führer des Landes, Ajatollah Khamenei, hat Atomwaffen in einer Fatwah
(Rechtsgutachten) als »unislamisch« geächtet.
Amano sagte während der Pressekonferenz allerdings auch, daß »Iran und
andere Länder«, womit er offenbar Nordkorea meinte, »in der Pflicht«
seien, sich an die gegen sie gerichteten Resolutionen des
UN-Sicherheitsrats zu halten. Das oberste Gremium der Vereinten Nationen
hat seit Dezember 2006 dreimal Sanktionen gegen Iran beschlossen,
zuletzt im März vorigen Jahres. Der Rat will Teheran damit zwingen, auf
die Anreicherung von Uran zur Gewinnung von Reaktorbrennstoff zu
verzichten, obwohl das Land dazu wie alle anderen Unterzeichner des
Atomwaffensperrvertrags berechtigt ist. Aus den Äußerungen Amanos auf
der Pressekonferenz ging nicht hervor, wie er diese einzigartige
Diskriminierung künftig als IAEA-Chef rechtfertigen will.
Der Japaner ist der fünfte Generaldirektor in der 52jährigen Geschichte
der Behörde, die der UNO angegliedert ist. Satzungsmäßig hätte sich der
seit 1997 amtierende ElBaradei ohne weiteres noch einmal zur Wahl
stellen können. Er hatte aber schon vor einigen Monaten seinen Verzicht
erklärt. Zuvor hatte die US-Regierung dem unberechenbar eigensinnigen,
schwer zu lenkenden ElBaradei, der 2005 mit dem Friedensnobelpreis
ausgezeichnet wurde, immer wieder Steine in den Weg gelegt und schon vor
vier Jahren seine Wiederwahl zu hintertreiben versucht.
Amano, der seit 1972 Karriere im japanischen diplomatischen Dienst und
im Außenministerium gemacht hat, vertrat zuletzt sein Land im 35köpfigen
Board of Governors (Vorstand) der IAEA, dessen Vorsitz er 2005 und 2006
führte. Er gilt allgemein als Favorit der westlichen Staaten. Das könnte
aber hauptsächlich darin begründet sein, daß sie seinen wichtigsten
Gegenkandidaten für das Amt des Generaldirektors, den Südafrikaner Abdul
Samat Minty, nicht zum Zuge kommen lassen wollten.
Nach erfolglosen Sitzungen im Mai und Juni erreichte Amano erst am 2.
Juli die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Board of Governors. Seine
Wahl bedarf noch der Zustimmung durch die Vollversammlung aller 144
IAEA-Mitgliedsstaaten im September, die aber als reine Formsache gilt.
Amanos Amtszeit beginnt am 1. Dezember.
* Aus: junge Welt, 6. Juli 2009
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