Genfer Abrüstungskonferenz 2006:
US-Vorschlag blockiert weiterhin Verhandlungen zu einem Herstellungsverbot von Atombombenstoffen
Von Xanthe Hall*
Die USA haben heute (18. Mai 2006) der Genfer Abrüstungskonferenz einen
Vorschlag für einen Produktionsstopp für spaltbare Materialien vorgelegt.
Auf diesem Wege könnten die Verhandlungen über ein Verbot der Herstellung
von Atomwaffen innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein, so die USA. Es sei
notwendig, dem Iran und Nordkorea eine atomare Aufrüstung zu verwehren.
Gleichzeitig lehnen es die USA ab, ein System zur Überprüfung (Verifikation)
der Einhaltung des Produktionsstopps einzurichten.Genau dies ist allerdings
für einige andere Staaten unannehmbar, so dass eine Ablehnung des Vorschlags
durch die Konferenz wahrscheinlich ist.
Die USA berufen sich bei ihrer Ablehnung eines Verifikationssystems darauf,
dass die Überprüfung eines Produktionsstopps nicht durchführbar sei.
Hintergrund dieser Haltung ist vermutlich, dass die USA es ablehnen, eigene
Produktionsanlagen von internationalen Beobachtern inspizieren zu lassen.
Das »International Panel on Fissile Material«, eine Gruppe renommierter
technischer ExpertInnen, belegt allerdings die Durchführbarkeit eines
Verifikationssystems und wird konkrete Vorschläge Staatsdelegierten
beim »Artikel VI-Forum« in Ottawa im September 2006 vorlegen.
Abrüstungsgruppen kritisieren die USA für ihre Position, da das Land damit
die Verhandlungen blockieren würde.
Die Beendigung der Produktion von spaltbaren Materialien - Plutonium und
hochangereichertes Uran - für Waffenzwecke steht schon seit Jahrzehnten auf
der Tagesordnung der Abrüstungskonferenz. Seit den späten 90er Jahren ist
das Vorhaben jedoch in den Hintergrund gerückt.
Zwischen 1997 und 2003 wurde ein Fortkommen der Verhandlungen dadurch
blockiert, dass keine Einigung über das Problem der Reduzierung von bereits
vorhandenen Beständen von Plutonium und hochangereichertem Uran - über die
die USA in erheblichem Umfang verfügen - erzielt werden konnte.
Außerdem forderten einige Staaten eine Paketlösung, nach der der Vertrag an
Verhandlungen über weitere Verträge, z.B. über Weltraumbewaffnung, gekoppelt
werden sollte. Schließlich lehnte die Bush-Administration im Juli 2004 einen
Produktionsstopp mit Verweis auf die Nicht-Verifizierbarkeit ab.
Das »International Panel on Fissile Material«, das von dem US-Atomphysiker
Frank von Hippel an der Princeton-Universität geleitet wird, hat Anfang 2006
einen Bericht veröffentlicht, in dem eine Lösung der Verhandlungsprobleme
skizziert wird. Demnach soll in dem Vertrag eine Staffelung eingefügt
werden, damit er nach und nach in seinem Umfang erweitert werden kann und
die Verifikation robuster wird.
So könnten anfangs z.B. die Atomwaffenstaaten ihre Anlagen und Materialien
bei der IAEO zur Kontrolle lediglich anmelden und den Produktionsstopp im
militärischen Sektor erst in einer späteren Phase verifizieren lassen.
Außerdem sollten Materialien für Atomwaffen und Marinereaktoren deklariert
werden, später sollten sowohl alle Materialien in militärischen und in
zivilen Anlagen, als auch die vorhandenen Bestände mit eingeschlossen
werden. Weiterhin sollten verbindliche Verpflichtungen formuliert werden,
wonach keine Transfers vom zivilen zum militärischen Bereich durchgeführt
werden dürften. Militärische und zivile Bestände müssten nach und nach
reduziert werden. Somit könnte ein bloßer Produktionsstopp über einen
längeren Zeitraum zu einem breiteren Kontrollsystem für spaltbare
Materialien ausgebaut werden.
Israel hat sich eindeutig gegen ein Produktionsverbot positioniert.
Vertreter der israelischen Atomenergiekommission haben in der vergangenen
Woche in Washington versucht, den US-Vorschlag für einen Produktionsstopp zu
verhindern. Die US-Regierung habe israelische Einwände jedoch übergangen,
hieß es. Die USA haben es auch abgelehnt, die zivil-nukleare Zusammenarbeit
mit Israel auszubauen. Israel habe Probleme, Ersatzteile zu besorgen, weil
das Land nicht den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat. Falls der
vorgelegte Entwurf zum Verbot in Kraft treten würde, könnte Israel wegen
seines Atomwaffenprogramms, das bisher ca. 200 Atomwaffen unterhält, unter
Druck geraten.
Indien, das ebenfalls den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat,
befürwortet einen verifizierbaren Vertrag. Ein Produktionsstopp für Indien
wäre eine wichtige Eindämmung seines Atomwaffenprogramms, das momentan unter
gar keiner Kontrolle steht. Auch das sehr umstrittene Abkommen zur nuklearen
Kooperation zwischen den USA und Indien tangiert das militärische Programm
nicht. Kritiker meinen, Indien sollte erst einen Produktionsstopp für Waffen
einführen, bevor die USA einen atomaren Handel mit Indien betreibt, um
sicher zu sein, dass ihre Hilfe nicht zur Atomwaffenproduktion beitragen
würde. Ein solcher Schritt würde auch gegen das Wettrüsten in der Region
helfen.
Frankreich, Russland, die USA und Großbritannien halten sich bereits an ein
Produktionsmoratorium für Waffenzwecke, China vermutlich auch.
18. Mai 2006
* Xanthe Hall, Berlin, IPPNW-Abrüstungsreferentin
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