Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Militärisch-finanzieller Komplex? Banken und Versicherer investieren in Atomwaffen

Ein Beitrag von Dirk Eckert in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderation):
Seit der Finanzkrise sind für Anleger die Renditen im Vergleich zu früheren Jahren bescheiden. Wohin aber mit den Ersparnissen? Finanzinstitute investieren auch in Rüstungsfirmen. Die Kunden wissen meist nichts davon. Dirk Eckert:


Manuskript Dirk Eckert

Haben Sie ein Bankkonto? Und wissen Sie, was die Bank mit Ihrem Ersparten macht? Und wo Versicherer das Geld anlegen, das Sie in Ihre Vorsorge investieren? Diese Fragen beantwortet jetzt eine Studie der Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen – kurz ICAN: Das Geld der Sparer fließt auch in den Bau von Atomwaffen oder deren Trägersystemen.

Jedes Jahr werden mehr als 100 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen ausgegeben, heißt es in der Studie mit dem Titel „Don’t bank the Bomb“, zu Deutsch etwa: „Die Bombe ist eine schlechte Investition“. Viele Nuklearwaffen-Staaten vergeben entsprechende Aufträge teilweise an private Rüstungsfirmen, etwa an BAE Systems in Großbritannien, Lockheed Martin und Northrop Grumman in den Vereinigten Staaten, Thales in Frankreich und Larsen & Toubro in Indien. Banken und Versicherer wiederum investieren in solche Firmen oder helfen ihnen mit Krediten. Mehr als 300 Finanzinstitute in 30 Ländern verdienen laut ICAN-Studie am Geschäft mit der Bombe.

Auffällig ist, dass deutsche Banken und Versicherer bei der Finanzierung vorne mit dabei sind. Zwar hat Deutschland selbst keine Atomwaffen. Doch elf deutsche Finanzinstitute sind laut Studie in den Bau von Atomwaffen oder ihrer Trägersysteme verwickelt. Die Allianz etwa ist beteiligt bei Lockheed Martin und Northrop Grumman. Weitere Beispiele sind die Commerzbank, die DekaBank, die Deutsche Bank, die DZ Bank, aber auch die Hessische Landesbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Überhaupt ist es auffällig, dass mehrere deutsche Landesbanken in dem Bericht genannt werden: die Landesbanken von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. So hat etwa die Bayern LB Kredite in Höhe von schätzungsweise 900 Millionen US-Dollar an Konzerne wie BAE Systems, Boeing und EADS vergeben. EADS wiederum ist an der Produktion von atomar bestückten Raketen für U-Boote und Kampfflugzeuge beteiligt.

Die Allianz sieht kein Problem darin, sich bei US-amerikanischen, britischen und französischen Herstellern von Atomwaffen zu beteiligen. Allianz-Global-Investors-Sprecher Stefan Lutz:

O-Ton Lutz
„Das sind Staaten, die a) westliche Demokratien sind und b) auch dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten sind, seit langen Jahren. Rüstung ist zwar kein Schwerpunkt unserer Anlagepolitik, aber in diesem Fall sehen wir auch keinen Grund zu einer Änderung.“

Die Allianz investiere keineswegs in jede Aktie, betont Lutz:

O-Ton Lutz
„Ausgeschlossen sind solche, die einer internationalen Ächtung unterliegen. Zum Beispiel Streubomben, Landminen oder auch bei Verletzung von Menschenrechten. Da haben wir auch eine schwarze Liste von Unternehmen, in die wir nicht investieren.“

Für die Atomwaffen-Gegner ist die Finanzierung von Atomwaffen jedoch ein Skandal. Schließlich sei der Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig und hätte katastrophale Folgen für Mensch und Umwelt. Die Aktivisten wollen eine Kampagne anstoßen, um die Hersteller von Atomwaffen finanziell zu treffen. Direkte Verbraucherboykotte haben sie verworfen, weil die entsprechenden Firmen oft keine Produkte für den zivilen Markt herstellen. Daher setzen sie auf das sogenannte Disvestment, also auf den Abzug von Geldern. Disvestment sei schon entscheidend für das Ende der Apartheid in Südafrika gewesen, argumentiert der südafrikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, der die Kampagne unterstützt.

Alle Atomwaffen und ihre Hersteller lassen sich aber weder durch Boykott-Aufrufe noch durch Disvestment treffen. Das räumen die Verfasser der Studie auch ein. Privatunternehmen sind vor allem in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Indien an der Herstellung von Nuklearwaffen beteiligt. In anderen Ländern sind es hauptsächlich oder sogar ausschließlich staatliche Einrichtungen. Die Aktivisten trösten sich damit, dass sie mit ihrer Initiative zwar nicht alle Atomwaffen-Besitzer treffen, aber doch – mit Ausnahme Russlands – die größten Nuklearstaaten. Schließlich geben allein die USA rund 60 Milliarden US-Dollar im Jahr für Atomwaffen aus.

Und es gibt bereits Erfolge: Die Aktivisten verweisen auf Norwegen und Neuseeland. Dort seien bereits Staatsgelder abgezogen worden, um Investitionen in Atomwaffen-Entwicklung zu unterbinden. Wie erfolgreich solche Kampagnen sein können, zeigt sich auch an den Initiativen gegen Streubomben und Landminen, die inzwischen völkerrechtlich geächtet sind. Die Deutsche Bank etwa investiert, wie auch andere Finanzinstitute, nach eigenen Angaben seit 2008 nicht mehr in Unternehmen, die die heimtückischen Waffen herstellen. In ihren Kreditrichtlinien heißt es: Zitat

Zitat
„Wir ziehen keine Geschäfte im Zusammenhang mit bestimmten Waffenarten in Betracht, insbesondere Landminen, Streubomben oder ABC-Waffen“.

Nach der ICAN-Studie besitzt die Deutsche Bank allerdings Aktien und Anleihen an 13 Produzenten von Atomwaffen oder gibt ihnen Kredite. Darunter die bereits erwähnten Konzerne BAE Systems, Boeing, EADS, General Dynamics, Lockheed Martin und Northrop Grumman. Ob Geschäftsbeziehungen zu diesen Unternehmen ein Verstoß gegen die eigenen Kreditrichtlinien sind, wollte ein Sprecher der Bank gegenüber NDR Info mit Verweis auf die Vertraulichkeit nicht kommentieren.

Atomwaffen sind jedoch längst nicht das einzige begehrte Renditeobjekt. Wer etwa einen fondsbasierten Riester-Vertrag abschließt, muss damit rechnen, dass sein Geld in die Rüstungsgüter wie die geächteten Streubomben fließt. Das hat die Reportage „Die Riester-Bombe“ von Wolfgang Uchatius in der Wochenzeitung „Die Zeit“ im vergangenen Jahr aufgezeigt, für die der Autor mit dem Deutschen Reporterpreis 2011 ausgezeichnet worden ist.

Und wer sich in den „Bayernfonds Australien 8“ der Bayern-LB-Tochter Real IS einkauft, investiert in ein Bürogebäude in Melbourne gegenüber dem Bahnhof der Stadt, dessen Mieter bis Mitte 2021 das australische Verteidigungsministerium ist. Die Mieteinnahmen betragen 7,5 Millionen Dollar im Jahr, laut Mietvertrag steigt die Miete jährlich um vier Prozent. Beteiligungsexperte Markus Gotzi empfahl den Immobilienfonds in diesem Monat in der „Financial Times Deutschland“ mit den Worten: „Melbourne ist gefragt, ebenso wie der Staat als Mieter.“

Um Investitionen in Rüstung und Militär zu vermeiden, gibt es seit Jahren sogenannte alternative Anbieter, die ihren Kunden versprechen, das Geld ökologisch und sozial anzulegen. Nur halten viele offenbar nicht, was sie versprechen. Der Finanzjournalist Jochen Bettzieche hat untersucht, wo solche Anbieter das Geld ihrer Kunden anlegen, die mit dem Schlagwort Nachhaltigkeit werben. Er war überrascht:

O-Ton Bettzieche
„Da sind Unternehmen dabei wie EADS, die Kampfhubschrauber und Kampfflugzeuge herstellen. Es sind Zulieferer für die Panzerindustrie dabei, also Panzermotoren. Es sind Hersteller von Maschinenpistolen dabei. Munition, U-Boote, Kampfschiffe – das ist alles mit drin.“

Fast alle untersuchten Fonds investierten in Atomkraft, in die Öl- und Gasindustrie und eben auch in die Rüstungsindustrie, schreibt Bettzieche in einer Studie, die er im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion erstellt hat:

O-Ton Bettzieche
„Von den zehn untersuchten Fonds haben neun in den Bereich Rüstung investiert. Von den 731 Unternehmen, in die diese Fonds investiert hatten, sind 49 im Rüstungssektor aktiv, das sind immerhin 6,7 Prozent.“

Die Anbieter würden den Begriff der Nachhaltigkeit unterschiedlich auslegen, sagt Bettzieche. Manche versprechen, das Geld gar nicht in Rüstung anzulegen. Andere finden es in Ordnung, in Zulieferfirmen zu investieren. Die Grünen fordern deshalb, gesetzliche Mindeststandards für Nachhaltigkeit festzulegen. Atomwaffen sind also bei weitem nicht die einzige Rüstungssparte, aus der Finanzinstitute ihre Gewinne erzielen. Viele Kunden dürften nicht die geringste Ahnung davon haben, welche Art Geschäft sie letztlich unterstützen, wenn sie ihr Geld auf die Bank tragen.

* Aus: NDR Info Sendereihe "Streitkräfte und Strategien", 21. März 2012; www.ndr.de


Zurück zur Atomwaffen-Seite

Zurück zur Homepage