Der Welternährungskrieg
Walden Bello vermittelt in "Politik des Hungers" Hintergründe zur globalen Landwirtschaft
Von Axel Berger *
Die Nahrungsmittelkrise von 2007 und die darauf folgenden Hungerrevolten
haben die Organisationsprinzipien der globalen Landwirtschaft wieder
verstärkt in die öffentliche Diskussion gebracht. Dazu hat der
philippinische Soziologieprofessor, Walden Bello, mit seinem Buch
»Politik des Hungers« eine lesenswerte Analyse vorgelegt.
Hunger wird gemacht: So lautet die zentrale These von Walden Bello in
seiner umfangreichen Studie über die globale Landwirtschaft »Politik des
Hungers«. Er widerspricht damit ausdrücklich jenen Analysten, die die
sich teilweise verdreifachenden Preise für Nahrungsmittel im Jahre 2007
als Folge von Missernten klassifizierten. Sowohl die UNO als auch die
meisten Nichtregierungsorganisationen, wie etwa die deutsche WEED, kamen
damals zu dem Ergebnis, die Preissteigerungen seien die Folge der
verstärkten Spekulation auf dem Weltagrarmarkt und künstlicher
Verknappung gewesen.
Dieser Einschätzung widerspricht der philippinische
globalisierungskritische Soziologe und Träger des Alternativen
Nobelpreises Walden Bello. Für Bello stellen die Spekulationen lediglich
die Oberfläche einer tiefer liegenden Tragödie dar. Als zentrale Ursache
identifiziert er die »als Strukturanpassung bekannte massive
Neuausrichtung der Agrarpolitik«, wie sie von Weltbank und
Internationalem Währungsfonds mehr als 90 Entwicklungs- und
Schwellenländern vor allem seit den 80er Jahren aufgenötigt worden sei.
Deren Folgen stellt er in der »Politik des Hungers« anhand von vier
regionalen Beispielen (Mexiko, Philippinen, Subsahara-Afrika, China)
eingehend dar.
Alle Beispiele weisen gemeinsame Charakteristika auf: kleinbäuerliche
Betriebes werden durch die »Ausweitung und Hegemonie industrieller
Landwirtschaft« zurückgedrängt, Schutzzölle werden abgebaut und
Landreformen zurückgenommen, um den »Ausbau global integrierter
Produktionsketten« zu begünstigen. Die Folgen sind verheerend: Die
Zerstörung der regionalen Subsistenzwirtschaften, die Umstellung auf
bewässerungsintensive und letztlich die Böden auslaugende Monokulturen
sind zu nennen. Aber auch die Nutzung von Getreide als Futtermittel für
die Fleischproduktion untergräbt die Ernährungssicherheit in immer
weiteren Teilen der Welt. Hinzu kommt noch die von der Welthungerhilfe
auf 215 Milliarden Dollar jährlich geschätzte Subventionierung der
europäischen beziehungsweise US-amerikanischen Landwirtschaft. Den
Dumpingpreisen dieser Anbieter haben die Entwicklungsländer auf dem
Weltmarkt nichts entgegenzusetzen.
Entwicklungen, die durch die Expansion der Agrotreibstoffproduktion seit
der Jahrtausendwende verschärft wurden. Erstmalig seit Jahrzehnten sank
zuletzt die globale Nahrungsmittelproduktion pro Kopf. Bello widmet der
Agrotreibstoffproduktion ein eigenständiges Kapitel und stellt fest,
dass deren ökologischer Nutzen nicht nachweisbar sei.
In diesen Prozessen sieht Bello die »letzte Etappe« der Verdrängung der
bäuerlichen durch die kapitalistische Landwirtschaft mit diversen
destruktiven Folgen. Als Ausweg aus diesem deprimierenden Bild der
globalen Lebensmittelindustrialisierung schlägt Bello die Rückbesinnung
auf eine regional die Ernährungssicherheit gewährleistende
Landwirtschaft von Kleinbauernwirtschaften und regional verankerten
Farmern vor. Eine Forderung, wie sie etwa von dem internationalen
Bauernnetzwerk La Via Campesina geteilt wird.
Ob diese Perspektive angesichts der in den letzten Jahren massiv
erfolgten Landkäufe in den Entwicklungsländern durch multinationale
Konzerne und Staatsfonds realistisch ist, wird nicht zuletzt von der
Stärke solcher Netzwerke abhängen, denen Bello immerhin eine überzeugend
argumentierende Studie zur Seite gestellt hat.
Walden Bello: Politik des Hungers. Assoziation A, Berlin / Hamburg
2010. 199 S., 16 Euro.
* Aus: Neues Deutschland, 3. August 2010
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