Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gewalt, Hunger und Krankheit 2008

Organisation Ärzte ohne Grenzen veröffentlichte Liste der schwersten humanitären Krisen

Gewalt und Hunger in Somalia sowie Cholera und Aids in Simbabwe gehören nach Einschätzung von Ärzte ohne Grenzen zu den schwersten humanitären Krisen dieses Jahres. *

Berlin (ND/Agenturen). Massive Vertreibungen, Gewalt und vernachlässigte medizinische Bedürfnisse: Das Leid der Menschen in der Demokratischen Republik Kongo, in Somalia, Irak, Sudan, in der äthiopischen Somali-Region und in Pakistan bleibt für die Weltöffentlichkeit oft unsichtbar. Zusammen mit den kaum beachteten medizinischen Notsituationen in Myanmar und Simbabwe gehören sie jedoch zu den derzeit schlimmsten humanitären Krisen weltweit. Die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen stellte am Montag die Liste der schwersten humanitären Krisen 2008 vor. Auf ihr stehen auch die weltweit zunehmende Verbreitung der Koinfektion von HIV und Tuberkulose sowie Mangelernährung bei Kindern, die die Ursache für den Tod von bis zu fünf Millionen Kindern jährlich ist.

»Mit der Liste hoffen wir, die Aufmerksamkeit auf Millionen Menschen zu lenken, die in Konflikten und Kriegen gefangen und von medizinischen Krisen betroffen sind und deren Leid so selten wahrgenommen wird«, sagte Christophe Fournier, internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen. »Immer wieder werden die Teams von Ärzte ohne Grenzen, die weltweit in Krisengebieten arbeiten, Zeugen der medizinischen und psychologischen Konsequenzen von extremer Gewalt, Vertreibung und eigentlich behandelbaren, aber vernachlässigten Krankheiten. Wir sehen uns in der Verantwortung, die Patienten nicht nur zu behandeln, sondern auch Zeuge für ihr unerträgliches Leid zu sein und darüber zu sprechen.«

Gleichzeitig thematisiert die Liste die aktuellen Probleme, die die Hilfe in den Konfliktgebieten erschweren. In vielen Ländern auf der diesjährigen Liste gibt es immer weniger Raum für humanitäre Arbeit. Das macht es extrem schwierig, denjenigen Hilfe zu bringen, die diese am dringendsten brauchen. Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen arbeiten heute in gefährlicheren Kontexten und unter höheren Sicherheitsrisiken als früher. In stark politisierten und instabilen Konflikten wie denen in Somalia, Pakistan, Sudan und Irak kann auch Ärzte ohne Grenzen, trotz der Neutralität und Unabhängigkeit der Organisation, nur eingeschränkt Hilfe leisten.

In Simbabwe spitzt sich die Lage angesichts der Cholera-Epidemie und extremer Lebensmittelknappheit weiter zu: Experten der Vereinten Nationen warnten am Montag vor einer Hungersnot, von der fast jeder zweite Einwohner des afrikanischen Landes betroffen sein könnte. Während das Land einst die Kornkammer der Region gewesen sei, gebe es heute »einfach nicht genug zu essen«, hob UNO-Sonderberichterstatter Olivier De Schutter in einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen hervor. Die UN-Organisationen schätzen, dass demnächst rund 5,5 Millionen Simbabwer von Lebensmittellieferungen abhängig sein könnten. Damit ist fast jeder zweite Einwohner des Landes von Hunger bedroht. Zudem drohe mit dem Beginn der Regenzeit im Januar die Cholera-Epidemie mit bereits mehr als 1100 Toten »desaströse Ausmaße« anzunehmen.

In Somalia wurden humanitäre Helfer im vergangenen Jahr direkt angegriffen und bedroht, und die Teams von Ärzte ohne Grenzen mussten alle internationalen Mitarbeiter aus dem Land zurückziehen. Die Projekte werden von den somalischen Mitarbeitern weitergeführt, mussten aber eingeschränkt werden. Auch in Pakistan, wo im Nordwesten des Landes Anfang 2008 Hunderttausende Menschen vor Luftangriffen und Bombardierungen gegen Aufständische flohen, hat die Organisation die Zahl der internationalen Helfer nach Angriffen auf Mitarbeitern von Hilfsorganisationen reduziert.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Dezember 2008


Dokumentiert:

Pressemitteilung

Ärzte ohne Grenzen veröffentlicht Liste der schwersten zehn humanitären Krisen 2008 - Zunehmend unsichere Kontexte erschweren Hilfe für Bedürftige

Berlin, 22. Dezember 2008. Massive Vertreibungen, Gewalt und vernachlässigte medizinische Bedürfnisse: Das Leid der Menschen in der Demokratischen Republik Kongo, in Somalia, im Irak, Sudan, in der äthiopischen Somali-Region und in Pakistan bleibt für die Weltöffentlichkeit oft unsichtbar. Zusammen mit den kaum beachteten medizinischen Notsituationen in Myanmar (Birma) und Simbabwe gehören sie jedoch zu den derzeit schlimmsten humanitären Krisen weltweit. Die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat heute die Liste der schwersten humanitären Krisen 2008 vorgestellt. Auf ihr stehen auch die weltweit zunehmende Verbreitung der Koinfektion von HIV und Tuberkulose sowie Mangelernährung bei Kindern, die die Ursache für den Tod von bis zu fünf Millionen Kindern jährlich ist.

"Mit der Liste hoffen wir, die Aufmerksamkeit auf Millionen Menschen zu lenken, die in Konflikten und Kriegen gefangen und von medizinischen Krisen betroffen sind und deren Leid so selten wahrgenommen wird", sagte Christophe Fournier, internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen. "Immer wieder werden die Teams von Ärzte ohne Grenzen, die weltweit in Krisengebieten arbeiten, Zeugen der medizinischen und psychologischen Konsequenzen von extremer Gewalt, Vertreibung und eigentlich behandelbaren aber vernachlässigten Krankheiten. Wir sehen uns in der Verantwortung, die Patienten nicht nur zu behandeln, sondern auch Zeuge für ihr unerträgliches Leid zu sein und darüber zu sprechen."

Gleichzeitig thematisiert die Liste die aktuellen Probleme, die die Hilfe in den Konfliktgebieten erschweren. In vielen Ländern auf der diesjährigen Liste gibt es immer weniger Raum für humanitäre Arbeit. Das macht es extrem schwierig, denjenigen Hilfe zu bringen, die diese am dringendsten brauchen. Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen arbeiten heute in gefährlicheren Kontexten und unter höheren Sicherheitsrisiken als früher. In stark politisierten und instabilen Konflikten, wie denen in Somalia, Pakistan, Sudan und im Irak, kann auch Ärzte ohne Grenzen, trotz der Neutralität und Unabhängigkeit der Organisation, nur eingeschränkt Hilfe leisten.

In Somalia wurden humanitäre Helfer im vergangenen Jahr direkt angegriffen und bedroht, und die Teams von Ärzte ohne Grenzen mussten alle internationalen Mitarbeiter aus dem Land zurückziehen. Die Projekte werden von den somalischen Mitarbeitern weitergeführt, mussten aber eingeschränkt werden. Auch in Pakistan, wo im Nordwesten des Landes Anfang 2008 Hunderttausende Menschen vor Luftangriffen und Bombardierungen gegen Aufständische flohen, hat die Organisation die Zahl der internationalen Helfer nach Angriffen auf Mitarbeitern von Hilfsorganisationen reduziert.

In Ländern wie Myanmar (Birma) und Simbabwe, in denen das Gesundheitswesen für die Regierungen keine Priorität hat oder Einsätze von Hilfsorganisationen mit Argwohn betrachtet werden, sind diese in ihrer Hilfe eingeschränkt oder kümmern sich als einzige um die überwältigenden Nöte.

Ärzte ohne Grenzen veröffentlicht die Liste der zehn schwersten humanitären Krisen seit elf Jahren.

Quelle: Website von "Ärzte ihne Grenzen"; www.aerzte-ohne-grenzen.de/


Zurück zum Thema "Armut, Hunger, Massenelend"

Zurück zur Homepage