Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Krieg aus dem Weltraum - Angriff auf Computersysteme

Die Furcht der USA vor einem informationstechnologischen "Pearl Harbour"

Die folgenden Beiträge haben wir dem Internet entnommen. Das ist dem Thema auch durchaus angemessen. Der letzte Beitrag ist zwar schon gut zwei Jahre alt, ist aber immer noch interessant zu lesen und aktuell.

Der designierte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war Leiter von zwei Kommissionen zur nationalen Sicherheit, die sich für die Aufrüstung im Weltraum ausgesprochen haben. 1998 legte die Kommission die Rechtfertigung zum Aufbau des umstrittenen nationalen Raketenabwehrsystems (NMD) vor, jetzt warnt der Bericht der zweiten von Rumsfeld geleiteten Kommission vor einem "Pearl Harbor im Weltraum"

. "Wenn die USA ein 'Pearl Harbor im Weltraum' vermeiden wollen, dann muss die Möglichkeit eines Angriffs auf die US-Weltraumsysteme ernst genommen werden", heißt es in dem Bericht. Während der Clinton-Regierung sprach man noch von einem elektronischen Pearl Harbor und beschwor die Verletzlichkeit der USA, die mehr als alle anderen Staaten von Computersystemen abhängen. Ganz ähnlich die Argumentation der Rumsfeld-Kommission, nur dass die bedrohte Infrastruktur sich nun im Weltraum befindet: "Die USA hängen stärker vom Weltraum ab als jede andere Nation. Doch die Bedrohung der USA und ihrer Alliierten im und durch den Weltraum erhält nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient." Und auch sonst gleicht sich die Argumentation: "Wer den USA gegenüber feindlich eingestellt ist, kann sich auf dem globalen Markt die Mittel zur Lahmlegung, Störung oder Vernichtung von US-Weltraumsystemen durch den Angriff auf Satelliten oder auf Kommunikationsverbindungen von oder zu Bodenstationen besorgen, die die Satelliten steuern und ihre Daten verarbeiten."

Um solche Risiken herabzusetzen, müsse nicht nur mehr Geld in die technische Aufrüstung investiert werden, sondern sei auch eine engere Kooperation zwischen dem Militär und den Geheimdiensten notwendig, vor allem mit dem CIA und dem National Reconnaissance Office, das für die Aufklärungssatelliten verantwortlich ist.

Seit November leitet David Jeremiah die Kommission, nachdem Rumsfeld von Bush als Verteidigungsminister vorgeschlagen wurde. Der ehemalige Admiral sagte, die USA insgesamt, vor allem aber das Verteidigungsministerium und die Geheimdienste, seien nicht sehr gut darauf vorbereitet, die im 21. Jahrhundert anfallenden Aufgaben zum Schutz der Nationalen Sicherheit zu bewältigen. Die USA würden bei wachsender Angewiesenheit auf Kommunikationssatelliten für Mobiltelefone, auf GPS-Geräte sowie auf die Infrastruktur für Spionage und Bodenstationen immer leichter angreifbar: "Menschen wie Osama bin Laden", so Jeremiah, könnten zunehmend leichter Zugriff auf die Kapazitäten von Satelliten erhalten, überdies könnten sie die Bodenstationen bedrohen. Die Kommission erkenne zwar die heiklen Probleme, die alles beträfen, was mit offensiven und defensiven Waffen im Weltraum zu tun habe, aber sie schlage trotzdem vor, dass der US-Präsident die Möglichkeit haben sollte, "Waffen im Weltraum einzusetzen, um Drohungen abzuschrecken oder, falls notwendig, sich gegen Angriffe auf US-Interessen zu verteidigen."
Quelle: www.heise.de

Abschreckung im Zeitalter nach dem Kalten Krieg

Von Florian Rötzer

Die neue Bush-Regierung wird militärisch vornehmlich auf Stärke setzen; der designierte Verteidigungsminister Rumsfeld will mehr Geld für Aufrüstung und setzt auf das nationale Raketenabwehrsystem und die Geheimdienste

Die amerikanische Verteidigungspolitik dürfte sich, wie vieles andere, ändern, wenn der neue Präsident George W. Bush sein Amt am 20. Januar übernimmt und Donald Rumsfeld wie vorgesehen zum Verteidigungsminister ernennt. Der hat schon einmal die Schlagworte geprägt und gesagt, dass Schwäche provozierend sei. Er ist nicht nur für die Realisierung des von der Clinton-Regierung unter Druck seitens des Kongresses begonnenen, aber zurückgestellten Raketenabwehrsystems (NMD), sondern warnte auch vor der Möglichkeit eines "Pearl Harbor im Weltraum". Hatte die Clinton-Regierung ihr Profil in Sachen nationaler Sicherheit mit den Bedrohungen durch Infowar, Cyberterrorismus und biologischen Waffen geprägt, so scheint die Bush-Regierung in den alten Fußstapfen von Ronald Reagan wieder ganz auf breite Aufrüstung zu setzen.

Rumsfeld, bereits Verteidigungsminister unter Präsident Ford von 1975 bis 1977 und Leiter von zwei Kommissionen über das Raketenabwehrsystem und die möglichen Gefahren für die US-Satelliten, lebt noch in den Kategorien des Kalten Kriegs und einer Politik der Abschreckung. Aufrüsten, Stärke, Weiterdrehen an der Rüstungsschraube - das ist die Welt des neuen Verteidigungsministers mit dem einfach Slogan: "Schwäche lädt die Menschen ein, Dinge zu tun, an die sie sonst gar nicht gedacht hätten." Die Welt habe sich seit dem Kalten Krieg zwar verändert, räumt Rumsfeld ein, mit dem alten Feind Russland habe man eine friedlichere Beziehung, aber sie sei weiterhin gefährlich und eigentlich noch gefährlicher: "Wir wissen, dass die Macht der Waffen heute weitaus größer als in den vergangenen Zeiten ist, und wir wissen, dass mit der Abnahme der Spannungen am Ende des Kalten Krieges die Ausbreitung dieser Möglichkeiten um sich greift."

Im Zeitalter der Globalisierung müsse man das US-Militär erfolgreich ins 21. Jahrhundert leiten, damit es weiterhin "seine lebenswichtige Rolle für die Erhaltung und den Ausbau des Friedens soweit wie möglich in die Zukunft hinein einnehmen" könne. Die Grundlage des Friedens sei eine "starke, einsatzbereite und moderne Armee". Dazu muss natürlich das Budget aufgestockt, die Gehälter müssen erhöht und die Armee sollte möglichst schnell technisch modernisiert werden, um Feinde abzuschrecken: "Eine wirksame Abschreckung kann nicht mehr allein auf der Aussicht auf Bestrafung durch einen großen Gegenschlag beruhen. Sie muss auf einer Kombination von offensiven Nuklearwaffen und nicht-nuklearen Verteidigungsmaßnahmen basieren, die zusammen wirken, um möglichen Feinden die Wahrnehmung der Chancen und Vorteile unmöglich zu machen, die aus der Bedrohung unserer Streitkräfte, unseres Vaterlandes oder unserer Alliierten mit Massenvernichtungswaffen oder durch deren Einsatz entstehen."

Wichtig sei vor allem auch die Stärkung der Geheimdienste und der Ausbau der Informationstechnologie: Eine moderne CCCI- Infrastruktur (Command, Control, Communication, Intelligence) sei die Grundlage der militärischen Handlungsfähigkeit. Zum Ausbau der Geheimdienste und der Überwachungskapazitäten gehört für Rumsfeld natürlich auch die Weltraumtechnologie - und "die Möglichkeit, sie gegen unterschiedliche Angriffsarten zu schützen."

Insgesamt wird bereits die Grundlage für noch höhere Ausgaben für die Rüstung gelegt, als sie bislang von Bush vorgesehen waren. Der hatte während des Wahlkampfes davon gesprochen, das Budget für das Verteidigungsministerium für die nächsten 10 Jahre um 45 Milliarden Dollar zu erhöhen und mehr als 70 Milliarden Dollar für neue Waffensysteme im Weltraum und für U-Boote auszugeben. Rumsfeld deutet gar nicht leise an, dass das bei weitem nicht genug sein wird: "Wir müssen zusammen arbeiten, wenn wir die Probleme ausreichender Finanzierung lösen wollen. ... Wir werden neue Dollars in nicht gewöhnlichen Mengen finden müssen." Wie solche Erhöhungen mit den ebenfalls versprochenen Steuerkürzungen zusammen gehen sollen, wird Bush freilich noch zeigen müssen, zumal wenn der wirtschaftliche Boom weiterhin abflaut.

Ein eben veröffentlichter Pentagonbericht, der unter der Leitung von Howard Baker entstanden ist, kommt zur rechten Zeit und rechtfertigt die Aufrüstungsintentionen, die der USA nicht nur teuer kommen werden, sondern auch zu einer neuen weltweiten Aufrüstungsspirale führen könnten. Angesichts des von der Bush-Regierung geförderten Planes, ein nationales Raketenabwehrsystem aufzubauen, nähern sich bereits Russland und China immer weiter einander an. Bekanntlich führt nicht nur Schwäche zu Gefahren, sondern auch betont zur Schau gestellte Stärke. Neben dem amerikanischen Oberbösewicht bin Laden steht nun auch wieder Russland als Bedrohung im Visier, denn gerade die wirtschaftlichen Probleme des Landes mit den großen Waffenvorräten könnten dazu führen, dass sich Diebe, Terroristen und Organisiertes Verbrechen diese Waffen aneignen können.

In dem Bericht heißt es, so der noch amtierende Verteidigungsminister und ehemalige republikanische Senator William Cohen, dass mindesten 25 Staaten (Iran, Irak, Libyen, Nordkorea ...) bereits die Möglichkeit oder dabei sind, sie zu erwerben, nukleare, chemische oder biologische Massenvernichtungsmittel einzusetzen. Gerade die militärische Überlegenheit verführe die "bösen Staaten" (rogue states) dazu, "asymmetrische Mittel" zu entwickeln, um das die Achillesferse der USA anzugreifen. Dazu komme, dass die Massenvernichtungswaffen zunehmend auch in die Hände von terroristischen oder fanatischen Einzelnen und Gruppen geraten werden könnten: "Die Nachfolger von Osama bin Laden haben bereits mit Giftgasen trainiert."
Quelle: telepolis, 14.01.2001

Infowar gegen die USA

Von Florian Rötzer

Schlimmer als Pearl Harbor Seitdem man vom Infowar spricht, kam auch der Vergleich mit dem überraschenden Angriff der Japaner im Jahr 1941 auf Pearl Harbor in Hawaii auf. Er zeigte, wie verwundbar auch die ansonsten weit überlegene Streitmacht der USA war, und bereitete gewissermaßen den Eintritt in das nukleare Zeitalter durch den Abwurf von Atombomben auf Japan vor. Um den Amerikanern die Größe der Bedrohung durch den Infowar plausibel zu machen und sie auf erneute Aufrüstungsvorhaben der Staates vorzubereiten, spricht man daher gerne von einem "elektronischen Pearl Harbor".

Das aber ist Richard Clarke, dem Nationalen Koordinator des neu eingerichteten Critical Infrastructure Assurance Office nicht genug. Für ihn stellt der Infowar eine noch weitaus bedrohlichere Zukunft dar, als der Vergleich mit Pearl Harbour suggeriert. Das erläuterte er auf der von Defense Week organisierten Konferenz über die "Verteidigung der kritischen nationalen Infrastruktur" am 7. Dezember.

Es sei schon gut, den Ausdruck "elektronisches Pearl Harbour" zu verwenden, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erhalten, doch man dürfe damit die Unterschiede nicht verwischen. Während ein Angriff mit Informationswaffen die ganze Nation treffen und auf die zivile Infrastruktur sowie die industrielle Macht der USA gerichtet sein würde, sei Pearl Harbor nur ein lokales Ereignis gewesen, das die Wirtschaft nicht bedroht habe. Deshalb konnte man damals auch erfolgreich zurückschlagen. Ein Infowar aber könnte dieselben Folgen wie ein schweres Erdbeben im ganzen Land haben und alles lahmlegen.

Damals wußte man zwar nicht, ob, wann und wo die Japaner angreifen, aber man kannte immerhin die Größe und die Ausstattung der japanischen Streitmächte: "Wir können aber beispielsweise nicht die feindlichen Kriegsschiffe in einem elektronischen Krieg zählen. Wir können die Stärke des Gegners nicht abschätzen." Daher sei es auch im Unterschied zur Bedrohung durch einen Feind mit herkömmlichen Waffen sehr schwer, den Kongreß und das amerikanische Volk davon zu überzeugen, daß man sich angemessen aufrüsten muß. Gespenstisch also ist der im buchstäblichen Sinne virtuelle Infowar, solange er nicht wirklich losgeht. Wichtig sei auch, daß ein elektronischer Angriff sich nicht auf die Flotte oder die Luftwaffe, sondern auf die Zerstörung der nationalen Infrastruktur richten werde.

Warum aber sind die USA heute so bedroht durch den Infowar? Man habe in den letzten 20 Jahren, so Clarke, Amerika total umgebaut, ohne daß man sich dafür entschieden oder der Kongreß dementsprechende Gesetze verabschiedet habe. Jetzt aber seien alle wichtigen Infrastrukturen des Landes, mitsamt dem Militär und der Wirtschaft, von computergesteuerten System abhängig. Das habe man erst spät gemerkt. Ursache sei der der Übergang ins nächste Jahrtausend und das Jahr-2000-Problem gewesen. Plötzlich mußte man einen Fehler in den Computersystemen beheben, den man vor kurzem noch gar nicht wahrgenommen hatte. Verpaßt man die Fehlerbehebung, "dann hat man kein Unternehmen mehr." Und weil sich dadurch für jedermann gezeigt habe, daß alle von Computern und computergesteuerten Systemen abhängig geworden sind, dann treffe wohl auch zu, daß alle durch einen Infowar bedroht sind.

Wieder einmal müssen für die Größe der Bedrohung die beiden 14-Jährigen Hacker - solar Sunrise - herhalten, die im Februar 1998, während des Konflikts mit dem Irak, in die Computer des amerikanischen Militärs eindringen konnten und Tausende von Passworten heruntergeladen sowie Hintertüren eingebaut hatten. Zunächst habe man dies für einen irakischen Angriff gehalten, doch "wenn zwei Vierzehnjährige das tun konnten, dann können Sie sich vorstellen, was ein entschlossener Feind anrichten könnte." Zudem habe ein Angriff einer Abteilung des Verteidigungsministeriums auf militärische Computersysteme die fehlenden Schutzvorrichtungen demonstriert. Man habe, ohne entdeckt zu werden, in die Systeme eindringen und sie weitgehend steuern können. Nachdem man Überwachungssysteme für das unbefugte Eindringen angebracht habe, konnte man erkennen, daß es im Laufe einer Woche Tausende von Versuchen gebe, in Computer des Verteidigungsministeriums, der Regierung und der Privatwirtschaft einzudringen. Warum aber das Eindringen in einige Computer, wie dies bei den jungen Crackern der Fall war, gleich die Bedrohung eines Black-Outs für das ganze Land mit sich bringt, wird durch die Panikmache nicht deutlicher.

Clarke warnt, daß man viel Zeit - und vermutlich auch Geld - brauche, um sich gegen solche Angriffe wirksam zur Wehr setzen zu können, also um so reagieren zu können, wie die Amerikaner es vor 57 Jahren im Fall von Pearl Harbor machen konnten. Man brauche unbedingt Überwachungssysteme, die sofort den Versuch eines Eindringens melden. Sie müßten überdies vernetzt sein, so daß ein Angriff auf ein Computersystem allen anderen mit Informationen über die Methode gemeldet werde, und sie müßten den Angriff abwehren können. Um hier effektiv zu sein, müßte man ein KI-Programm entwickeln, das in Echtzeit die Computer überprüft und Hintertüren, logische Bomben und trojanische Pferden entdecken kann.

Ein solches Netz von Warnsystemen müßte alle Computersysteme der amerikanischen Regierung verbinden, aber es wäre genauso dringend im privatwirtschaftlichen Sektor erforderlich: "Systeme, die privaten Unternehmen gehören und von diesen betrieben werden, stellen mehr als 90 Prozent der telekommunikativen und elektrischen Kapazität dar, die vom Verteidigungsministerium und anderen staatlichen Behörden benötigt wird. Wenn man die privatwirtschaftlichen Telekoms und Strom-, Banken- und Transportnetzwerke abschaltet, dann hat man dieses Land zerstört." Daher müsse man eben nicht nur die Regierung, sondern auch die Wirtschaft schützen und in die Verteidigungsmaßnahmen einbeziehen. Das ist die Botschaft, die immer wieder durch die neue Strategie des Schutzes der Infrastruktur beschworen wird.

Und dann schlägt Clarke noch eine Ausbildungsoffensive vor, denn man brauche einfach mehr Computerspezialisten. Für die Regierung sei es wegen der großen Nachfrage schwer, diesen die Gehälter zahlen zu können, die sie auf dem freien Markt erhalten. Deswegen übersteige die Zahl der Arbeitsangebote bei weitem die Zahl der qualifizierten Bewerber. Wenn man also mehr Computerspezialisten ausbildet, hat man nicht nur genügend Kräfte für die Sicherheitsaufgaben, sondern senkt man auch deren Marktwert. Auch so könnte die militärische Strategie, die die nationale Infrastruktur schützen will, in das Ausbildungssystem und den freien Markt eingreifen.
Quelle: telepolis, 10.12.1998,

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