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Schriften zum "Krieg gegen den Terror"

Kurzer Überblick über die umfangreiche Literatur zum 11. September

Am 11. September 2002 erschien in der Literaturbeilage der Zeitung "junge Welt" eine Übersicht über interessante, aber qualitativ sehr unterschiedliche Bücher, die sich mit dem 11.9. und dessen Folgen befassen. Wir dokumentieren diese Handreichung.

Sieht man von den Standardwerken der westlichen Propaganda ab, wie den gesammelten Spiegel-Berichten, finden sich zahlreiche Arbeiten, die das Hauptaugenmerk darauf legen, das politische und wirtschaftliche Interessengeflecht zwischen den USA und dem Westen einerseits sowie den islamischen Ländern West- und Zentralasiens andererseits darzustellen. Ein zweiter Schwerpunkt sind jene Arbeiten, die den Widersprüchen in der offiziellen Darstellung der Anschläge selbst nachgehen.

Bereits im Dezember 2001 erschien in der Trotzdem Verlagsgenossenschaft ein Sammelband mit Beiträgen international bekannter Wissenschaftler und Schriftsteller zum 11. September unter dem Titel »Angriff auf die Freiheit? Die Anschläge in den USA und die ›Neue Weltordnung‹«. Das Buch enthält u.a. Essays von Noam Chomsky, Eduardo Galeano und Arundhati Roy, in denen sie auf die Wechselwirkung von westlichem Imperialismus und gewaltsamer Reaktion auf seine Kriegspolitik eingehen. Diese Texte, die z.T. auch in der deutschsprachigen Presse erschienen, lösten in den Bürgermedien z.T. heftige Empörung aus. Generell ignoriert werden dort allerdings die Schriften Noam Chomskys. Die Presse der USA schwieg seine Analysen tot, dennoch wurden seine Arbeiten zu Bestsellern, wie die FAZ einigen Wochen erstaunt vermerkte. Auf Deutsch erschien im Frühjahr von Chomsky »The Attack. Hintergründe und Folgen«.

Von den Medien ignoriert wurden auch die Fragen, die der ehemalige Bundesforschungsminister Andreas von Bülow im Zusammenhang mit dem 11. September äußerte (vgl. z. B.: »Das sind Spuren wie von einer trampelnden Elefantenherde«, Interview mit Andreas von Bülow in Tagesspiegel am Sonntag vom 13. Januar 2002 sowie das Interview »Was steckt hinter dem 11. September Brisantes?« in Rote Fahne, Wochenzeitung der MLPD, Gelsenkirchen, Nr. 7/2002. Von Bülow erklärte mehrfach, daß er nicht wisse, wer hinter den Anschlägen von New York und Washington stecke. Es sei nur eins klar, die von US-Präsident George W. Bush und anderen offerierte Version der Urheber bzw. Verschwörungstheorie sei falsch. Der SPD-Politiker stellte als einer der ersten konkrete Fragen nach dem Zusammenhang zwischen den Anschlägen und den langjährigen Aktivitäten von US-Geheimdiensten zur Unterstützung von islamischen Fundamentalisten.

So gut wie nicht diskutiert wurden auch die Texte des langjährigen taz-Redakteurs und Kabarettisten Mathias Bröckers, der seit dem 11. September in der Internet-Zeitschrift telepolis merkwürdigen Spuren ins Geheimdienstmilieu, in die Politik und in die Wirtschaft der USA nachging. Vor wenigen Tagen hat Bröckers unter dem Titel »Verschwörungen, Verschwörungstheorien und Geheimnisse des 11. 9.« seine »konspirologischen« Studien veröffentlicht und aktualisiert.

Aufgegriffen wurden die Anmerkungen von Bülows in dem Band »Das Schweigekartell«, der im März 2002 erschien. Die Autoren – vorwiegend Journalisten und Geheimdienstexperten – analysieren vor allem die offiziellen Versionen der Abläufe vor dem 11. September und decken zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten auf. So legt z.B. jW-Autor Rainer Rupp dar, daß die US-Regierung von mehreren Geheimdiensten konkrete Hinweise auf die Attentäter und ihre Pläne erhielt. Sie wurden ebenso ignoriert wie Ermittlungen einzelner FBI-Agenten in den USA selbst.

In zweiter Auflage erschien im August die Broschüre von Hans-Jürgen Falkenhagen »Die Terroranschläge auf World Trade Center und Pentagon vom 11. September. Hintergründe, Fakten, Fragen, Schlußfolgerungen«. Der Autor vertritt die Auffassung, daß die Ereignisse nach dem 11. 9. die Frage »Cui Bono? – Wem nützt es?« klar beantwortet haben. Seine wichtigste These lautet demgemäß: Mit den Terroranschlägen sollte der »Vorwand für den lange geplanten Krieg gegen Afghanistan und weitere Staaten« geschaffen werden. Dessen Ziel sei es, sich in Zentralasien dauerhaft einzurichten. Falkenhagen zweifelt insbesondere an, daß die der Öffentlichkeit als Täter präsentierten Araber tatsächlich in der Lage waren, Großraumflugzeuge zu lenken.

Mit den politischen und strategischen Aspekten des »Krieges gegen den Terror« beschäftigt sich das von Jürgen Elsässer herausgegebene Buch »Deutschland führt Krieg. Kosovo, Kabul und so weiter«. Es behandelt z.T. kontrovers insbesondere die Rolle Deutschlands in diesen und künftigen Kriegen, eine Frage, die für die deutsche Linke in nächster Zeit von entscheidender Bedeutung werden dürfte. Die »Polarisierung nach dem 11. September 2001« in der Weltpolitik und in der Linken ist Thema des Buches von Ekkehard Sauermann, das unter dem Titel »Neue Welt Kriegs Ordnung« im Oktober im Atlantik-Verlag erscheint.

Das Heft 127 der Zeitschrift Prokla widmet sich ebenfalls unter dem Titel »Neue Waffen – neue Kriege?« der militärpolitischen Entwicklung im vergangenen Jahr. Der 11. September hat offenbar als Katalysator für Tendenzen gewirkt, die sich bereits nach dem Ende des Kalten Krieges abzeichneten.

Bemerkenswertes Material z.B. über die Geheimverhandlungen zwischen der US-Administration und den Taliban bis zum Sommer 2001 enthält der Band der beiden französischen Geheimpolizisten Jean-Charles Brisard und Guillaume Dasquié »Die verbotene Wahrheit. Die Verstrickungen der USA mit Osama bin Laden«. Einer anderen Verflechtung zwischen westlicher Politik und Islamisten gehen Johannes und Germana von Dohnanyi in ihrem Buch »Schmutzige Geschäfte und Heiliger Krieg. Al-Qaida in Europa« nach. Sie untersuchen u. a. die Anfänge des »europäischen Djihad« bei der Zerschlagung Jugoslawiens in Bosnien und im Kosovo sowie die »fatale Mischung« von Islamisten, Rechten und Kriminellen in Europa. Mit einem anderen Aspekt der Beziehungen zwischen islamischer und westlicher Welt befaßt sich das »Tagebuch über den 11. September, den Palästinakonflikt und die arabische Welt«, das der palästinensische Schriftsteller Rafik Schami unter dem Titel »Mit fremden Augen« herausgab.

Zahlreiche Islam- und Nahostexperten aus Deutschland und verschiedenen anderen Ländern kommen in dem von Georg Stein und Volkhard Windfuhr herausgegebenen Sammelband »Ein Tag im September. 11. 9. 2001« zu Wort. Die Beiträge befassen sich u.a. mit politischen und militärischen Aspekten der Beziehungen zwischen dem Westen und den islamischen Ländern und gehen der Frage nach, welche Perspektiven sich aus den jüngsten Ereignissen dafür ergeben.

(jW) Die Bücher:
  • Noam Chomsky/ Eduardo Galeano/ Arundhati Roy u. a.: Angriff auf die Freiheit? Die Anschläge in den USA und die »Neue Weltordnung«. Trotzdem Verlag, Grafenau 2001
  • Noam Chomsky: The Attack. Hintergründe und Folgen. Europa Verlag
  • Mathias Bröckers: Verschwörungen, Verschwörungstheorien und Geheimnisse des 11. 9. Zweitausendeins
  • Arnold Schölzel (Hg.): Das Schweigekartell. Kai Homilius Verlag
  • Hans-Jürgen Falkenhagen: Die Terroranschläge auf das World Trade Center und Pentagon vom 11. September. Schriftenreihe der KPD
  • Jürgen Elsässer (Hg.): Deutschland führt Krieg. Kosovo, Kabul und so weiter. Konkret-Literatur Verlag
  • Ekkehard Sauermann: Neue Welt Kriegs Ordnung. Die Polarisierung nach dem 11. September 2001. Atlantik Verlag
  • Prokla. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Nr. 127. Westfälisches Dampfboot
  • Jean-Charles Brisard/ Guillaume Dasquié: Die verbotene Wahrheit. Die Verstrickungen der USA mit Osama bin Laden. Pendo Verlag Johannes und Germana von Dohnanyi: Schmutzige Geschäfte und Heiliger Krieg. Al-Qaida in Europa. Pendo Verlag
  • Rafik Schami: Mit fremden Augen. Tagebuch über den 11. September, den Palästinakonflikt und die arabische Welt. Palmyra Verlag, Heidelberg 2002, 152 Seiten, 19,90 Euro
  • Georg Stein/ Volkhard Windfuhr (Hg.): Ein Tag im September. 11. 9. 2001. Palmyra Verlag

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