Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Das ist ein recht bizarrer Vorgang"

Berliner Unipräsident verhindert mit Tricks Berufung eines linken Wissenschaftlers. Ein Gespräch mit Albert Scharenberg *

Albert Scharenberg, langjähriger Lehrbeauftragter für Politik und Nordamerikastudien an der Freien Universität (FU) Berlin, ist Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.



Sie waren Ende 2007 der aussichtsreichste Bewerber für die Besetzung einer Juniorprofessur für Nordamerika-Politik am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Nach Intervention durch Unipräsident Dieter Lenzen wurde Ihre Berufung - vermutlich aus politischen Motiven - zunächst verhindert. Daraufhin setzten sich in einem offenen Brief an Lenzen mehr als 200 namhafte Wissenschaftler für Sie ein. Jetzt ist eine Entscheidung gefallen - wie sieht die aus?

Die im Herbst 2007, nach der Intervention des Präsidenten, weitgehend umbesetzte Berufungskommission hat eine neue Berufungsliste beschlossen, auf der - bei identischer Bewerberlage - mein Name plötzlich fehlt. Inzwischen haben auch Institutsrat und Fachbereichsrat diese Liste bestätigt, die jetzt beim Berliner Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner liegt.

Früher waren Sie die Idealbesetzung, und jetzt gelten Sie als nicht berufungsfähig?

Ja, so kann man das sagen. Das ist in der Tat ein recht bizarrer Vorgang, vor allem, wenn man bedenkt, daß einige Mitglieder der Kommission sowie Institutsrat und Fachbereichsrat beide Listen bestätigt haben. Wobei sie mich beim ersten Mal auf Platz eins setzten und beim zweiten Mal gar nicht mehr berücksichtigten. Damit behaupten sie jetzt im Grunde das Gegenteil von dem, was sie vor - und anfangs selbst nach - der präsidialen Intervention erklärten. Das läßt tief blicken.

Wie erklären Sie sich den Vorgang?

Blockiert wurde meine Berufung bekanntlich vom Präsidialamt. Erst nach dessen wiederholter Intervention änderte sich schließlich auch die Auffassung in den Gremien. Offenbar wurde hier von oben massiv Einfluß genommen. Es kann ja kaum Zufall sein, daß die Vorsitzende und weitere Mitglieder der Berufungskommission nach den öffentlichen Protesten ausgetauscht wurden. Auch fielen die externen Gutachten dieses Mal angeblich ganz anders aus - ähnlich wie 2002 im Falle des Berufungsverfahrens von Alex Demirovic an der Uni Frankfurt. Der war auch von allen Gutachtern und Fachgremien bestätigt worden. Dort hat der Universitätspräsident von sich aus drei weitere Gutachten bestellt, die dann auf wundersame Weise behaupteten, Demirovic sei ungeeignet.

Haben sich die Umfaller Ihnen gegenüber erklärt?

Überhaupt nicht. Im Gegenteil, seit dem offenen Brief gibt es keinerlei Kommunikation mehr. Man muß sich darüber im klaren sein, daß Protest und Widerstand innerhalb der Institution Universität keine Sympathie auslösen. Um so mehr Respekt habe ich für diejenigen, die Rückgrat bewiesen haben und gegenüber dem Präsidialamt nicht eingeknickt sind.

Es heißt, Lenzen passe Ihre Tätigkeit bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht, in der Sie inzwischen Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats sind. Ist das auch für Sie der Grund für das Manöver?

An der FU gilt das als offenes Geheimnis. Darum haben ja seinerzeit auch alle Medien, die über den Fall schrieben, in diesem Sinne berichtet. Das ist denn auch der eigentliche Skandal: Letztlich gaben hier, den Berichten zufolge, die politischen Erwägungen eines Unipräsidenten, der im Nebenberuf rein zufällig Botschafter der arbeitgebergesponserten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist, den Ausschlag gegenüber den wissenschaftlichen Kriterien der Fachgremien.

Wie wird der Fall innerhalb der Studierendenschaft verfolgt? Regt sich Protest?

Die Studentinnen und Studenten haben mich die ganze Zeit über sehr unterstützt. Ich kenne ja viele von ihnen aus meiner langjährigen Lehrtätigkeit. Ohne die breite Unterstützung, gerade auch durch die Studierenden am JFK-Institut und am OSI, wäre das Ganze schon viel früher zu Ende gewesen.

Wie geht es jetzt weiter?

Erst einmal muß der Wissenschaftssenator entscheiden, ob er der Besetzung zustimmt. Viel Hoffnung auf Einsicht habe ich angesichts seines bisherigen Abtauchens in dieser Sache allerdings nicht. Glücklicherweise bin ich nicht abhängig von seiner Entscheidung, da ich ja bereits Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik bin. Außerdem schreibe ich zur Zeit ein Buch über Martin Luther King - mit und ohne Berufung.

Interview: Ralf Wurzbacher

* Aus: junge Welt, 10. September 2009


Zurück zur Seite "Friedensforschung, Friedenswissenschaft"

Zurück zur Homepage