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Terrorismus, Gewalt- und Extremismusforschung als Schwerpunkte

Master-Studiengang Friedens- und Konfliktforschung an der Uni Marburg startet im Wintersemester

Am 30. August 2004 berichtete die Frankfurter Rundschau u.a.:
Rund 40 angehende Friedensforscher starten im Wintersemester mit dem interdisziplinär ausgerichteten Fach. Nach vier Semestern Regelstudienzeit wollen sie das Studium mit dem Master of Arts Degree abschließen. Bereits 1996 hat die Philipps-Universität den damals bundesweit ersten Nebenfachstudiengang für Friedens- und Konfliktforschung eingerichtet. Seitdem hat sich die Zahl der Studierenden auf bis zu 300 pro Jahr gesteigert. (...)
Das Studienprogramm wird vom interdisziplinären Zentrum für Konfliktforschung entwickelt, in dem 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 14 Fachbereichen - von den Sozialwissenschaften über Theologie bis zu Medizin, Jura und Physik - mitarbeiten. Forschungsschwerpunkte sind zurzeit die innere und äußere Sicherheit von der Bundeswehr bis zu Terrorismus, Gewalt- und Extremismusforschung, ökologische Ursachen von Konflikten sowie Konflikte in der Reproduktionsmedizin. Dabei wird großer Wert auf Kleingruppenarbeit sowie Rollen- und Planspiele gelegt. (...)


Einzelheiten zum Studiengang sind auf der Homepage des Zentrums für Konfliktforschung Marburg zu finden. Wir dokumentieren die für den Studiengang wichtigen Informationen:

Ziele

Mit dem Studiengang soll die Friedens- und Konfliktforschung in der Bundesrepublik auch im Bereich der Lehre und Ausbildung gestärkt und weiter professionalisiert werden. Es besteht in Deutschland ein großer Bedarf an hoch qualifizierten Absolventinnen und Absolventen im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung – nicht zuletzt aufgrund der jüngsten weltpolitischen Entwicklungen, aber auch aufgrund des von einschlägigen Institutionen beklagten Mangels an qualifiziertem Personal etwa im Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung oder der innergesellschaftlichen Institutionen außerrechtlicher Konfliktregelung.

Darüber hinaus wird in Stellenbeschreibungen privatwirtschaftlicher Unternehmen deutlich, dass bei den Anforderungsprofilen zum einen sogenannte „soft skills“, d.h. soziale und kommunikative Kompetenzen, und zum anderen organisatorische „Talente“ und die Fähigkeit zum Umgang mit neuen Medien eine immer größere Rolle spielen. Im Masterstudiengang wird deshalb auf den Erwerb solcher Kompetenzen großen Wert gelegt – auch, weil sie zur Analyse und Regelung von Konflikten von herausragender Bedeutung sind.

Das Ausbildungsziel des Masterstudiengangs besteht darin, analytische und praktische Qualifikationen im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung zu vermitteln. Dazu gehört auf der analytischen Seite die Fähigkeit, Konflikte nach ihrem Gegenstand, ihrem Verlauf, ihren Ursachen und Akteuren analysieren und Perspektiven der Befriedung, Regelung oder Lösung von Konflikten entwickeln zu können. Auf der praktischen Seite ist die Fähigkeit zentral, bei der Bearbeitung von Konflikten z.B. in Form von Mediation mitwirken zu können. Das Ausbildungsziel des Studiengangs lässt sich allerdings nur in Verbindung mit verschiedenen Handlungskompetenzen realisieren, die darauf zielen, sich in unterschiedliche wissenschaftliche, politische, kulturelle und lebensweltliche Positionen hineinversetzen und die eigene Position relativieren zu können. Darüber hinaus umfassen Handlungskompetenzen neben sozialen und kommunikativen Fähigkeiten auch Organisations- und Medienkompetenzen.

Gegenstand

Im Mittelpunkt des Masterstudiengangs stehen politische Konflikte, die einen globalen, weltgesellschaftlichen Bezug aufweisen. Gegenüber der klassischen Perspektive vor allem der deutschen Friedens- und Konfliktforschung und der Internationalen Beziehungen, die sich lange Zeit auf zwischenstaatliche Konflikte konzentrierten, stellt dies eine notwendige Reaktion auf den globalen politischen und gesellschaftlichen Wandel dar. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Vielzahl von Konflikten nicht mehr primär innerhalb eines Nationalstaates und zwischen souveränen Nationalstaaten ausgetragen werden. Vielmehr zeigen Phänomene wie die „neuen Kriege“, humanitäre Interventionen, wie Gewaltmärkte und interethnische Konflikte, aber auch die Etablierung transnationaler Institutionen der Konfliktregelung und die Entwicklung globaler normativer Standards eine Veränderung der traditionellen, oftmals an nationalstaatlichen Grenzen entlang verlaufenen Konfliktlinien. Dieser Wandel macht eine stärkere interdisziplinäre Ausrichtung der Friedens- und Konfliktforschung unumgänglich. Bei der Entstehung und Entwicklung von Konflikten spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Im Masterstudiengang wird deshalb systematisch zwischen politischen, ökonomischen, kulturellen und ökologischen Ursachen und Folgen von Konflikten unterschieden. Bei „breitenwirksamen“ Konflikten, die darüber hinaus einen globalen Bezug haben, sind alle vier Faktoren für die Entwicklung und vor allem auch für die Prävention von Konflikten entscheidend.

Die Themen des Studiengangs machen interdisziplinäre Kooperation notwendig. Und sie kreisen um Konflikte, die im Zuge dieses weltgesellschaftlichen Wandels virulent werden und sich lokal, regional und global in breitenwirksamen Auseinandersetzungen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen und Identitäten äußern. Im folgenden sind einige Beispiele von Themenbereichen des Studiengangs aufgeführt:
  • Internationale humanitäre Hilfe und humanitäre Interventionen
  • Internationaler und transnationaler Terrorismus
  • Die Bundeswehr nach dem Ende des Ost-West-Konflikts v Das deutsch-französische Militärbündnis
  • Die WEU und die Frage nach einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
  • Innerstaatliche Kriege und Friedensprozesse in Lateinamerika
  • Demokratisierungsprozesse in Afrika
  • NGOs in Krisengebieten v Peace-Buildung und Nation-Buildung in Post-Konflikt-Gesellschaften
  • Die politische Herausforderung des Islam
  • ‚Versicherheitlichung‘ als kulturelle Grundlage demokratischer Staaten?
  • Massenmediale Darstellung politischer Konflikte
  • Konfliktnachsorge in ethnischen Konflikten v Wasser als Konfliktstoff
  • Regionalkonflikte und internationale Energiesicherheit v Natur als Waffe - Bioterrorismus v Konflikte in Modernisierungs- und Entwicklungsprozessen in Europa v Internationale Strategien zur Armutsbekämpfung
  • Gesellschaftliche Desintegration als Ursache für Menschenfeindlichkeit
  • Entwicklung als Friedensstrategie?
  • Die Finanzierung von „Gewaltunternehmern“
  • Informelle Ökonomien in Bürgerkriegen
Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt des Masterstudiengang besteht in der Akzentuierung von Konfliktregelungen. Damit soll einerseits der für die Friedens- und Konfliktforschung charakteristische Praxisbezug und andererseits das Interesse an Friedens-, Präventions- und Deeskalationsprozessen im Masterstudiengang zur Geltung kommen. Diese Hervorhebung soll zugleich dazu dienen, die jüngsten und die zu erwartenden Entwicklungen hin zu einer politischen Weltgesellschaft – sichtbar etwa am Internationalen Strafgerichtshof, am postnationalen Konzept von Staatsbürgerschaft oder an der Differenz zwischen einem neorealistischen und einem neoinstitutionalistischem Konzept von Außen- und Sicherheitspolitik – auch in systematischer Weise zu berücksichtigen.

Didaktik

Das didaktische Konzept, mit dem die Einheit von analytischen und praktischen Kompetenzen im Studiengang gewährleistet werden soll, stellt den studentischen Lernprozess und die qualitative Wissensveränderung – statt einer additiven Wissensvermehrung – in den Mittelpunkt. Im Kern geht es dabei um die Er­möglichung studentischen Lernens durch eine dazu geeignete Lernumgebung, die einerseits studentisches Tiefenlernen fördert und die es andererseits ermöglicht, dass sich die Studierenden kommunikative und interkulturelle Kompetenzen aneignen können. Dies wird dadurch gewährleistet, dass die Lehrveranstaltungen dialogisch konzipiert sind und die Vermittlung von analytischen Fähigkeiten selbst als einen interaktiven Prozess verstehen. Dafür geeignete Methoden sind beispielsweise Rollen- und Planspiele, Simulationen, die Erstellung von Videopräsentationen oder die Durchführung von Workshops und Diskussionsrunden, vor allem aber das Konzept des projekt- und problembasierten Lernens, bei dem Projekte mit einem klaren Problembezug von Kleingruppen selbstständig erarbeitet und entsprechende Problem- und Konfliktlösungen präsentiert werden.

Neben den analytischen Kompetenzen erwerben die Studierenden Fähigkeiten, die als Schlüsselqualifikationen der Friedens- und Konfliktforschung gelten können. So führt der Einsatz neuer Medien, aber auch die Handhabung spezifischer Medientechniken – wie etwa das Erstellen von Videos oder der Umgang mit Präsentationssoftware – bei der Präsentation von Konfliktinhalten zu einer Medienkompetenz, die für den heutigen Arbeitsmarkt in mehrfacher Hinsicht unverzichtbar ist. Trainiert wird durch die Kleingruppenarbeit ferner die Teamfähigkeit der Studierenden, die lernen müssen, ein Thema gemeinsam zu erarbeiten. Diese Gemeinsamkeit kann sich dabei nicht auf die gewohnte Form der Arbeitsteilung beschränken, weil die Präsentation eine Interaktion und die dement­sprechende Koordination sowie Kooperation der Gruppe erforderlich macht. Die selbständige Erarbeitung des Konflikts und die selbst gewählte Präsentationsform führt aber nicht nur zu erhöhter Kooperationsfähigkeit, sondern auch zu Selbstverantwortlichkeit und Kritikfähigkeit seitens der Studierenden, da sie die Präsentation in höherem Maße als „ihr“ Projekt auffassen können, als dies bei herkömmlichen Referaten der Fall ist. Das Betreuungssystem ist vor allem eine Hilfe zur Selbsttätigkeit und sichert die not­wendigen Rahmenbedingungen für ein solches Lernen. Es fängt darüber hinaus die Risiken des Scheiterns ab, die sich aus dieser Lernform zwangsläufig ergeben.

Zur Didaktik gehört schließlich auch die fortlaufende Evaluation der Lehrveranstaltungen sowie des gesamten Masterprogramms. Diese Evaluation nehmen die Lehrenden und Studierenden des Masterprogramms selbst vor. Darüber hinaus wird der Masterstudiengang auch extern evaluiert.

Internationalität

Der Masterstudiengang ist Teil des europäischen Prozesses zur Entwicklung vergleichbarer Studienabschlüsse und Studienprogramme. Er fügt sich als zweite Stufe in das zukünftige gestufte europäische Studiensystem ein und beruht auf einem modularen Aufbau unter Verwendung des European Credit Transfer Systems (ECTS). Dadurch ist gewährleistet, dass einzelne Studieninhalte auch im europäischen Ausland erworben werden können und der Abschluss europaweit anerkannt wird.

Zur internationalen Ausrichtung des Masterprogramms gehört das internationale Praktikum, das die Studierenden mit einem Bericht in englischer Sprache abschließen. Darüber hinaus finden regelmäßig Lehrveranstaltungen in englischer Sprache statt, darunter eine der Grundlagenvorlesungen - „Conflict and Conflict Resolution“ – sowie verschiedene Konfliktanalysen.

Teil des Studiengangs ist ferner ein Dozentenaustausch mit ausländischen Partneruniversitäten und die Durchführung von Workshops mit ausländischen Experten und Expertinnen aus unterschiedlichen Konfliktregionen und Institutionen, die sich mit Prozessen der Konfliktregelung befassen.

Quelle: Homepage des Zentrums für Konfliktforschung Marburg

Informationen über Studiengänge an anderen Universitäten:
Master in "Peace and Conflict Studies"
Die neuen "Friedens"-Studiengänge in Deutschland. Ein hilfreicher Überblick von Dominic Raphael Schwickert, Universität Münster (11. Mai 2004)


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Weitere Informationen über Studiengänge zur Friedens- und Konfliktforschung

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