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"Sicherheits- und Friedenspolitik" im Sinne Henry Kissingers?

In Bonn formiert sich Widerstand gegen die Einrichtung einer vom Verteidigungsministerium finanzierten Kissinger-Professur (Erklärung im Wortlaut)


An der Universität Bonn soll eine Professur eingerichtet werden, die den Namen Henry Kissingers trägt. Finanziert werden soll der Lehrstuhl maßgeblich vom Bundesministerium der Verteidigung. gegen dieses Vorhaben gibt es Protest - an der Universität, im Stadtparlament und von Bundestagsabgeordneten. Am 11. September - das Datum ist bewusst gewählt - verteilen Mitglieder des Initiativkreises auf dem Bonner Münsterplatz ein Informationsblatt, das wir im Folgenden dokumentieren.

Nein zur Kissinger-Professur!

An der Universität Bonn soll eine sogenannte „Henry Kissinger Professur“ für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung eingerichtet werden. Der Initiativkreis Nein zur Kissinger Professur wendet sich gegen dieses Vorhaben!

Der Lehrstuhl soll durch das Bundesministerium für Verteidigung und das Außenministerium finanziert werden und der „sicherheitspolitischen“ Debatte in Deutschland Auftrieb verleihen. Denn für die Minister de Maizière und Westerwelle ist Kissinger ein großer Außenpolitiker, der sich für den Frieden in der Welt eingesetzt hat. Er wäre ein „Meister in der Kunst des Machbaren“ gewesen. Nun, was bedeuten „Sicherheits- und Friedenspolitik“ im Sinne Kissingers? Unterstützung eines Militärputsches, Bombardements neutraler Staaten und Waffenlieferungen an Diktaturen.

Deshalb lehnen wir die Benennung der Professur ab!

Henry Kissinger war von 1969 bis 1977 erst Nationaler Sicherheitsberater und anschließend Außenminister unter den Präsidenten Nixon und Ford. In dieser Zeit bestimmte er maßgeblich die US-amerikanische Außenpolitik. Während er in Europa auf „Entspannungspolitik“ machte, eskalierte zeitgleich im Rest der Welt der Kalte Krieg, wofür er maßgeblich mitverantwortlich war.

Anlässlich des 11. September 2013, dem 40. Jahrestag des Militärputsches unter Augusto Pinochet gegen den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, erinnert der Initiativkreis an die massive Unterstützung des Militärputsches durch die CIA - auf Weisung Henry Kissingers. Während des Putsches wurden 3000 Menschen ermordet, Tausende gefoltert und ins Exil vertrieben.

Auf jede tatsächliche oder vermeintliche Einflussnahme der Sowjetunion außerhalb Europas reagierte Kissinger mit Härte - und glaubte sich weder an völkerrechtliche, demokratische oder moralische Grundprinzipien halten zu müssen.

In Chile initiierte Kissinger mit Hilfe rechtsextremer Militärs einen Militärputsch. In Argentinien stützte er eine weitere Militärjunta. In Pakistan wurde das Militär mit Waffen unterstützt, als es schwerste Massaker in Ostpakistan, dem heutigen Bangladesch, verübte. Dem Verbündeten Indonesien gestattete man einen Angriffskrieg gegen Osttimor. Über den neutralen Staaten Kambodscha und Laos führte man Flächenbombardements aus, um dort angeblich vorhandene Lager des „Vietcong“ zu zerstören. Es starben vor allem Zivilisten, Hunderttausende. Eine sogenannte „Henry Kissinger Professur“ für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung (!) würde also ausgerechnet eine Person zum Vorbild für Forschung Lehre erklären, welche für Handlungen verantwortlich ist, die nach geltendem Internationalen Recht Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Wenn die Bundesregierung einen friedenspolitischen Diskurs mit einer Professur fördern möchte, möge sie das tun. Schon in der Benennung dem Völkerrecht Hohn zu sprechen, ist allerdings nicht akzeptabel.

Wir wenden uns auch dagegen, dass erstmals das Bundesministerium der Verteidigung maßgeblich einen Lehrstuhl einer öffentlichen Hochschule finanziert und daraus auch Mitgestaltungsansprüche ableiten wird. Wir sehen darin eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre und wir fordern die Universität Bonn auf, sich solchen Anfängen militärischer Fremdbestimmung zu erwehren.

ErstunterzeichnerInnen:
Paul Schäfer, MdB, DIE LINKE; Jürgen Repschläger, Stadtverordneter der Linksfraktion Bonn; René El Saman, Grüne Friedensinitiative; Lukas Mengelkamp, Grüne Hochschulgruppe ghg-campus:grün; Markus Gross, AK Zivilklausel an der Universität zu Köln; Gert Eisenbürger, Informationsstelle Lateinamerika e.V.; Konrad Hentze, Doktorand Uni-Bonn; Gisela Dulfer, Bonner Friedensbündnis; Carl Martin Trauth, Deutsche Kommunistische Partei Bonn; Prof. Dr. Albert Fuchs; Gerd Weghorn


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