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Grün-Rot forciert die Tötungswissenschaft

Gebrochenes Wahlversprechen: Baden-Württemberg erlaubt Militärforschung an Karlsruher Institut

Von Michael Schulze von Glaßer *

Der Landtag von Baden-Württemberg hat ein Weiterentwicklungsgesetz für das Karlsruher Institut für Technologie abgesegnet – ohne eine sogenannte Zivilklausel. Derweil kommt eine bundesweite Debatte über Militärforschung in Gang.

Soll am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) für militärische Zwecke geforscht werden dürfen? Sollen Universitäten und Hochschulen von Rüstungsfirmen oder dem Verteidigungsministerium Geld annehmen dürfen, um etwa Waffen oder Interventionsstrategien zu entwickeln, oder nicht? Die Mitglieder des Stuttgarter Landtags waren sich im Mai überraschend einig: Die schwarz-gelbe Opposition stimmte einem Gesetzentwurf der grün-roten Landesregierung für das KIT zu, das Militärforschung nicht ausschließt.

Zur Sicherung des Standorts bräuchte man Geld, begründete die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) die Legitimierung von Kriegswissenschaft an dem Institut. Johannes Stober (SPD) sprach im Plenum zwar Probleme an, die eine militärische Forschung und Lehre mit sich bringen können, unterstützte aber dennoch das Gesetz. Katrin Schütz (CDU) freute sich: »Der Entwurf trägt deutlich unsere Handschrift und ist gelungen.« Auch die FDP war zufrieden.

Nur vor dem Landtag hörte man Kritik. »Wahlversprechen einhalten«, mahnte ein Grüppchen Demonstranten. Grüne und SPD hatten sich in ihrer Oppositionszeit 2009 noch für eine verpflichtende Zivilklausel im KITGesetz ausgesprochen. Mit einer Zivilklausel verpflichten sich Hochschulen, für rein zivile und friedliche Zwecke zu forschen. Damals scheiterte ein Antrag an der schwarz-gelben Regierungsmehrheit; die Forderung nach einer Zivilklausel landete in den Wahlprogrammen von Grünen und SPD. Jetzt wollen beide davon nichts mehr wissen.

»Die Landesregierung will keine Zivilklausel, weil die Rüstungsindustrie negative Signale gesendet hat«, meint Dr. Dietrich Schulze, lange Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter und Betriebsratsvorsitzender des KITVorgängers »Forschungszentrum Karlsruhe«. Schulze, der in einer bundesweiten »Initiative gegen Militärforschung an Hochschulen« aktiv ist, spricht von einem Kniefall vor dem militärisch-industriellen Komplex: »Die Demokratie wird mit Füßen getreten.« Trotz des Rückschlags kündigte Schulze weitere Proteste an: »Wir bleiben am Ball. Immerhin musste die Ministerin unseren Protest erwähnen.«

Mut machen dem Militärkritiker auch die vielen Aktionen, die Anfang Mai während einer bundesweiten Aktionswoche für Zivilklauseln stattfanden. Bereits am 1. Mai mischten sich in mehreren Städten – u. a. in Rostock und München – Zivilklausel-Aktivisten in die Gewerkschaftsdemonstrationen, um für eine zivile Forschung und Lehre an Hochschulen zu werben. Im nordhessischen Kassel machten die Mitglieder des dortigen »Arbeitskreises Zivilklausel « mit Kunstblut, Plastikpanzern und Transparenten auf Militärforschung an der Hochschule aufmerksam.

In Göttingen diskutierten jüngst bei einer Veranstaltung im Rahmen einer Aktionswoche knapp fünfzig Interessierte über eine mögliche Zivilklausel an der Hochschule – die Uni-Präsidentin Ulrike Beisiegel bekundete Interesse an einer solchen Regel für die Georg-August-Universität. Die Göttinger Studierendenvertreter haben inzwischen eine Online-Petition in die Wege geleitet.

Auch in Halle (Saale) und Bremen ist mittlerweile eine Debatte um universitäre Militärforschung in Gang. An der Uni Gießen wollen Studierende nach einem gescheiterten Senatsantrag im Frühjahr 2011 nun noch im Mai einen weiteren Versuch unternehmen, die Universität zur Offenlegung der an sie fließenden Drittmittel aus der Wirtschaft zu verpflichten. Damit soll zumindest Transparenz über mögliche Kriegsforschungen an der Hochschule geschaffen werden, da Militärforschung meist Geheimsache ist.

Bundesweit sieht Dietrich Schulze die zwar noch kleine, aber gut vernetzte Bewegung gegen Militärforschung auf einem guten Weg: »Studierende, Gewerkschafter und Friedensfreunde werden weiter gegen Militärforschung in Baden-Württemberg und überall kämpfen.«

Nach erfolgreichen Urabstimmungen für eine Zivilklausel unter den Studierenden in Karlsruhe, Köln und Frankfurt am Main werden derzeit auch Urabstimmungen in Gießen und Kassel geplant. Laut Schulze werde man darüber hinaus mit potenziellen Partnern wie etwa der gegenwärtig laufenden »Aktion Aufschrei« Kontakt aufnehmen, die sich gegen deutsche Rüstungsexporte stellt. Auch den Streit um das KIT gibt Schulze noch nicht verloren: »Wir werden konkret versuchen, öffentlich zu machen, was dort an Rüstungsforschung läuft.« Die Debatte um Militärforschung an deutschen Hochschulen kommt langsam, aber sicher in Gang.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 29. Mai 2012


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