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Meistererzähler der BRD

Hintergrund. Die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft ist nicht erpreßbar. An diesem Wochenende beschloß sie, den nach Theodor Eschenburg benannten Preis für ein Lebenswerk nicht weiter zu verleihen

Von Otto Köhler *

Plötzlich schlug die Redeweise des Preisträgers um. Gerade hatte er von Herzen für die Ehrung, die ihm für sein Lebenswerk zugedacht war, gedankt, hatte versichert, daß er den Preis gern annehme, daß er mit spontaner Freude zugesagt habe. Dann aber kam er zur Besinnung, formulierte plötzlich sehr abstrakt »das bestimmte Gefühl, daß die Annahme eines solchen Preises durch seinen Destinatär diesen nicht nur mit der DVPW (der ich uneingeschränkt verbunden bin), sondern auch zu der Person in eine affirmative Beziehung setzt, nach der der Preis benannt ist und der durch diese Benennung eine gewisse Vorbildlichkeit zuerkannt wird.«

Hä?

Der Reihe nach: Der Destinatär, der Festgebundene, das ist der Preisträger Professor emeritus Claus Offe, der von der DVPW, der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, mit dem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Der Preis aber hat einen Namen, er heißt – und das ist durchaus ein Problem: Theodor-Eschenburg-Preis.

Es war richtig, daß Claus Offe den Preis annahm, um sich bei der feierlichen Verleihung im September 2012 zum Entsetzen einiger Anwesender mit dem 1999 verstorbenen Theodor Eschenburg auseinanderzusetzen, Gründungsvater nicht nur der DVPW, sondern gleich der ganzen Bonner Republik. Sein von ihm einst der Wochenzeitung Zeit als Chefredakteur anempfohlener Schüler Theo Sommer nannte ihn das »Gewissen der Nation« – der mußte doch wissen, daß seine Kollegen von der Deutschen National-Zeitung ihr Blatt schon lange so nennen. Eschenburg jedenfalls war mit seinen regelmäßigen Beiträgen für die Zeit der politische Anstandslehrer der Republik.

»Mein Dilemma«, erläuterte Claus Offe, »ist das folgende: Falls, wie gesagt, die Annahme des Preises nicht nur den Empfänger ehrt, sondern auch Werk und Person des Namensgebers würdigt (und dies auch durch den Empfänger selbst), zögere ich, mich auf diese Implikation einzulassen.«

Die Arisierungsfrage lösen

Der Namensgeber habe sich nämlich selbst »als leitender Funktionär staatskorporatistischer Verbände in beratender Funktion an der Bearbeitung eines Dilemmas beteiligt, aus dem Brecht ein Lehrstück hätte machen können«. Dieses Dilemma war für Eschenburg keineswegs moralischer Art, sondern ergab sich aus loyaler Betrachtung der Pflichten, die ihm aus der Judengesetzgebung seines Staates erwuchsen. Offe: »Das Dilemma war, grob vereinfacht, dieses: Für die Enteignung des jüdischen Geschäftsmannes Wilhelm Fischbein erwies sich im November 1938 dessen eigene Mitwirkung in Gestalt einer Geschäftsreise nach London zu Verhandlungen mit einer britischen Bank als unerläßlich, deren Zustimmung für den geplanten rassistisch-räuberischen Eigentümerwechsel erforderlich war – mithin die Genehmigung eines Passes. Wäre ihm der Paß jedoch gewährt worden, dann hätte sich für ihn die Möglichkeit eröffnet, seine Geschäftsbeziehungen und sein betriebliches Wissen mitzunehmen, um sich im Ausland eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Innerhalb von vier Tagen votiert Eschenburg in der Frage der Paßgenehmigung einmal so und einmal gegenteilig; er erklärt es für notwendig, ›die Arisierungsfrage schnellstens zu lösen‹. Dafür teilt er dem Reichswirtschaftsministerium beflissen die Namen von Firmen mit, die an der Übernahme des Unternehmens interessiert sein könnten.« Die entsprechenden bürokratischen Vermerke, so Offe mit einer für deutsche Politikwissenschaftler ungewöhnlichen Emotionalität »erregen auch heute noch, der Sache nach und ihrer Sprache nach, Erschrecken und Abscheu; ich empfehle die Lektüre«.

Die bislang unbekannte Teilnahme des toten Patriarchen der deutschen Politikwissenschaftler und Verfassungsrechtler an der Entjudung Deutschlands wurde im Januar 2011 durch einen Aufsatz in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft bekannt (im vergangenen Juni folgte dort ein zweiter Aufsatz). Autor war der Osnabrücker Politologe Rainer Eisfeld – er ist einschlägig bekannt: Schon 1996 hat er den Deutschen ihren V2- und Weltraumhelden Wernher von Braun miesgemacht mit einem Buch (»Mondsüchtig«) über Zwangsarbeit und Tod in den unterirdischen KZs, die als Arbeiterreservoir für den Raketenpionier eingerichtet wurden.

Heutige Moral

Da ist es nützlich, daß gerade kürzlich von Udo Wengst, dem langjährigen Vizechef des Instituts für Zeitgeschichte in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte die richtigen Maßregeln über den korrekten Umgang mit der Vergangenheit aufgestellt wurden. Dort verteidigt er im diesjährigen Juliheft Eschenburg – der war Mitgründer des Instituts und Mitherausgeber der Vierteljahrshefte – sehr sorgfältig gegen »insbesondere politisch der Linken zuneigende Wissenschaftler«. Die nämlich tendierten dazu, das Handeln von Personen, die im NS-Regime »mitgemacht« hätten, »aufgrund heutiger moralischer Maßstäbe zu beurteilen«.

Natürlich muß man Hitler nach seinen eigenen damaligen Wertmaßstäben beurteilen und so auch Eschenburg. Verschärfend kommt dagegen bei Eisfeld hinzu, daß er seit fast zwei Jahrzehnten dem Kuratorium der Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora angehört und sogar eingesteht, daß diese Arbeit seine Sichtweise prägt. Das macht der doch nur, weil er aufgrund heutiger moralischer Maßstäbe urteilt. Dazu kommt: Eisfeld saß bis zu seiner Emeritierung 2012 im Vorstand der International Political Science Association (IPSA) – gute alte deutsche Wertmaßstäbe finden da kaum Gehör. Und an denen muß man Eschenburg, der als »Tugendwächter der Nation« 1960 den Schillerpreis der Stadt Mannheim bekam, von Anfang an messen, auch wenn er zeit seines Lebens bescheiden Zurückhaltung übte.

Der zweifelnde Preisträger Offe war mit seinen Bedenken im Vorstand der DVPW auf eine – wie er betonte – »bereits damals weit geöffnete Tür gestoßen«. Vorstand und Beirat hatten ein historisches Gutachten bei Dr. Hannah Bethke in Auftrag gegeben, das die kritische Sicht Rainer Eisfelds weithin bestätigt. Sie kam zu dem Ergebnis, »daß Theodor Eschenburg im weitesten Sinne als Mitläufer des NS-Regimes betrachtet werden muß« und empfahl die »Abschaffung des Preisnamens der DVPW«.

Das stieß und stößt auf Widerstand. Sogar bei einem kritischen Publizisten wie Willi Winkler in der Süddeutschen Zeitung. Er beanstandete, daß »der Stammvater der deutschen Politologen neuerdings zum Erz-Nazi umgefärbt« werden solle. Doch es geht längst nicht darum, ob er beispielsweise – für kurze Zeit – SS-Mitglied war oder nicht. Sondern darum, wie er sich in der Nazizeit verhalten hat.

Aber Winkler findet im Vergleich mit anderen eine interessante Begründung, den DVPW-Preis weiterhin mit dem Namen Eschenburgs zu kontaminieren: »Seine ausgreifende und folgenreiche Lehrtätigkeit prädestiniert ihn vielmehr als Namenspatron für einen Preis der nachgeborenen Kollegen. Soweit bekannt, denkt bisher noch niemand daran, den Preis umzubenennen, der nach dem ehemaligen SS-Untersturmführer Hanns Martin Schleyer benannt ist.«

Da hat Winkler unzweifelhaft recht. Nur: Die Sorte von Leuten, die bisher einen Hanns-Martin-Schleyer-Preis bekamen, hat ihn redlich verdient. Das kann man von den bisherigen Theodor-Eschenburg-Preisträgern nicht sagen. Sie sind Opfer eines dummen Zufalls geworden. Im Jahr 2000 stiftete die DVPW den neuen Preis für ein Lebenswerk. Nur, so der Vorstand heute: »Die Entscheidung für den Namensgeber war offensichtlich eher en passant getroffen worden, weil Theodor Eschenburg kurz zuvor gestorben war.« Daß ein solcher Beschluß »heute anders fallen, ein breiterer Diskussionsprozeß geführt« würde, ist dem Vorstand klar.

Erhards Patron

Nicht diskutiert wurde bisher in der DVPW die Rolle Theodor Eschenburgs als Schutzpatron Ludwig Erhards. Es war nicht mehr der Verbandsfunktionär des Nazistaates, sondern der Doyen bundesdeutscher Politikwissenschaft, der sich da um diesen Staat verdient machte. Eschenburg lieferte für diese Republik die Grunderzählung, daß Ludwig Erhard im lebensgefährdenden Widerstand gegen die Gestapo seit 1943 an einer Friedensordnung arbeitete, die dann den Namen »Soziale Marktwirtschaft« annahm und zum eigentlichen Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde.

Es ist eine meisterhaft konstruierte Erzählung, mit der Eschenburg 1971 in der Festschrift zu Erhards 75. Geburtstag begann und die er 1976 aus besonderem Anlaß weiterentwickelte. Kein Wort darüber, daß der spätere Bundeskanzler ebenfalls im Arisierungsgewerbe tätig war, ein tüchtiger Mitarbeiter des Entjudungsspezialisten und Gauleiters Josef Bürckel. Als Berater der Reichsgruppe Industrie für die Nachkriegsordnung kam Erhard regelmäßig nach Berlin und übernachtete dort im Haus seines Schwagers Dr. Karl Guth, des Hauptgeschäftsführers der Reichsgruppe Industrie, des heutigen BDI. Dort lebte auch Theodor Eschenburg, nachdem sein eigenes Haus in der Nachbarschaft durch Bomben zerstört worden war. Abends setzte man sich zusammen, oft kam noch Karl Blessing dazu, der spätere Präsident der Bundesbank, damals Chef der Kontinentalen Öl-AG. Daß der Mann, der 1965 von Bundeskanzler Erhard das Großkreuz des Bundesverdienstordens erhielt, Mitglied im Freundeskreis Reichsführer-SS war, hat in Eschenburgs Erzählung nichts zu suchen.

Es war – kurz vor dem »Endsieg« – fast immer eine fröhliche Runde. Eschenburg: »Wir tranken gute, um nicht zu sagen, erlesene Weinsorten, manchmal Whisky oder Kognak bis in die Nacht hinein (…). Die Bestände sollten geräumt sein, bis die Russen kommen würden.« Die eigentliche Meistererzählung beginnt mit zwei Perlmuttknöpfen, die an Ludwig Erhards Hemd fehlten. Eschenburg: »Ich war damals Syndikus auch der Knopfindustrie. Aus meinem Zimmer holte ich eine Dutzendkarte und gab sie ihm. Darauf griff Erhard in seine große, unförmige, stark abgenutzte Aktentasche, die er ständig mit sich führte. In ihr lagen eine große Anzahl vervielfältigter Texte, etwa 30. Ein Exemplar gab er mir.«

Gegen zwei Uhr nachts las Eschenburg auf dem Bett alles in einem Zug durch: »In den ersten Sätzen hieß es nach meiner Erinnerung ungefähr: Nachdem einwandfrei feststeht, daß Deutschland den Krieg verloren hat, ist die dringende Aufgabe, die Reform seiner Währung. Dieser eindeutige Satz vermochte nicht nur den Verfasser des Hoch- und Landesverrats zu überführen, sondern macht jeden, bei dem ein solcher Text gefunden würde, höchst verdächtig.«

Noch in der Nacht holte Eschenburg Erhard aus dem Schlaf, gab ihm die Denkschrift zurück und warnte ihn vor der Gestapo, die ihn, seine Familie und seinen Gastgeber verhaften würde, wenn sie die Denkschrift entdeckte. So verbreitete er es 1971.

Staatsmännische Leistung

1976 wurde Erhards Denkschrift in einem Nachlaß gefunden. Sie war 278 Seiten dick und hieß »Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung«. Im Vorwort zur Faksimileausgabe von 1977 wiederholt Eschenburg seinen eindrucksvollen Widerstandsbericht, fügt aber hinzu: »Daß dieser Text eine Kurzfassung war und ebenso, für wen sie bestimmt war, wußte ich nicht. Von der eigentlichen Denkschrift habe ich erst viel später erfahren. Leider sind von der Kurzfassung mit ihrem lapidaren Text sämtliche Exemplare verlorengegangen und trotz aller Bemühungen bis heute nicht aufgefunden worden.«

In einer Fernsehsendung 1989 nahm Eschenburg seine Meistererzählung wieder auf, er warf die Denkschrift abermals mit der »Kurzfassung« durcheinander, welche Erhard und ihn selbst »ins KZ« hätte bringen können, wenn sie den Nazis in die Hände gefallen wäre. Sein Professorenkollege Günter Schmölders hatte ihm 1976 im Vorwort des Faksimilebandes bestätigt: »Daß der Krieg 1944 für Deutschland bereits verloren war, wird nicht in der Denkschrift, wohl aber in ihrer späteren Kurzfassung ausdrücklich gesagt, über die Theodor Eschenburg berichtet hat.« Erhard selbst hat in seinem Vorwort an gleicher Stelle nichts über eine »Kurzfassung« verlauten lassen, kann sich aber erinnern, daß er selbst »den Machthabern mißliebig geworden sei«. Sie hätten ihm nämlich – mitten im totalen Krieg – Arbeits- und Hilfskräfte verweigert.

An der »Kurzfassung« kann das ebensowenig gelegen haben wie an der ausführlichen »Denkschrift«. Am 14. November 1944 schrieb Industrie-Vize Rudolf Stahl mit dem üblichen »Heil Hitler« dem SS-Gruppenführer und Massenmörder, dem »sehr verehrten Herrn Ohlendorf«, in sein Reichswirtschaftsministerium diesen Brief: »Da, wie ich höre, am Freitag im Verfolg unserer letzten Zusammenkunft die von Ihnen dabei angeregte Aussprache mit Herrn Dr. Erhard stattfinden soll, gestatte ich mir, Ihnen in der Anlage eine mir heute zugegangene weitere Ausarbeitung des Herrn Dr. Erhard zu übersenden.«

In diesem »Exposé Dr. Erhard« schlägt sich der auch gleich selbst für die Bearbeitung der »währungspolitischen Neuordnung« vor, und Stahl meint zu Otto Ohlendorf, »daß sich dieses Exposé als Unterlage für ihre Unterhaltungen mit Herrn Dr. Erhard gut eignet«. Er fügt hinzu: »Den Auszug aus der Erhard’schen Denkschrift über die Schuldenkonsolidierung (…) überreichte ich Ihnen bereits am Freitagabend. Ich habe Herrn Dr. Erhard gebeten, Ihnen seine ausführliche Denkschrift am Freitag persönlich zu übergeben.«

Erhard könnte sich mit seinem Saufkumpan Blessing über Ohlendorf ausgetauscht haben – beide waren im Freundeskreis Reichsführer-SS. Der SS-Gruppenführer hatte also längst die »Kurzfassung« in der Tasche, die – wäre sie den Nazis bekanntgeworden – nach der Erzählung des Politikwissenschaftlers Eschenburg Ludwig Erhard und auch ihn selbst ins KZ gebracht hätte. Ach was, KZ, die Nazis hätten Erhard aufgehängt, berichtet die langjährige Zeit-Redakteurin Nina Grunenberg 2007 in ihrem Buch »Die Wundertäter – Netzwerke der deutschen Wirtschaft 1942–1966«. Ansonsten aber hat sie – wie so mancher andere – korrekt aus Eschenburgs Meistererzählung abgeschrieben.

Aufgehängt – da ist was dran. Am 8. Juni 1951 endete Ohlendorf im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg am Strick. Erhards Gesprächspartner hatte 1941/42 als Führer der Einsatzgruppe D an die 90000 Männer, Frauen und Kinder, zum Teil im Gaswagen, umgebracht.

Es war die große staatsmännische Leistung Theodor Eschenburgs, mit seinem Epos über den von der Gestapo bedrohten Widerstandskämpfer Erhard im Vorwort über den schwer leserlichen, aber letztlich bedeutungsvollen Inhalt der Denkschrift hinweggeholfen zu haben, denn am Ende verkündet Erhard den Grundsatz für eine Nachkriegsordnung: Das Eigentum an den Produk­tionsmitteln muß unangetastet bleiben, die Ersparnisse der kleinen Leute, ohnehin schon durch die Kriegskosten verbraucht, sind zu liquidieren. So geschah es durch die Währungsreform.

Die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft hat am Wochenende beschlossen, ihren Theodor-Eschenburg-Preis abzuschaffen. Es wäre nützlich für dieses Land, wenn es schon bald gelänge, einen anderen Preis an einen Politikwissenschaftler zu vergeben, der Eschenburgs Rolle bei der Camouflage der Kontinuität von Ludwig Erhards Wollen und Wirken minutiös untersucht.

Stoßtrupp Eschenburg

Die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) hat sich nicht erpressen lassen. Sie hat am Wochenende beschlossen, daß ein Preis mit Theodor Eschenburgs Namen nicht mehr vergeben wird.

Schon im vorigen Dezember hatte der Politologe Wolfgang Streeck seinen Auftritt bei der jährlichen Theodor-Eschenburg-Vorlesung an der Universität Tübingen abgesagt, weil er befürchtete, daß eine solche Vorlesung »als eine Parteinahme zugunsten einer Beibehaltung des von der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) verliehenen und derzeit umstrittenen Eschenburg-Preises gewertet werden könnte«.

Bis zuletzt war die konservative Elite der Bundesrepublik gegen eine Umbenennung Sturm gelaufen. 102 Politologen und Sympathisanten außerhalb der DVPW forderten den Vorstand auf, den Preis unverändert beizubehalten: Eschenburgs Verdienste um die »Entwicklung der Demokratie in der Bundesrepublik« seien »unumstritten«. Darüber hinaus habe Theodor Eschenburg als »liberaler Publizist und Politiker bis zuletzt die Weimarer Demokratie« unterstützt. Richtig: als Vorsitzender des Hochschulrings Deutscher Art in Tübingen nahm er 1925 am Kesseltreiben gegen den liberalen Justizkritiker Emil Julius Gumbel maßgebend teil. Mit Plakaten rief Eschenburg auf: »Nach der allgemeinen Verurteilung seiner Rede an der Universität Heidelberg bedeutet sein Vortrag hier eine starke Beleidigung jedes teutschen Studenten. Wir erwarten auf das Bestimmteste, daß Herr Dr. Gumbel von seinem Vorhaben absieht.« Die Folge war die »Schlacht von Lustnau«, ein blutiger Kampf zwischen linken und rechten Studenten.

Der Aufruf des neuen Stoßtrupps Eschenburg zur Beibehaltung des nach ihm benannten Preises wurde unter anderen unterschrieben auch von beliebten Auskunftspersonen, von denen sich Funk und Fernsehen, die korrekte Meinung holen, wie:
  • Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus von Beyme (Heidelberg), DVPW-Vorsitzender 1973–1975, IPSA-Präsident 1982–1985
  • Prof. Dr. Anselm Doering-Manteuffel (Tübingen)
  • Prof. Dr. Jürgen W. Falter (Mainz), DVPW-Vorsitzender 2000–2003
  • Prof. Dr. Hans-Hermann Hartwich (Hamburg), DVPW-Vorsitzender 1982–1988
  • Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Beate Kohler (Mannheim), DVPW-Vorsitzende 1988–1991
  • Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Küng (Tübingen)
  • Prof. Dr. Christine Landfried (Hamburg), DVPW-Vorsitzende 1997–2000
  • Prof. Dr. Gerhard Lehmbruch (Konstanz) DVPW-Vorsitzender 1991–1994, IPSA-Vizepräsident 1988–1991
  • Prof. Dr. Hans Mommsen (Bochum)
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter (Passau)
  • Prof. Dr. Volker Perthes (HU Berlin, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik)
  • Dr. Hermann Rudolph, Herausgeber des Tagesspiegel, Berlin
  • Prof. Dr. Hans-Peter Schwarz (Bonn)
  • Dr. Dr. h.c. Theo Sommer (Editor-at-Large, Die Zeit)
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld (LMU München)
  • Prof. Dr. Klaus Dieter Wolf (Darmstadt und Hessische Stiftung Friedens- und Konflikt­forschung), DVPW-Vorsitzender 2003–2006
Auch dabei ist der berühmte »Totalitarismusforscher« Eckhard Jesse, ein westdeutscher Universitätsassistent, dem der Hechtsprung auf einen Lehrstuhl der Universität Chemnitz gelang. Qualifikation: Er arbeitete für den Verfassungsschutz und war als Schutzherr von Antisemiten in der Revisionistentruppe Rainer Zitelmann (»Hitler, Selbstverständnis eines Revolutionärs«) tätig.

Insgesamt hat dieser Stoßtrupp Eschenburg eine beachtliche Sprengkraft, die der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft noch das Leben kosten kann. (okoe)



* Otto Köhler ist Kurt-Tucholsky-Preisträger. Er schrieb zuletzt an dieser Stelle am 18.10.2013 über Prinz Eugen.

* Aus: junge Welt, Montag, 28. Oktober 2013


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