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Studium fürs Militär

Trotz Zivilklausel hat die Universität Bremen an militärischen Projekten geforscht. Unabhängiges Kontrollgremium gefordert

Von Sönke Hundt und Patrick Spahn *

Die Universität Bremen war die erste deutsche Hochschule, die sich eine Zivilklausel gegeben hat. Im Jahr 1986 schrieb die Uni in einer Selbstverpflichtung fest, daß »jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung« vom Akademischen Senat abgelehnt werden müsse. Doch allzu ernst nimmt es die Bildungseinrichtung mit dieser Auflage nicht. »Daß die Leitung der Universität Bremen Grundlagenforschung mit Mitteln des Bundesverteidigungsministeriums betrieben hat, ist ein schwerer Schlag gegen die Philosophie der Bremer Hochschule« kritisierte Uwe Hiksch, Mitglied im Bundesvorstand der Naturfreunde Deutschlands, am vergangenen Donnerstag. Ein Bericht von Radio Bremen hatte am 16. Mai ein Forschungsprojekt der Universität aus den Jahren 2003 bis 2006 öffentlich gemacht. Das Institut für Telekommunikation und Hochfrequenztechnik hatte zusammen mit dem Bremer Rüstungsunternehmen OHB führend am Bau von Satelliten und Datenübertragungssystemen geforscht. Thema: Möglichkeiten der Datenübertragung von Objekten mit großer Geschwindigkeit – z.B. aus Tornado-Kampfjets – an Bodenstationen. Das war ein klarer Fall von Rüstungsforschung und ein klarer Verstoß gegen die an der Uni Bremen geltende Zivilklausel.

An der Hochschule Bremen, die im Gegensatz zur Universität der Hansestadt (noch) keine Zivilklausel hat, wurde von der Linksfraktion in der Bürgerschaft ebenfalls ein neuer Fall von Rüstungsforschung aufgedeckt. In den Jahren 2006/07 hatte die Hochschule mit der Rheinmetall Defence Electronics GmbH (RDE) im Projekt »Argus« zusammengearbeitet. Auf der Projekthomepage hieß es: »Argus ist ein Unmanned Aerial Vehicle (kurz UAV) und ist ein Projekt der Hochschule Bremen und Rheinmetall Defence Electronics. Argus soll als maritime Flugdrohne eine Vielzahl an zivilen und militärischen Aufgaben autonom erfüllen können.«

RDE war auch schon vorher mit einem weiteren Fall bekanntgeworden. Das Unternehmen hatte zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Hochschule Bremen den Forschungsverbund Flugrobotik CART (Competitive Aerial Robot Technologies) gebildet, mit dem Ziel »zivile Flugroboter« zu entwickeln. Dafür waren im Haushaltsnotlagenland Bremen sogar öffentliche Steuergelder zur Verfügung gestellt worden. Als die Linksfraktion im Januar 2012 in der Bürgerschaft nach genaueren Informationen über den zivilen Charakter des Projekts fragte, wurde es sehr peinlich. Es stellte sich nämlich heraus, daß das Unternehmen RDE in seinem Produktfolio ausschließlich militärisch nutzbare Flugroboter bzw. Drohnen im Angebot hat.

Für die Linksfraktion in der Bürgerschaft war schon im Januar 2012 klar, daß eine Zivilklausel, beschlossen als Absichtserklärung an den Hochschulen, letztlich unverbindlich bleibt und Rüstungsforschung letztlich nicht verhindern kann. Sie hat im Landesparlament beantragt, die Zivilklausel als zwingende Rechtsvorschrift im Bremer Hochschulgesetz zu verankern und ihre Einhaltung durch ein kompetentes Kontrollorgan zu überwachen. Die Abgeordneten von rot-grün kritisierten die Linksfraktion wegen Gefährdung des Standorts Bremen und stimmten gegen diesen Antrag. Man müsse und könne Vertrauen in die Selbstverpflichtung der Hochschulen haben. Die Grünen erklärten, daß eine gesetzliche Verpflichtung eine unnötige Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit sei. Die SPD-Abgeordneten verstießen, als sie den Gesetzesantrag der LINKEN ablehnten, sogar klar gegen einen Parteitagsbeschluß, den vorher die Parteibasis zugunsten einer gesetzlichen Regelung durchgesetzt hatte.

Nach den jetzt bekanntgewordenen Fällen von Rüstungsforschung und einem entsprechenden Echo in den Medien änderte sich das Diskussionsklima deutlich. Andreas Fischer-Lescano, Professor für öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Uni Bremen forderte ein unabhängiges und wirksames Kontrollgremium zur Überprüfung von Forschungsvorhaben. Ansonsten bleibe eine Zivilklausel als Selbstverpflichtung »blumig« und »zahnlos«. Am Beispiel der Hochschule Bremen zeigt sich, wie schwer es Befürworter einer tatsächlich wirksamen Zivilklausel haben. Der Akadamische Senat der Hochschule hatte zunächst beschlossen, eine »Ethikkommission« zu gründen, die einen Entwurf erarbeiten sollte. Als die Kommission nach langen Beratungen tatsächlich eine ganz vernünftige Formulierung verabschiedet hatte, wurde diese vom Rektorat wieder zurückverwiesen. Es gebe noch rechtliche Bedenken, hieß es. Welches Ergebnis die weiteren Beratungen an der Hochschule haben werden, ist zur Zeit völlig offen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 29. Mai 2012


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