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Erfolg der "Weißen Flut"

Regierung Madrids stoppt Privatisierungspläne

Von Carmela Negrete *

Die Privatisierung von sechs der größten Krankenhäuser Madrids ist gestoppt: Zunächst veranlaßte der Oberste Gerichtshof der spanischen Hauptstadt, die seit langem vorangetriebenen Pläne der rechtskonservativen Regionalregierung im Gesundheitssektor weiterhin auszusetzen. Daraufhin reagierte am Montag der Ministerpräsident der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Ignacio González, mit der Ankündigung, daß die »Auslagerung« der Hospitale nach dem Urteil außer Kraft gesetzt sei (jW berichtete). Der Berater für Gesundheitsfragen, Javier Fernández Lasquetty, der die Privatisierung eingeleitet hatte, ist inzwischen zurückgetreten.

Die etwa 5000 Angestellten der Krankenhäuser, die 1,2 Millionen Bürger versorgen, werden also weiterhin für den Staat arbeiten und nicht für ein Privatunternehmen. Es ist ein Sieg, den die »Weiße Flut« für sich beanspruchen kann. Diese wegen der Berufsbekleidung von Ärzten und Pflegern so genannte Protestbewegung wurde 2012 von der AFEM ins Leben gerufen, einer Vereinigung von medizinischem Personal in Madrid. Zuvor waren die Pläne der rechten Volkspartei PP erstmals bekannt geworden – eine Art neoliberales Pilotprojekt, das vorsah, alle Gesundheitszentren der Gemeinde und sechs der größten Hospitale der Hauptstadt zu privatisieren.

Wie Pedro de la Oliva, Mitbegründer der AFEM, gegenüber dem Onlineportal eldiario.es erklärte, sei die Aussetzung der Privatisierung ein »erster Erfolg«, der beweise, daß die Gesellschaft »die Politiker dazu zwingen kann, den Spielregeln zu folgen«. 2013 fand der größte unbefristete Streik im Gesundheitssektor in der Region statt, der insgesamt fünf Wochen dauerte. 50000 Arzttermine wurden abgesagt, 6500 Operationen verschoben. Die »Weiße Flut«, die so gut wie täglich auf den Straßen Madrids demonstrierte, war der PP in doppelter Hinsicht ein Dorn im Auge: Sie widersetzte sich nicht nur ihren Plänen, sondern an ihr beteiligten sich auch viele Ärzte, die zur Wählerschaft der PP gehörten und dies auch öffentlich kundtaten.

Bis jetzt sind vier Gesundheitszentren privatisiert worden, die sechs Krankenhäuser wurden verschiedenen Firmen zugeschlagen. In den Vergabeverfahren stellte der Gerichtshof jedoch Unregelmäßigkeiten fest, da sie nur vier Tage nach der offiziellen Ausschreibung abgeschlossen worden waren. Das war der Hauptgrund, warum das Gericht den Privatisierungsprozeß bereits im vergangenen September stoppte. Diese Entscheidung gefiel nicht allen Mitgliedern des Gerichtshofs, vor allem nicht dem damaligen Präsidenten der Kammer für Verwaltungsstreitigkeiten, Gerardo Martínez Tristán, dessen Gattin Beraterin der PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal García ist. Diese Verbindung des Richters mit der PP löste Proteste der Opposition aus.

Noch ist unbekannt, ob der Staat vielleicht die Unternehmen entschädigen muß, die bei der Ausschreibung der sechs Krankenhäuser den Zuschlag erhalten hatten. Der Ministerpräsident der Autonomen Gemeinschaft Madrid machte allerdings klar, daß er sich nicht geschlagen geben werde. Demnach gelte das Urteil nur für diesen konkreten Fall und richte sich nicht gegen Privatisierungen im allgemeinen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 30. Januar 2014


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