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Barcelona gespalten

Katalanischer Oppositionsführer sagt nein zur Einheitsliste und fordert schnellstmöglich Neuwahlen

Von Mela Theurer, Barcelona *

An diesem Montag hatte die Vizepräsidentin des katalanischen Parlaments die Wahlbeteiligung am nichtbindenden Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens bekannt gegeben: Am 9. November gaben insgesamt 2.344.828 Menschen ihre Stimme ab. Die Parteien, die für die Unabhängigkeit mobilisierten, werteten sowohl die Beteiligung von 37 Prozent der Abstimmungsberechtigten wie auch das Ergebnis mit 80,91 Prozent für eine Loslösung vom spanischen Staat als Erfolg.

Mit Spannung wurden die Vorschläge des katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas an die Parteien und sozialen Bewegungen erwartet. Mit diesen wollte er seine Linie nach dem 9. November vorstellen. Unter dem Motto »Zeit der Entscheidung, Zeit des Zusammenrückens« verkündete er schließlich am 25. November sein Programm. Nach Mas' Vorstellungen sollen spätestens im Herbst nächsten Jahres Neuwahlen stattfinden. Dabei soll eine Einheitsliste aufgestellt werden, der sowohl Vertreter aller Parteien, die für die Unabhängigkeit eintreten, sowie Mitglieder der sozialen Bewegungen angehören sollen.

Dem Vorwurf, er und seine regierende »Convergència i Unió« (CiU) würde dabei einen Führungsanspruch erheben, begegnete Mas, dass er sowohl erster oder letzter dieser Liste sein könne. Nach diesen Neuwahlen sieht der Präsident der Generalitat vor, in einem Zeitraum von 18 Monaten mit der spanischen Regierung die Unabhängigkeit Kataloniens zu verhandeln. Danach sollen noch einmal konstituierende Wahlen abgehalten werden.

Sein Vorschlag wurde innerhalb der Unabhängigbewegung zum Teil kritisch aufgenommen. So forderte die »Katalanische Nationalversammlung« (ANC) in ihrer »Novemberdeklaration« sofortige Wahlen. Außerdem favorisiert die ANC eine Einheitsliste, auf der sich auch deren Präsidentin Carme Forcadell aufstellen lassen will.

Die linke »Kandidatur für die Volkseinheit« (CUP) lehnte bereits im Vorfeld eine Einheitsliste ab. Bei einem Treffen des Vorstands am 22. November in Perpignan wurde sich auf eine Kandidatur innerhalb einer antikapitalistischen Plattform verständig. Das Ziel ist neben der Trennung vom spanischen Staat auch der Bruch mit dem sozialen und politischen System.

Alle Augen richteten sich jedoch auf die Haltung der »Republikanischen Linken« (ERC), die laut Umfragen die nächsten Wahlen für sich entscheiden könnten. ERC-Vorsitzende Oriol Junqueras antwortete am Dienstag auf die Vorschläge von Mas. Vor 2.000 Personen sagte der Oppositionsführer bei der Veranstaltung »Aufruf an ein neues Land: die Katalanische Republik«, dass er der Einheitsliste eine klare Absage erteilt. Dagegen forderte er unmittelbare Neuwahlen, die auf den Aufbau eines neuen unabhängigen Staates und die sofortige Konstituierung einer Regierung gerichtet sind.

Junqueras sprach sich zudem für getrennte Listen aus. Diese würden gewährleisten, dass alle Strömungen der Unabhängigkeitsbewegung repräsentiert seien. Doch auch er forderte eine Öffnung für Personen aus den Basisbewegungen. Gemeinsames und vereintes Ziel der unterschiedlichen Listen müsse die Unabhängigkeit Kataloniens sein. Denkbaren wären beispielsweise gemeinsame Veranstaltungen im Rahmen der Wahlkampagne.

Gleichzeitig müssen jedoch die ideologischen Unterschiede über soziale und ökonomische Fragen auch weiterhin deutlich werden. Die Regierung solle aus verschiedenen Parteien und sozialen Bewegungen bestehen, um in einem konstituierenden Prozess einen neuen Staat aufzubauen. Ein wichtiger Punkt sei der Kampf gegen die Korruption. Ein deutlicher Hinweis auf den letzten Korruptionsskandale, in dem der Expräsident der Generalitat und CiU-Politiker, Jordi Pujol, und dessen Familie verwickelt sind. Unter dem Slogan der Unabhängigkeit könne nicht auf Transparenz und soziale Gerechtigkeit verzichtet werden, unterstrich Junqueras.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 4. Dezember 2014


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