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Zapatero versucht Befreiungsschlag

Spaniens Regierung umgebildet

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Nur ein Jahr nach den Wahlen hat Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero seine Regierung heftig umstrukturiert: Sechs von 17 Ministerien sind betroffen. Er wolle einen »Rhythmuswechsel«, sagte der Premier vor der Presse, um »mit einem neuen Impuls und gestärkt« der Wirtschaftskrise zu begegnen, in der Spanien versinkt.

Als im Februar der Justizminister gefeuert wurde, scherzte Finanz- und Wirtschaftsminister Pedro Solbes noch: »Ich beneide ihn darum, dass er Exminister ist.« Die Zeit des Neides ist vorbei. Superminister Solbes ist prominentestes Opfer der Regierungsumbildung des sozialistischen Ministerpräsidenten José Rodríguez Zapatero. Einst als Star vom Posten des EUWährungskommissars nach Madrid berufen, stürzte Solbes tief. Er brachte zwar die Staatsfinanzen halbwegs ins Lot, versagte aber beim Gegensteuern in der Krise. Spanien schmierte ab, als die heimische Immobilienblase platzte. In einem Jahr hat sich die Arbeitslosenzahl auf mehr als 3,6 Millionen und die höchste Quote der EU verdoppelt.

Die wirtschaftliche Entwicklung entzweite Zapatero und Solbes. Der Minister resignierte, als er für Zapatero ständig die Zahlen beschönigen musste. Als er im Januar erstmals offen von einer »Krise« sprechen durfte, prognostizierte er 16 Prozent Arbeitslosigkeit. Jetzt platzte seinem Nachfolger in der EU der Kragen: Joaquin Almunia sagte seinem heimatland eine Quote von 19 Prozent und eine deutlich stärkere Rezession voraus. Die europäische Statistikbehörde ermittelte schon im Februar 15,5 Prozent Arbeitslosigkeit. Da sie schnell weiter steigt, rechnen Experten 2010 sogar mit 20 bis 30 Prozent.

Der Spielraum für Solbes Nachfolgerin, die 59-jährige Elena Salgado, ist gering. Die bisherige Ministerin für öffentliche Verwaltung steht vor leeren Kassen, nachdem 70 Milliarden Euro in einem Konjunkturprogramm verpufften. Die EU-Kommission hat ein Defizitverfahren eröffnet, weil Spaniens Neuverschuldung schon 2008 über der Drei-Prozent-Marke lag und 2009 auf sieben Prozent steigen dürfte. Ohnehin ist Salgado zwar studierte Wirtschaftswissenschaftlerin, aber ohne wirtschaftspoltiische Erfahrung. Schagzeilen machte sie in ihrer Zeit als Gesundheitsministerin im Kampf gegen Tabak- und Alkoholkonsum.

Sie muss sich nun auch mit der Finanzierung Kataloniens herumschlagen. Fast drei Jahre sind ungenutzt verstrichen, seit dieser Konflikt mit einem neuen Autonomiestatut gelöst werden sollte. Als Wink mit dem Zaunpfahl an Katalonien darf auch die Ablösung der Ministerin für Infrastruktur verstanden werden. Magdalena Álvarez hatte Barcelona beim Bau einer Schnellzugtrasse in ein schweres Verkehrschaos gestürzt. Trotz Rücktrittsforderungen hatte Zapatero sie nach den Wahlen im Amt bestätigt. Nun soll José Blanco, Vizegeneralsekretär der Sozialisten (PSOE), ihren Job übernehmen.

Aus Andalusien wurde der Präsident der Regionalregierung nach Madrid beordert. Manuel Chaves soll die Beziehungen zu den Autonomieregierungen verbessern und versuchen, die konservative katalanische CiU als Mehrheitsbeschafferin im Parlament zu gewinnen. Denn Zapatero hat es geschafft, alle bisherigen Bündnispartner zu verprellen. Die Oppositionsparteien sagen deshalb baldige Neuwahlen voraus.

Umfragen zeigen, dass die Spanier in solchem Fall die konservative Volkspartei (PP) wählen würden. PP-Chef Mariano Rajoy sieht in der Regierungsumbildung die Bestätigung für die »explizite Anerkennung des Scheiterns des Regierungschefs«. Die Vereinte Linke (IU) fordert einen wirklichen »Politikwechsel«, einen Schwenk der Ausgabenpolitik, um »real die Krise zu bekämpfen«.

* Aus: Neues Deutshcland, 9. April 2009


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