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Rajoy sieht keinen Grund zum Rücktritt

Spanischer Ministerpräsident musste sich zu Schwarzgeldkassen seiner Partei im Parlament erklären

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Der konservative Mariano Rajoy hat erneut alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zurückgewiesen.

Eigentlich wollte Ministerpräsident Mariano Rajoy die Krise um die Schwarzgeldkonten seines ehemaligen Schatzmeisters aussitzen. Doch die Opposition drohte mit einem Misstrauensantrag, um ihn vors Parlament zu zwingen. Dort hat er am Donnerstag einen Fehler eingeräumt. »Ich habe mich geirrt, einer Person vertraut zu haben, die das Vertrauen nicht verdient«, sprach er vom ehemaligen Schatzmeister der Partido Popular (PP). Lange hatte er die Unschuld von Luis Bárcenas beteuert. Der sitzt seit Juni in Untersuchungshaft und hat beim Untersuchungsrichter das illegale Vorgehen der Partei eingeräumt, nachdem er zuvor alle Vorwürfe bestritten hatte.

Gegenüber Pablo Ruz erklärte er, die PP habe sich »wenigstens in den letzten 20 Jahren illegal finanziert«. Die 48 Millionen Euro, die auf Schweizer Konten gefunden wurden, stammten aus »Bargeldspenden von Baufirmen und anderen Unternehmen«. Die flossen, damit Firmen »an öffentliche Aufträge« aus den Institutionen kamen, in denen die PP regiert. Aus den schwarzen Kassen seien hohe Summen in bar als »Zusatzlöhne« an Parteiführer geflossen, worüber er akribisch Buch führte. Rajoy soll die höchste Gesamtsumme erhalten haben. Der räumte nun ein, Bargeld sei geflossen, dieses habe er aber korrekt versteuert. Warum »Löhne« und »zusätzlichen Vergütungen« gezahlt wurden, erklärte er nicht. »Er hat mich betrogen«, sagte Rajoy so, als habe er von Bárcenas schwarzen Kassen nichts gewusst. Dabei musste der von seinem Posten offiziell zurücktreten, weil ein Unternehmer in einem aufgezeichneten Gespräch angab, ihm 1,3 Millionen Euro übergeben zu haben. Inoffiziell war er sogar noch bis Januar bei der PP angestellt, hatte ein Büro, eine Sekretärin und einen Fahrer.

Rajoy versuchte sich als Opfer »bösartiger Unterstellungen« darzustellen. Damit werde nicht nur das Ansehen des Landes sondern in der schweren Krise auch die wirtschaftliche Stabilität untergraben. Deshalb lehnte er einen Rücktritt ab, wie ihn die Opposition forderte. »Tun Sie Spanien den Gefallen«, sagte der Chef der Vereinten Linken (IU) Cayo Lara. Er nannte Rajoy »korrupt« und einen »Lügner«, schließlich hatte er bisher bestritten, Geld aus den Schwarzgeldkassen erhalten zu haben. Er und die PP hätten Bárcenas sogar noch unterstützt, obwohl sein »kriminelles Vorgehen« längst bekannt war. »Welches Abkommen gibt es zwischen ihrer Partei und Bárcenas?«, fragte er Rajoy.

Lara forderte »Neuwahlen«, auch weil Rajoy die Wähler belogen und mit Steuererhöhungen, Bankenrettung und Einschnitten im Sozialsystem zentrale Wahlversprechen gebrochen habe. Wie er wiesen auch andere darauf hin, dass Spanien mit Rajoy in Europa kein Vertrauen zurückgewinnen könne. »Sie sind nicht mehr glaubwürdig«, sagte Lara. Sein Fraktionskollege Chesús Yuste merkte an, dass nun wohl allen in Europa klar sei, »warum in Spanien pharaonische Projekte durchgezogen wurden«. Niemand auf dem Kontinent könne noch verstehen, warum Rajoy nicht längst zurückgetreten sei.

Die sozialdemokratische Opposition hielt Rajoy vor, noch im Frühjahr Bárcenas in SMS Bárcenas zum »Durchhalten« aufgefordert zu haben, als sogar schon die parallele Buchführung veröffentlicht worden war. »Luis, die Sache ist nicht einfach, aber wir tun, was wir können. Kopf hoch.« Bárcenas hatte Angst vor der Inhaftierung und verlangte Schutz, weil immer neue Fakten ans Licht kamen. »Sie sind gekommen um ihren Kopf zu retten«, sagte deshalb Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba. »Sie schaden dem Land. Treten sie ab!«, forderte er, weil die PP nur über Schwarzgeld bei »gedopten« Wahlkämpfen an die Macht gekommen sei.

Wegen der »beschämenden« Vorstellung schließt die Opposition nicht aus, doch noch einen Misstrauensantrag zu stellen. Ihr gefiel auch nicht, dass die Anhörung ausgerechnet an dem Tag stattfand, als das ganze Land in den Urlaub fuhr. Rajoy nutzte die Gelegenheit aber noch, um angebliche Erfolge zu feiern: Die Zahl der Arbeitslosen sei um 63 000 zurückgegangen. Trotz allem steht das Land mit fast sechs Millionen Menschen und einer Quote von 26 Prozent mit Griechenland an der europäischen Spitze.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 2. August 2013


Rajoy inszeniert sich als Opfer

Spaniens Ministerpräsident: Verteidigungsrede vor dem Parlament **

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat die Existenz schwarzer Kassen in seiner Volkspartei (PP) bestritten. Es habe »keine doppelte Buchführung« gegeben, versicherte er am Donnerstag in Madrid auf einer Sondersitzung des spanischen Parlaments zur Schwarzgeldaffäre. Diese war durch den mittlerweile inhaftierten früheren Schatzmeister der Partei, Luís Bárcenas, ausgelöst worden. Er soll die PP mehr als 20 Jahre lang illegal finanziert und die Gehälter von Parteiführern mit Schwarzgeld aufgebessert haben. Auch Rajoy soll solche Zahlungen erhalten haben.

»Ich habe mein Einkommen immer offengelegt«, entgegnete der Regierungschef nun vor den Abgeordneten und inszenierte sich als Opfer. Er habe der falschen Person vertraut und keinen Schuldigen gedeckt, vielmehr sei er getäuscht worden. Als Konsequenz aus der Affäre werde die Regierung die Antikorruptionsgesetze sowie die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge verschärfen. Er selbst werde weitermachen und an den Wirtschaftsreformen festhalten.

Demgegenüber warf der Fraktionschef der oppositionellen Sozialdemokraten, Alfredo Pérez Rubalcaba, Rajoy Betrug vor. Dabei bezog er sich auf einen von der Zeitung El Mundo veröffentlichten SMS-Wechsel des Regierungschefs mit Bárcenas, der bis März gedauert haben soll. »Alle Spanier wußten zu dem Zeitpunkt, daß Bárcenas ein Steuerbetrüger ist. Herr Rajoy hat ihm aber weiter herzliche Zeilen geschickt«, erklärte Rubalcaba. Für die Vereinigte Linke (IU) erinnerte deren Fraktionschef Cayo Lara an Äußerungen des PP-Sprechers Alfonso Alonso, der am 11. Juli öffentlich die Existenz von Korruption innerhalb der Partei eingeräumt hatte. Auch Lara forderte Rajoy zum Rücktritt auf, denn dieser habe seine Regierung »auf einer großen Lüge gegenüber den Bürgern aufgebaut«.

Bei seinen Vernehmungen durch einen Ermittlungsrichter hatte Bárcenas unter anderem ausgesagt, er habe Rajoy 2010 einen Umschlag mit 25000 Euro Schwarzgeld überreicht. Seinen Angaben zufolge sollen Dutzende Mitglieder der Parteiführung bereits seit Anfang der 1990er Jahre von Bau- und anderen Unternehmern nicht deklarierte »Gehaltsaufbesserungen« erhalten haben. Im Gegenzug sollen Baulizenzen erteilt und Aufträge vergeben worden sein. Zudem soll Bárcenas auf Auslandskonten gut 48 Millionen Euro versteckt haben.

** Aus: junge Welt, Freitag, 2. August 2013


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