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Rajoy soll zurücktreten

Brisante Schmiergeldvorwürfe gegen Spaniens Premier und seine Volkspartei

Von Carmela Negrete *

Tausende Demonstranten forderten am Donnerstag abend in Madrid den Rücktritt des spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy. Die Polizei ging mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor. Mehrere Menschen wurden verletzt, zwei Personen vorläufig festgenommen. Auch in anderen Städten kam es zu Demonstrationen.

Hintergrund der Proteste ist ein Korruptionsskandal in der regierenden Volkspartei (PP), deren Vorsitzender Rajoy ist. Der Ex-Schatzmeister der PP, Javier Barcenas, sitzt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Geldwäsche, Steuerbetrug und Dokumentenfälschung vor. Laut der spanischen Tageszeitung El Mundo sollen der regierenden Volkspartei zirka 8,3 Millionen Euro an illegalen Spenden zugeflossen sein. Der größte Betrag soll von einem bekannten Bauunternehmer stammen. Das Geld wurde vor allem für die Finanzierung von Wahlkämpfen und zur Bestechung von hochrangigen Funktionären der Partei verwendet. Einige Politiker sollen auf diese Weise monatlich mit 5000 bis 25000 Euro zusätzlich versorgt worden sein. Auch mehrere Exminister wie Javier Arenas, Ángel Acebes, Pilar del Castillo, Rodrigo Rato oder Ana Palacio profitierten laut Presseberichten davon. Laut Barcenas erhielt Rajoy fast 350000 Euro aus der mit Schmiergeldern gefüllten Kasse, als er noch Innenminister unter dem damaligen konservativen Regierungsschef José Maria Aznar war.

Delikate Einzelheiten des Korruptionsskandals befinden sich nach Angaben des österreichischen Internetportals derstandard.at auf einem USB-Stick mit Hunderten Dokumenten, den Barcenas Anfang dieser Woche einem Madrider Richter übergeben hatte. Danach hätte die konservative Volkspartei in den vergangenen 20 Jahren jährlich an die 600000 Euro Bestechungsgelder und illegale Parteispenden erhalten.

Nur wenige Politiker haben bisher zugegeben, in die Affäre verstrickt gewesen zu sein. Unter ihnen sind der aktuelle Senatspräsident Pío García Escudero und der Abgeordnete Eugenio Nasarre, beide Mitglieder der Volkspartei. Die PP und der Ministerpräsident wiesen dagegen alle Anschuldigungen brüsk zurück. Rajoy erklärte, er könne als Ministerpräsident »nicht zu jedem kleinen Vorwurf in den Medien Stellung beziehen«. Indessen hat El Mundo eine Reihe von SMS zwischen Rajoy und Barcenas veröffentlicht, in denen Rajoy den Ex-Schatzmeister seiner Partei auffordert, standhaft zu bleiben und alle Vorwürfe zu leugnen. Dieser erklärte jedoch, seinem Chef noch im Mai 2010 mehrere tausend Euro Schwarzgeld ausbezahlt zu haben.

Die im Parlament vertretene Vereinigte Linke (Izquierda Plural) hat den Rücktritt des Ministerpräsidenten verlangt. Diese Forderung wird von Rajoy ebenso abgelehnt wie jede öffentliche Stellungnahme zu den erhobenen Vorwürfen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 20. Juli 2013


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