Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Verbot baskischer Linkspartei gekippt

Die konservative spanische Regierung schließt ein neues Verbotsverfahren nicht aus

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Das Verbot der baskischen Linkspartei, das vor den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr verhängt wurde, war nicht rechtens. Das befand das spanische Verfassungsgericht. Die Regierung ist empört.

Das Verfassungsgericht von Spanien hat vergangene Woche das Verbot der neuen baskischen Linkspartei »Sortu« (Aufbauen) aufgehoben, das vor 14 Monaten verhängt worden war.

Die rechte spanische Regierung ist darüber empört. Justizminister Alberto Ruiz Gallardón erklärte seine »Diskrepanz« zum Urteil. Innenminister Jorge Fer᠆nández Díaz schloss ein neues Verbotsverfahren nicht aus, dafür wolle er zunächst die Begründung studieren.

Mit dem Verbot habe der Oberste Gerichtshof in Madrid gegen das »Recht auf Vereinigung« und die »Freiheit zur Gründung von Parteien« verstoßen, urteilten die Verfassungsrichter. Die zuständige Sonderkammer an dem Gerichtshof hatte den Verbotsantrag der Regierung vor den Kommunal- und Regionalwahlen im März 2011 wie in allen Fällen zuvor schnell abgenickt. Auch diesmal lautete die Begründung, es handele sich um einen Nachfolger der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit), die angeblich im Dienst der Untergrundorganisation ETA stehe.

Batasuna war nach einer Änderung des Parteiengesetzes verboten worden. Die Partei distanzierte sich nicht ausdrücklich von der ETA, wie es dieses Gesetz verlangt. Die neue baskische Linkspartei Sortu hingegen verurteilte »Gewalt« zur Erreichung politischer Ziele, »eingeschlossen die der Organisation ETA«, wie das ehemalige Batasuna-Führungsmitglied Rufi Etxeberria bei der Vorstellung der Partei erklärt hatte. Der Druck der baskischen Linken hatte die ETA nach einer Waffenruhe im vergangenen Oktober dazu gebracht, ihren Kampf endgültig einzustellen.

Diesen Prozess in der linken Unabhängigkeitsbewegung hatte eine Gruppe um den ehemaligen Batasuna-Sprecher Arnaldo Otegi angestoßen. Er wurde dafür mit vier weiteren Führern der baskischen Linken zu acht Jahren Haft verurteilt, weil sie im Auftrag der ETA die Aktivitäten von Batasuna fortgeführt hätten. Auch sie haben nun das Verfassungsgericht angerufen. Schließlich führte ihr Bestreben zur Gründung von Sortu und zum Ende der ETA.

Nicht nur im Baskenland wird das Sortu-Urteil begrüßt. Auch Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, hält es für einen bedeutenden Schritt und fordert von der Bundesregierung, den baskischen Friedensprozess zu fördern. Eine entsprechende Anfrage hatte er mit anderen Abgeordneten der LINKEN formuliert. Die Antwort zeige, dass die Bundesregierung »an einer friedlichen und demokratischen Lösung des Konfliktes« nicht interessiert sei.

Statt sich für eine Verhandlungslösung einzusetzen, stütze sie die starre Haltung der spanischen Regierung, die eine bedingungslose Kapitulation der ETA fordere, sagte Hunko, der Mitglied im Unterausschuss für Konfliktprävention im Europarat ist. Er hält diese Position für einen Widerspruch zu Erfahrungen aus Versöhnungsprozessen wie in Nordirland und Südafrika. Nach dem entscheidenden Schritt der ETA müssten nun Schritte zu einer friedlichen Lösung aus Spanien folgen, fordert er.

* Aus: neues deutschland, Montag, 25. Juni 2012


Zurück zur Spanien-Seite

Zurück zur Homepage