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Gotteskrieger gestoppt

Spanische Polizei verhindert Attentat auf Papst-Gegner. Protest gegen staatliche Finanzierung des katholischen "Weltjugendtages"

Von André Scheer *

Die spanische Polizei hat offenbar einen Anschlag auf Gegner des heute beginnenden Papst-Besuchs in Madrid vereitelt. Wie die Policía Nacional in der Nacht zum Mittwoch (17. Aug.) mitteilte, wurde am Vortag »eine Person« festgenommen, die mit »Giftgas und anderen chemischen Substanzen« einen Angriff auf die für den gestrigen Abend geplante Großdemonstration gegen die staatliche Finanzierung des katholischen »Weltjugendtages« vorbereitet habe. Dabei soll es sich um einen 24jährigen handeln, der am Institut für organische Chemie beim Obersten Rat für wissenschaftliche Forschung in Madrid studierte. In seiner Wohnung seien bei einer Hausdurchsuchung Notizblöcke und Computer mit Aufzeichnungen über chemische Prozesse gefunden worden, »die nichts mit dem Objekt seiner Forschungen zu tun« gehabt hätten, wie die Polizei in ihrer Pressemitteilung bekanntgab.

Auf die Spur des mutmaßlichen Attentäters seien die Behörden aufgrund von Hinweisen von Internetnutzern gekommen, denen Einträge des Verdächtigen in christlich-fundamentalistischen Foren aufgefallen waren. Darin soll er geschrieben haben, mit den Gegnern des Papstes müsse »so schnell wie möglich Schluß gemacht« werden. Wie die Tageszeitung El País aus Ermittlerkreisen erfuhr, soll der Verdächtige dabei nicht nur den Einsatz des Giftgases Sarin empfohlen haben, mit dem mehrere hundert seiner Gegner auf einen Schlag umgebracht werden könnten, sondern auch Anleitungen zur Herstellung von Schwefelsäure ins Netz gestellt haben. Zugleich habe er offenbar versucht, über das Internet Mittäter anzuwerben. Die Beamten sehen Parallelen zu den Attentaten in Norwegen am 22. Juli, bei denen Anders Behring Breivik in Oslo und auf der Insel Utøya insgesamt 77 Menschen ermordete.

Zu der Demonstration in Madrid, die von linken Parteien, Gewerkschaften, feministischen Gruppen und der Bewegung der »Empörten« unterstützt wurde, wurden am Mittwoch abend Tausende Menschen erwartet. Die Veranstalter zeigten sich über die mutmaßlichen Anschlagspläne nicht überrascht. »Seit Wochen werden wir im Internet bedroht und als Parasiten beschimpft. Am Wochenende wurde sogar ein alter Mann, der allein mit einem Plakat gegen die Finanzierung des Papst-Besuchs protestierte, tätlich angegriffen«, berichtete Mitorganisatorin Esther López Barceló gegenüber junge Welt. Die Koordinatorin des Jugendverbands der spanischen Vereinigten Linken (IU) kritisiert zudem, daß bislang weder die sozialdemokratische Regierungspartei PSOE noch die rechte PP die mutmaßlichen Attentatsplanungen verurteilt haben.

Etwa 50 Millionen Euro sollen über Steuervergünstigungen für Sponsoren und durch Dienstleistungen an das katholische Großevent fließen, offi­zielle Zahlen werden von der Regierung unter Verschluß gehalten. Das stößt sogar bei Geistlichen auf Widerspruch. So kritisierte das »Forum Pfarrer von Madrid« bereits im März, es sei ein Skandal, »mit welcher Leichtigkeit die öffentlichen Gewalten einerseits dieses Ereignis finanzieren und andererseits von der Mehrheit der Bürger so viele Einschnitte beim Einkommen und den sozialen Rechten verlangen«. Im einst tief religiösen Spanien ist die Zahl der Einwohner, die sich selbst noch als katholisch bezeichnen, von 82,1 Prozent im Jahr 2001 auf mittlerweile 71,7 Prozent zurückgegangen. Nur noch 13 Prozent von ihnen besuchen am Sonntag die Messe, vor zehn Jahren waren dies noch 19 Prozent.

* Aus: junge Welt, 18. August 2011


Mehrere Tausend Spanier demonstrieren gegen Papstbesuch in Madrid **

Mehrere Tausend Spanier haben am Mittwochabend gegen den Besuch von Papst Benedikt XVI. in Madrid protestiert. Der Protest richte sich gegen die staatliche Co-Finanzierung des Weltjugendtags und des Papst-Besuchs, erklärten die Veranstalter, zu denen neben atheistischen Vereinigungen auch kirchliche Basisgemeinden gehörten. Ihr Motto: »Von meinen Steuern nichts für den Papst.« Benedikt XVI. wurde am Donnerstag gegen Mittag in der spanischen Hauptstadt erwartet.

120 Madrider Pfarrer hatten bereits vor mehreren Tagen die Finanzierung des Weltjugendtags durch Großkonzerne kritisiert, die sie für die Spekulationswirtschaft der vergangenen Jahre und die nun enorme Arbeitslosigkeit in Spanien verantwortlich machen. Die Sponsoren können ihre Spenden von der Steuer absetzen. Zahlreiche Demonstranten erklärten auf Spruchbändern, die von der katholischen Kirche mit 50 Millionen Euro angegebenen Kosten des Weltjugendtags sollten für die Bekämpfung des Hungers in Afrika verwendet werden.

Den Organisatoren zufolge nahmen 20.000 Menschen an der Kundgebung teil, die Polizei sprach von 5.000 Demonstranten. Während der Proteste kam es zu Wortgefechten zwischen Pilgern und Demonstranten, es gab aber keine Handgreiflichkeiten. Einige hundert Pilger blockierten den Zugang des Demonstrationszugs zum Platz Puerta del Sol und ließen den Papst hochleben, worauf die Demonstranten Benedikt seine Mitgliedschaft in der Hitlerjugend vorwarfen und als »Nazi« bezeichneten. Die Polizei musste die Gruppen immer wieder trennen.

Erst nach Beendigung der Kundgebung kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, die acht Personen festnahm. Elf Menschen wurden dabei verletzt.

Papst Benedikt sollte nach seiner Landung am Donnerstagmittag (18. Aug.) im Papamobil durch die spanischen Hauptstadt fahren. Am Abend war eine Willkommensfeier mit Teilnehmern des Weltjugendtags auf dem zentralen Cibeles-Platz geplant.

** Aus: Neues Deutschland, 18. August 2011


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