"Empörter" Empfang für den Papst
Spaniens "Indignados" bereiten Proteste vor
Von Ralf Streck *
Alle Versuche der Behörden, den zentralen Platz der spanischen Hauptstadt, die Puerta del Sol,
eine Woche vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. von Protesten frei zu halten, sind gescheitert.
Die »Empörten« bereiten nun Proteste während des katholischen Weltjugendtags vor.
Es ist heiß im spanischen Sommer, doch die Hitze hält die »Empörten« nicht von ihren Protesten ab.
Sie haben den zentralen Platz der spanischen Hauptstadt Madrid wieder in Beschlag genommen.
Die Polizei ist damit gescheitert, die »Indignados« von der »Puerta del Sol« – dem Sonnentor – fern
zu halten. Dort werden auf Massenversammlungen inzwischen die Proteste für die kommende
Woche vorbereitet, wenn Papst Benedikt XVI. die spanische Hauptstadt zum katholischen
Weltjugendtag besuchen wird.
Alle Versuche der Behörden, den Empörten ihren Treff- und Versammlungsort zu nehmen, sind
bisher gescheitert. Am vergangenen Dienstag war der »Sol«, wie ihn die Protestierenden seit dem
15. Mai nennen, von der Polizei geräumt worden. Am Abend hatten die Beamten alle Zugänge zum
Platz abgeriegelt. Doch nachdem es daraufhin bei Demonstrationen vor dem Innenministerium zu
gewaltsamen Zusammenstößen gekommen war, bei denen mindestens 20 Menschen verletzt
wurden, schwoll der Proteststurm abermals an.
Die Hoffnung der Regierung, dass es im Urlaubssommer ruhig bleiben würde, ging nicht auf. Bei
einer Arbeitslosenquote von 21 Prozent – bei jungen Menschen sogar fast 50 Prozent – können sich
viele Spanier ohnehin keinen Urlaub leisten. Ein friedliches Bild gab Madrid in der letzten Woche
auch deshalb nicht ab, weil Touristen im Zentrum nicht auf buntes Treiben, sondern auf
Friedhofsruhe und ein massives Polizeiaufgebot trafen. Bisweilen konnten sie nicht einmal
bestimmte U- oder S-Bahnen verlassen, weil die immer wieder gesperrt wurden, um den Strom der
Empörten ins Zentrum zu unterbinden. Inzwischen haben sie den Platz dennoch wieder
eingenommen, wollen jedoch nicht mehr dort übernachten.
Aber neue Aktionen wollen die »Indignados« auf dem »Sol« vorbereiten, debattieren und auf ihren
Versammlungen zur Abstimmung stellen. Vor allem beschäftigt sie der bevorstehende Besuch des
Papstes, den sie nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen. Während überall gespart werden muss,
soll der katholische Weltjugendtag in der kommenden Woche mindestens 50 Millionen Euro kosten.
Viele fragen sich, warum eine laizistische Regierung, die sich zudem sozialistisch nennt, die Hälfte
dieser Kosten übernehmen will.
Den Protesten gegen den Auftritt Benedikts XVI. schließen sich auch viele Homosexuelle an. Ihnen
ist nur allzu gut in Erinnerung, wie die katholische Kirche, angeführt vom Vatikan, die Einführung der
gleichgeschlechtlichen Ehe mit Adoptionsrecht in Spanien zu verhindern suchte. Lesben und
Schwule wollen deshalb unter anderem ein öffentliches Massenküssen vor dem Papamobil und eine
große Demonstration veranstalten. Das von der konservativen Volkspartei (PP) regierte Madrid hat
von der Regierung freilich bereits gefordert, den Marsch zu verbieten.
Die Regierung der sozialdemokratischen Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) ist sich
indessen offenbar noch nicht sicher, wie sie mit den erneut anschwellenden Protesten umgehen soll.
Immerhin sind für den 20. November vorgezogene Neuwahlen anberaumt. Neuerliche
Gewalteinsätze sind jedoch nicht ausgeschlossen. Das zeigen die Geschehnisse in Málaga. Dort
wurde am frühen Montag ein Sitzstreik aufgelöst. In der südspanischen Stadt hatten sich Empörte
vor einem Abschiebelager für Flüchtlinge versammelt. Rafael Palomo, ein Sprecher der Bewegung,
warf der Sondereinheit der Polizei vor, »mit übermäßiger Gewalt« gegen die »friedliche
Versammlung« vorgegangen zu sein. Man wollte vor dem Lager über die Einwanderung debattieren
und habe zu keiner Zeit den Zugang versperrt. Sechs Personen sollen bei dem brutalen Angriff der
Polizei verletzt worden sein, zwei davon schwer.
* Aus: Neues Deutschland, 9. August 2011
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