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Otegi wieder frei

Batasuna-Chef in Spanien aus Haft entlassen

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Arnaldo Otegi hält an seinem Ziel von Demokratie und Frieden im Baskenland fest. Erreicht werden soll dies durch Dialog und Verhandlungen.

Etwa 100 Angehörige und Freunde haben am Samstag den Basken Arnaldo Otegi vor dem Gefängnis von Donostia-San Sebastian empfangen. Der Ex-Sprecher der in Spanien verbotenen Partei Batasuna (Einheit) ist das Gesicht des 2007 gescheiterten Friedensprozesses und hatte eine Haftstrafe von 15 Monaten verbüßt. Der Gesprächspartner der sozialistischen spanischen Regierung wurde inhaftiert, nachdem die Untergrundorganisation ETA ihre Waffenruhe im Juni 2007 beendet hatte.

Zwei Phasen des Friedensprozesses trieb Otegi voran, als er in die kollektive Parteiführung aufrückte, nachdem die Führung von Herri Batasuna (HB/Volksunion) 1997 inhaftiert wurde. Weder das Verbot von Batasuna 2003 noch die Haft brachten ihn von seiner Linie ab. Den Journalisten, die schon um sieben Uhr der Haftanstalt von Martutene belagerten, sagte er: »Auch nach diesen 15 Monaten besteht leider das tiefe, reale und ungelöste politische Problem in diesem Land fort, von dem ich persönlich denke, dass es durch Dialog und Verhandlungen gelöst werden muss«. Nur so könne ein Szenario entstehen, in dem das Baskenland »Demokratie und Frieden« erhält und die Bevölkerung frei entscheiden könne.

Ausdruck des Konflikts sind mehr als 700 politische Gefangene, die, anders als Otegi, meist weit entfernt vom Baskenland einsitzen und deren Freilassung er forderte. Zu ihnen gehören auch seine Genossen der Parteiführung, die nach ihm verhaftet wurden. Ob Otegi wieder in die Führung aufrückt, ließ er offen, aber es wäre unüblich. Auch die zwei Dutzend HB-Führer kehrten nicht in die Parteispitze zurück, nachdem das Verfassungsgericht das Urteil wegen angeblicher Unterstützung der ETA aufhob und sie nach zwei Jahren aus dem Gefängnis entließ.

Den charismatischen Otegi ohne neue Friedensgespräche zu »reaktivieren«, wäre auch unklug, denn er kann stets erneut inhaftiert werden. Vier Verfahren laufen gegen ihn, ihm wird sogar die Teilnahme an den Friedensgesprächen selbst zur Last gelegt. Zudem zeigt auch sein Fall, dass die Justiz oft politischen Vorgaben folgt. So sah das Ministerium für Staatsanwaltschaft im Friedensprozess zwar zunächst keine »Verherrlichung des Terrorismus«, um Otegi dann aben wenige Tage nach dem Scheitern des Dialogs eben für diese Verhandlungen zu inhaftieren. Wenn die Regierung aber glauben würde, dass Batasuna zur ETA gehört, hätte Otegi eigentlich zu seinen Genossen in die Untersuchungshaft wechseln müssen, denn dann wäre er ja ein ETA-Chef.

Doch vielleicht ist man in Madrid derzeit zu besorgt über die Auswirkungen, die dies auf das Verfahren vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof haben könnte. Die Batasuna-Klage gegen das Verbot wurde angenommen, weil es deutliche Hinweise auf gravierende Rechtsverstöße der Entscheidung gibt. Im Sommer sorgte ein Brief für Aufregung in Madrid, als die zuständige Kammer ankündigte, das Verfahren an die Große Kammer abgeben zu wollen. Das ist verständlich, denn letztlich geht es um die Legitimität aller Wahlen in einem EU-Land seit 2003. Vor der Großen Kammer wird zudem öffentlich verhandelt und so würde ein Schlaglicht auf die Vorgänge in Spanien fallen, was Madrid zu verhindern sucht. Folgte das Gericht seiner bisherigen Linie, müsste das Verbot fallen, weil das zentrale Kriterium nicht erfüllt ist, dass eine Partei zu einer bewaffneten Gruppe gehören muss, um ein Verbot zu rechtfertigen.

* Aus: Neues Deutschland, 1. September 2008


Baskischer Repräsentant Otegi bleibt nach Freilassung politisch aktiv *

Arnaldo Otegi, Sprecher der verbotenen baskischen Linkspartei Batasuna (Einheit), ist seit Samstag (30. August) wieder in Freiheit. Neben zahlreichen Journalisten erwarteten etwa 50 Familienangehörige und politische Freunde den Verhandlungsführer im gescheiterten Friedensprozeß 2006/2007. Sie ehrten den Politiker mit der Hymne der baskischen Soldaten aus dem spanischen Bürgerkrieg »Eusko Gudariak gara« (Wir sind baskische Soldaten). Otegi verbüßte eine 15monatige Freiheitsstrafe wegen »Verherrlichung des Terrorismus«. Anlaß war, daß er 2005 den legendären ETA-Führer José Miguel Beñaran »Argala« öffent­lich geehrt hatte. Dieser Politiker war 1973 an dem erfolgreichen Attentat gegen den faschistischen Ministerpräsidenten Admiral Luis Carrero Blanco beteiligt. 1978 ermordete ein rechtes Killerkommando den amnestierten ETA-Chef.

Nach seiner Freilassung strafte Otegi alle Berichte über einen Rückzug von ihm ins Privatleben Lügen. »Es gibt ein tiefgrei­fendes politisches Problem in diesem Land, von dem ich persönlich denke, daß es nur durch Dialog und Verhandlungen gelöst werden kann«, sagte er. Im Rahmen dieses Prozesses müßten alle politischen baskischen Gefangenen freigelassen werden, forderte Otegi. Den etwa 750 verbleibenden Häftlingen und ihren Angehörigen sandte er seine solidarischen Grüße.

Nach Medienberichten hat Otegi beim Sondergericht für Terror- und Drogendelikte beantragt, eine Woche Urlaub in Italien verbringen zu dürfen. Die Staats­anwaltschaft stimmt dem zu, da sich der Baske dort nicht politisch betätigen würde. Die rechte Vereinigung der Terror­opfer fordert hingegen seine polizeiliche Überwachung in Spanien. Gegen Otegi sind drei weitere Ermittlungsverfahren anhängig, die ihn für mindestens 15 Jahre ins Gefängnis bringen könnten. Der stellvertretende Generalsekretär der spanischen Sozialdemokraten (PSOE), José Blanco, sagte zu Otegis Vorstoß, der Dialog mit der »Terrorbande« ETA sei »endgültig begraben«.

Die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) kämpft seit 1959 für ein unabhängiges und sozialistisches Baskenland.

** Aus: junge Welt, 1. September 2008


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