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In der Klemme

Spaniens Lateinamerika-Politik zwischen Eigenständigkeit und Annäherung an die USA

Von Ingo Niebel *

Die spanische Außenpolitik - besonders mit Blick auf Honduras - ist in die Kritik der deutschen bürgerlichen Presse und der Liberalen geraten. Das publizistische Flaggschiff des Großbürgertums, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), schießt ebenso gegen die »Meister des Schmusekurses« wie die FDP-nahe »Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit« (FNS). Deren Chef, Wolfgang Gerhardt, monierte in Welt online (6.8.): »Spanien hat vorschnell geurteilt und keine umfassende Lagebewertung vorgenommen.« Seine FNS hat die neoliberalen Putschisten in Tegucigalpa vor dem Staatsstreich beraten und tritt nun in Deutschland als deren Fürsprecher auf.

Seit dem Beitritt zu NATO und Europäischer Gemeinschaft (EG) (1986) hat sich Madrid quasi das Exklusivrecht erstritten, die Brüsseler Interessen im spanischsprachigen Lateinamerika zu vertreten. Das verdankt das Land seinem ersten sozialdemokratischen Premier Felipe González (1982-1996). Das Mitglied der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) brauchte diesen außenpolitischen Erfolg, um innenpolitisch den EG-Beitritt, der zum massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hatte, verkaufen zu können.

González' Nachfolger, der Postfranquist José María Aznar von der Volkspartei (PP), nutzte Madrids exponierte Stellung gegenüber Lateinamerika, um sich voll und ganz in den Dienst der US-Außenpolitik unter George W. Bush zu stellen. 2002 deckte die Regierung Aznar den Putsch gegen Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez außenpolitisch. Der US-gesteuerte Staatsstreich fand statt, als Spanien die EU-Präsidentschaft innehatte. Aznar wurde auch zum schärfsten Gegner des sozialistischen Kuba. Der Comandante der kubanischen Revolution, Fidel Castro, reagierte darauf 2003, als er Aznars außenpolitisches Auftreten in Lateinamerika auf das Maß eines »Führercitos« (Führerchen) zurechtstutzte.

Der heutige Premier José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) und sein Außenminister Miguel Angel Moratinos versuchen seit 2004, die Folgen von Aznars einseitiger Diplomatie zu korrigieren. Einerseits möchten sie eine neue spanische Selbständigkeit zwischen der EU und den USA erreichen. So erklärt sich, warum Madrid »Samthandschuhe« anzieht, wie die FAZ (10.8.) kritisierte, wenn es sich Venezuela, Kuba, Bolivien und Nicaragua nähert. Deshalb hat Moratinos den Putsch in Honduras als solchen verurteilt. Was die FAZ als »Sehschwierigkeiten auf dem linken Auge« diagnostiziert, ist Zapateros Versuch, Spanien in die Rolle des »ehrlichen Maklers« zu manövrieren, um damit angesichts von Wirtschaftskrise und Baskenproblem innenpolitisch zu punkten.

Andererseits gibt es Bemühungen, die durch den Rückzug der spanischen Besatzertruppen aus dem Irak tiefgefrorenen Beziehungen zu den USA wieder aufzutauen. Nach Aznars aggressiver Diplomatie setzt die Regierung Zapatero auf die Brandtsche Politik vom »Wandel durch Annäherung«. De facto unterstützt sie aber die US-Honduras-Politik, die Rückkehr des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya bis zur Präsidentenwahl im November hinauszuzögern, indem sie es bei Worten und Gesten beläßt.

Selbst das mißfällt der postfranquistischen Oppositionspartei PP, die spätestens 2012 zurück an die Regierung will. Damit Zapatero nicht ab 2010 die EU-Präsidentschaft für seine Außenpolitik nutzen kann, bringt die PP ihre mittel- und osteuropäischen Verbündeten in Stellung. Diese geben in Brüssel den antikommunistischen Ton gegenüber Havanna und Caracas an. In den Chor hat auch die FDP eingestimmt. Deren Kritik an der spanischen Lateinamerika-Politik wird noch lauter und nachhaltiger, wenn die Liberalen nach der Bundestagswahl ihre alte Domäne, das Auswärtige Amt, zurückerhalten.

* Aus: junge Welt, 21. August 2009


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