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Brachland besetzt

Andalusien: Erwerbslose okkupieren staatliche Finca. Privatisierung soll verhindert werden

Von Carmela Negrete, Palma del Río *

In den Dörfern rund um die andalusische Finca Somontes, zwischen Córdoba und Sevilla gelegen, machten sich am Sonntag morgen (4. März) zahlreiche Menschen bepackt mit Tortillas und mit Chorizo belegten Broten und Kühltaschen mit ausreichend Wasser auf einen langen Fußmarsch. Um elf Uhr vormittags trafen sich schließlich rund 500 Landarbeiter auf einem 300 Hektar großen Grundstück mit brachliegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen. Bislang befindet sich dieses Gelände in öffentlichem Eigentum, doch die andalusische Regierung will verkaufen. Am Montag endete die Frist zur Einreichung von Angeboten, die Versteigerung soll noch in diesem Monat erfolgen. Dagegen protestieren die zumeist erwerbslosen Landarbeiter, indem sie die Finca besetzten. »Die Regierung verkauft das öffentliche Eigentum der Andalusier, das wir brauchen, um Arbeitsplätze zu schaffen«, erklärte der Sprecher der Andalusischen Arbeitergewerkschaft (SAT), Diego Cañamero, gegenüber jW.

Das Landgut gehörte dem inzwischen aufgelösten Institut für die Agrarreform. Es war in den ersten Jahren nach dem Ende der Franco-Diktatur geschaffen worden, jedoch schon kurz darauf von den verschiedenen andalusischen Administrationen vernachlässigt worden. Unterdessen wurde der fruchtbare Boden der Region in den Händen der Großgrundbesitzer konzentriert. Fast die Hälfte der Anbauflächen in der autonomen Gemeinschaft gehören zu Lati­fundien, die von der Europäischen Union subventioniert werden. Juan Manuel Sánchez Gordillo, der ebenfalls der SAT sowie der Vereinigten Linken (IU) angehört und Bürgermeister der seit Jahrzehnten links regierten Ortschaft Marinaleda ist, kritisiert: »Die EU-Subventionen werden nach der Hektarzahl und nicht nach der Produktivität berechnet. So fließen Gelder für Flächen, die gar nicht bewirtschaftet werden. Die Herzogin von Alba, die größte Grundbesitzerin Andalusiens, erhält bislang drei Millionen Euro jährlich von der EU, und jetzt soll sie sogar sechs Millionen bekommen. So wird der Großgrundbesitz gefördert, die EU unterstützt die Landbesitzer und die multinationalen Konzerne.«

Auch auf der jetzt besetzten Finca liegen viele Hektar fruchtbaren Bodens brach. Für die Landarbeiter ist die Antwort klar: »Wir wollen auf der Finca bleiben. Wir brauchen sie nicht als Besitz, sie kann weiter öffentliches Eigentum der Junta von Andalusien bleiben, aber wir wollen sie bewirtschaften dürfen. Wir wollen hier Bohnen, Knoblauch, Artischocken und Spargel anbauen«, unterstrich María del Mar, eine Arbeiterin aus dem benachbarten Dorf Posadas. In ihrem Heimatort betrage die Erwerbslosigkeit 40 Prozent, während die Grundbesitzer vor allem schlecht bezahlte Immigranten beschäftigen und viele Hektar brachliegen lassen, weil sich deren Bewirtschaftung für sie nicht rentiert. »Zudem hat die Dürre die Zahl der Arbeitstage sinken lassen. Es gibt weniger Obst und Gemüse, die in dieser Saison geerntet werden können.«

Die unter den Landarbeitern Andalusiens stärkste Gewerkschaft SAT fordert die Bildung von Kooperativen, um die bislang unbenutzten Flächen zu bewirtschaften. Die Landwirtschaft sei einer der Motoren der regionalen Wirtschaft, betonten Sprecher der Organisation. Deshalb laute die Forderung: »Das Land denen, die es bearbeiten!« Die Aktion in Somontes sei nur der Anfang einer Reihe von Landbesetzungen, wie es sie bereits in den 70er Jahren, nach dem Tod des Diktators Francisco Franco, gegeben hatte. Einige der damals entstandenen Kooperativen arbeiten bis heute, so El Humoso in Marinaleda bei Sevilla.

»Auf diesem Landgut werden wir bleiben« und »Hier kriegt ihr uns nicht weg« schallte es einem Polizisten entgegen, der die Anweisung hatte, nicht einzugreifen. Bewegungslos beobachtete er, wie die Besetzer nach dem langen Fußmarsch von der Straße zum Gutshaus ihr mitgebrachtes Essen auspackten. Die Arbeiter beschlossen, hier auch zu übernachten und die Besetzung zumindest bis Donnerstag aufrechtzuerhalten.

* Aus: junge Welt, 6. März 2012


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