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"Heroischer Erfolg"

Katalanen stimmten symbolisch für Unabhängigkeit von Spanien

Bei einer symbolischen Volksabstimmung in Katalonien haben die Teilnehmer mit überwältigender Mehrheit für Unabhängigkeit der wirtschaftsstärksten Region Spaniens votiert.

Allerdings blieb die Beteiligung weit hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. Nach den am Montag veröffentlichten Ergebnissen gaben nur 27,2 Prozent der 700 000 Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Davon votierten 94,7 Prozent für eine Loslösung der Region von Spanien und die Gründung eines unabhängigen katalanischen Staates. 3,5 Prozent stimmten gegen die Unabhängigkeit. Das Ergebnis der Abstimmung hat rechtlich keinerlei bindende Wirkung, da nach der spanischen Verfassung allein der Zentralstaat Referenden abhalten darf. Die Madrider Regierung erkennt den Ausgang nicht an. Der spanische Vizeregierungschef Manuel Chaves bezeichnete die Abstimmung als einen »politischen Propagandaakt«.

In insgesamt 166 Städten und Gemeinden in der nordostspanischen Region waren die Bewohner am Sonntag zur Stimmabgabe aufgerufen, Jugendliche über 16 Jahre und Ausländer eingeschlossen. Sie sollten die Frage beantworten, ob sie dafür oder dagegen sind, dass Katalonien einen unabhängigen Staat bildet und ein eigenständiges Mitglied der Europäischen Union wird. Die Abstimmung war von privaten Initiativen organisiert worden. Die Rathausverwaltungen durften sich nicht daran beteiligen. Die Veranstalter hatten nach inoffiziellen Angaben auf eine Beteiligung von 40 Prozent gehofft. Sie bezeichneten die Abstimmung dennoch als »heroischen Erfolg« und kündigten an, über ein Volksbegehren im kommenden Jahr die Abhaltung eines Unabhängigkeitsreferendums in ganz Katalonien durchsetzen zu wollen.

Katalonien versteht sich auf der Grundlage seines im Jahr 2006 verabschiedeten Autonomie-Statuts als eine »Nation«. Flächenmäßig ist die Region etwa so groß wie Belgien und hat mit 7,4 Millionen Menschen mehr Einwohner als Dänemark oder Finnland. Die katalanische Sprache war während der Franco-Diktatur (1939-1975) unterdrückt worden. Sie wird außer in Katalonien selbst auch in der Region Valencia, auf den Balearen und im Pyrenäen-Kleinstaat Andorra gesprochen.

Laut Medien sind die Separatisten dennoch in der Minderheit. »Wir befinden uns nicht am Vorabend der katalanischen Unabhängigkeit«, lautete das Fazit der Zeitung »La Vanguardia«. »Wir werden auch weiterhin mit der komplexen Realität leben müssen, dass in Katalonien die Leute sich überwiegend mehr als Katalanen denn als Spanier fühlen, aber keine Separatisten sind«, meint der Kolumnist Joan Tapia.

Allerdings könnte der Separatismus schon bald neuen Auftrieb bekommen. Das spanische Verfassungsgericht wird in Kürze entscheiden, ob das Autonomie-Statut von 2006 verfassungsgemäß ist. Dieses Statut war vom katalanischen und spanischen Parlament sowie von den Katalanen in einem Referendum verabschiedet worden. Die Verfassungsrichter schieben die Entscheidung seit drei Jahren vor sich her. Eine Mehrheit unter ihnen soll dazu neigen, Teile des Autonomie-Statuts als verfassungswidrig zurückzuweisen.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Dezember 2009


2:0 für Katalonien

Von Ralf Streck **

In über 160 Gemeinden Kataloniens wurde am Sonntag darüber abgestimmt, ob die Region unabhängig von Spanien sein sollte. Insgesamt 95 Prozent der Teilnehmer haben sich für die Abtrennung ausgesprochen. Auch wenn sich nur ein Drittel der Stimmberechtigten beteiligte – 200 000 Menschen haben so demonstriert, dass knapp 300 Jahre nach dem Fall von Barcelona, der Katalonien 1714 unter die spanische Krone brachte, die Unabhängigkeitsbestrebungen stärker werden.

Das hat gute Gründe. 2005 verabschiedete das katalanische Parlament mit 90 Prozent der Stimmen das neue Autonomiestatut. Entgegen der Zusicherung der regierenden Sozialisten wurde es auf dem Weg durch die Instanzen jedoch »abgehobelt«. Der Begriff »Nation« blieb ebenso auf der Strecke wie das Finanzierungsmodell nach baskischem Vorbild. So warten die Katalanen weiter auf mehr Geld. Pro Kopf zahlen sie überdurchschnittlich viel an den spanischen Staat, aber es wird unterdurchschnittlich in der Region investiert. Obwohl das verwässerte Statut trotzdem per Referendum in Katalonien angenommen wurde, liegt es weiter in Madrid auf Eis. Die rechte Volkspartei legte Verfassungsbeschwerde dagegen ein. Offensichtlich will man den Katalanen Rechte vorenthalten, die anderen Regionen gewährt werden.

Auch viele prominente Katalanen haben von der Verzögerungstaktik inzwischen die Nase voll. So unterstützt der Präsident des FC Barcelona, Joan Laporta, die Initiativen zur Unabhängigkeit. Sein Klub gewann am Tag der Abstimmung das Lokalderby gegen den »Königlich Spanischen Sportverein« Barcelonas. Damit steht es nun 2:0 für Katalonien.

** Aus: Neues Deutschland, 15. Dezember 2009 (Kommentar)


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