Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Spaniens Justiz bringt PP in Bedrängnis

Valencias rechtskonservativer Regierungschef Francisco muss wegen Korruption vor Gericht

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Es wird eng um den Regierungschef der südspanischen Region Valencia. Der Oberste Gerichtshof der Region hat entschieden, dass sich auch der gerade im Amt bestätigte Francisco Camps wegen Korruption vor Gericht verantworten muss.

Francisco Camps ist nicht allein: Mit anderen Führungsmitgliedern der Volkspartei (PP) muss der Regierungschef von Valencia demnächst auf der Anklagebank Platz nehmen. Der Oppositionsführer Mariano Rajoy (PP) kommt damit vor den anstehenden Parlamentswahlen durch den wohl größten Korruptionsskandal der Parteigeschichte unter Druck. Rajoy hat sich stets hinter seinen Parteifreund gestellt und obwohl die Korruptionshinweise erdrückend waren wurde Camps vor den Wahlen im Mai erneut von der PP aufgestellt.

Als Lügner ist Camps schon überführt. Zwei Jahre lang hatte er behauptet, Luxus-Maßanzüge im Gesamtwert von 14 131 Euro in bar bezahlt zu haben. Angesichts der Ermittlungen änderte er aber plötzlich in der vergangenen Woche seine Version vollständig. Er behauptete nun, dass er 25 Kleidungsstücke als Privatperson und nicht als Regierungschef geschenkt bekommen habe. »Geschenke« wären nicht strafbar. In jedem normalen Land würde er schon aus dem Grund der überführten Lüge zurücktreten – nicht so in Spanien.

Dem prozesstaktischen Schwenk schenkte auch der Ermittlungsrichter José Flors keinen Glauben. Notwendig wurde der, weil auch der Informatiker Francisco Ferre des Herrenausstatters »Forever Young« in der spanischen Hauptstadt Madrid bestätigte, dass er gezwungen worden sei, Rechnungen zu fälschen und Hinweise auf Camps zu löschen. Statt der Kundennummer von Camps (394) wurde die von Álvaro Pérez, alias »El Bigotes« (571) eingetragen. Dessen Firma Orange Market nimmt im Korruptionsskandal um den Unternehmer Francisco Correa eine zentrale Rolle ein. Stets hatte der Schneider von Forever Young erklärt, Camps habe nie sein Portemonnaie gezückt. »Nicht eine Pesete« habe er bezahlt, hat José Tomás vor dem Richter bestätigt. Er war nach seinen Aussagen zu Beginn des Skandals entlassen worden, bekam aber vor Gericht längst eine hohe Entschädigung zugesprochen.

Weil Correa auf deutsch übersetzt Gürtel heißt, wurden die Ermittlungen einst unter dem Decknamen »Gürtel« geführt. Vermutet wird, dass sich dahinter eine illegale Parteienfinanzierung verbirgt. Der PP-Schatzmeister Luis Bárcenas, der von Correa 1,35 Millionen Euro erhalten haben soll, musste schon zurücktreten. Viele fragen sich, ob sich Rajoy und seine Führungsmannschaft so demonstrativ hinter Camps stellen, weil sie die Vorgänge gekannt haben.

Darauf weisen auch abgehörte Gespräche hin. So hatte sich der Ex-Organisationssekretär der PP in Galicien gegenüber seinem Anwalt besorgt über die Auslandskonten in der Schweiz gezeigt.

Nach seiner Inhaftierung wies Pablo Crespo seinen Anwalt an, diese Konten aufzulösen. Er sagte, die Buchhaltung stelle die Partei vor »große juristische Probleme«. Dort fänden sich »Einnahmen«, deren Herkunft nicht verzeichnet sei. So spielt die Region Galicien, aus der Rajoy stammt, eine wichtige Rolle in der Affäre.

Vor dem Ermittlungsrichter hatte Correa erklärt, unter der PP-Regierung von José María Aznar zwischen 1996 und 2004 zum Beispiel Aufträge der staatlichen Flughafenbehörde AENA in Millionenhöhe erhalten zu haben. Insgesamt sollen Hunderte Millionen Euro aus öffentlichen Aufträgen als Gegenleistung für die Dienste Francisco Correas in sein Firmennetz geflossen sein. In all diese Vorgänge wird Licht vor den kommenden Parlamentswahlen fallen, in denen Rajoy spanischer Ministerpräsident werden will.

* Aus: Neues Deutschland, 19. Juli 2011


Zurück zur Spanien-Seite

Zurück zur Homepage