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Anlässlich des 75. Jahrestags der Bombardierung Gernikas:

Eine zweite Geste des Friedens

Von Ingo Niebel und Uschi Grandel *

Am 26. April 1937 zerstörte die deutsche Legion Condor zusammen mit italienischen Fliegern zur Unterstützung des spanischen Putschgenerals Franco die baskische Stadt Gernika (span. Guernica). Die Bomben vernichteten den Ort, der für Basken Bürgerrechte, Mitbestimmung und Freiheit repräsentiert.

Den Bomben folgte die fast 40-jährige Franco-Diktatur, die ihre Gegner zu Tausenden exekutieren ließ. Baskische Kultur und Sprache wurden verfolgt und sollten vom Erdboden verschwinden.

Das Bild „Guernica“, das Picasso nur wenige Wochen nach der Zerstörung Gernikas malte, erinnert an dieses schreckliche Verbrechen. Auf versöhnende Worte deutscher offizieller Stellen mussten die Basken indes lange warten. Noch Anfang 1997 weigerte sich der Deutsche Bundestag explizit, sich für die Zerstörung Gernikas zu entschuldigen.

Bundesverdienstkreuz für Franco-Minister

Stattdessen war im Jahr 1969 Manuel Fraga Iribarne, einem langjährigen Minister Francos, vom damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen worden. Der Herausgeber der Frankfurter Rundschau Karl Gerold gab aus Protest sein eigenes Bundesverdienstkreuz zurück und schrieb in der Frankfurter Rundschau von 1969 unter der Überschrift „Gewogen und zu leicht befunden“:

„Die Wahrheit (ist), dass Franco nur mit Hilfe der deutschen Faschisten siegen konnte. Die Wahrheit (ist), dass diese `schöne‘ Bundesrepublik … heute zwar nicht Condor-Legionen und Heulbomben schickt, sondern einen hohen Orden für einen francistisch-faschistischen Minister.“

Eine erste Geste des Friedens

Zum 60. Jahrestag der Bombardierung setzte Bundespräsident Roman Herzog ein erstes Zeichen der Versöhnung und wandte sich in einem Brief an die Überlebenden: „Ich möchte mich der Vergangenheit stellen und mich zur schuldhaften Verstrickung deutscher Flieger ausdrücklich bekennen“, schrieb das deutsche Staatsoberhaupt und bat diejenigen, „die die Wunden der Vergangenheit noch in sich tragen“ um Versöhnung.

Die politische Gewalt im Baskenland dauert bis in die Gegenwart an. In den vergangenen zwei Jahren hat die baskische Gesellschaft wesentliche Schritte unternommen, um das Fundament für einen Friedensprozess zu legen. Erfahrene Konfliktvermittler stehen ihr dabei zur Seite. An der zentralen internationalen Konferenz am 17. Oktober 2011 in Donostia (spanisch: San Sebastian) zur Beilegung des Konflikts zwischen dem Baskenland, Spanien und Frankreich nahmen u.a. der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, die ehemaligen Regierungschefs von Irland und Norwegen, Bertie Ahern und Gro Harlem Bruntland, und der Verhandlungsführer im Nordirland-Konflikt Gerry Adams aus Irland teil. US-Präsident Jimmy Carter, der britische Ex-Premier Tony Blair und der US-Senator George Mitchell unterstützen die Friedensbemühungen ebenfalls.

Ende des spanisch-baskischen Konflikts zum Greifen nahe

Die gemeinsamen Anstrengungen resultierten in der als „Erklärung von Aiete“ bekannt gewordenen Abschlusserklärung. Als Reaktion auf die Friedenskonferenz stellte die Untergrundorganisation ETA am 20. Oktober 2011 ihren bewaffneten Kampf definitiv ein. Somit existieren solide Grundlagen für eine Verhandlungslösung, die zu einem gerechten und dauerhaften Frieden führen kann. Heute, 75 Jahre nach der Bombardierung Gernikas, ist das Ende des letzten bewaffneten Konflikts in Europa zum Greifen nahe.

Blockiert wird diese Entwicklung von der spanischen Regierung unter Führung von Mariano Rajoy, dessen rechte Partido Popular (PP, Volkspartei) bei den spanischen Parlamentswahlen im November 2011 die absolute Mehrheit gewann. Gegründet wurde die Partei 1976 als Alianza Popular von dem oben erwähnten Bundesverdienstkreuzträger und langjährigen Franco-Minister Manuel Fraga Iribarne. Noch heute lehnt die PP eine Verurteilung des Franco-Regimes und seiner Verbrechen ab und weigert sich, den politischen Konflikt im Baskenland überhaupt als solchen anzuerkennen. Ein Selbstbestimmungsrecht, wie es die überwältigende Mehrheit der baskischen Bevölkerung fordert, und die Anerkennung eigener Schuld ist der spanischen Rechten ein Graus.

Eine zweite Geste des Friedens

Aus Deutschland kam als erstes offizielles Zeichen der Versöhnung und der Anerkennung deutscher Schuld der Brief des Bundespräsidenten Roman Herzog in Gernika an. Schon lange zuvor haben sich einzelne Personen und Organisationen wie Petra Kelly von den Grünen, der Kulturverein Gernika oder die Stadt Pforzheim, die eine Städtepartnerschaft mit Gernika verbindet, gegen das Vergessen engagiert.

Eine aktive Unterstützung des Friedensprozesses im Baskenland und der Erklärung von Aiete wäre ein starkes und positives Zeichen der Versöhnung, das die deutsche Politik, aber auch jeder Einzelne setzen kann. Es wäre eine zweite Geste des Friedens mit Gernika.

Dr. Ingo Niebel, geboren 1965 in Köln, ist Historiker und freier Journalist. Er lebt und arbeitet in Köln und Gernika/Guernica. Seit den 1990er Jahren arbeitet er für unterschiedliche baskische Medien, darunter als Deutschland-Korrespondent für die Zeitung „Gara“.

Dr. Uschi Grandel, geboren 1960 in Ulm, ist Physikerin und arbeitet neben ihrem Beruf unregelmässig als freie Journalistin zur Konfliktlösung im Baskenland und in Nordirland.

Quelle: Website der "Euskal Herriaren Lagunak – Freundinnen und Freunde des Baskenlands"; www.info-baskenland.de



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