Gernika kämpft gegen das Vergessen
75 Jahre nach der Zerstörung durch die Legion Condor hat sich Spanien nicht zu seiner Schuld bekannt
Von Ralf Streck, San Sebastián *
Die baskische Kleinstadt Gernika (spanisch: Guernica) gedenkt am heutigen Donnerstag der Zerstörung der Stadt vor 75 Jahren.
Die spanischen Putschisten, die sich im Juli 1936 gegen die Republik erhoben hatten, ließen am 26. April 1937 das Wahrzeichen der Basken von der deutschen Legion Condor und der italienischen Luftwaffe dem Erdboden gleichmachen. Die faschistischen Mächte Deutschland und Italien hatten auf Seiten der spanischen Generale in den Bürgerkrieg eingegriffen. Die Stadt wurde zum Synonym für den »totalen Krieg« und für Flächenbombardements, die im Baskenland erprobt wurden. Der Terror richtete sich gegen die unbewaffnete Zivilbevölkerung, die sich an diesem Markttag in Gernika aufhielt, deren Widerstandskraft- und willen sollten gebrochen werden.
Zu den Gedenkakten gehört auch die Verleihung des Friedenspreises »Gernika«. Unter anderen wird der »Preis für Frieden und Versöhnung« an den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog vergeben. 1998 erkannte er erstmals die deutsche Mitschuld an dem Kriegsverbrechen an: »Ich möchte mich der Vergangenheit stellen und mich zur schuldhaften Verstrickung deutscher Flieger ausdrücklich bekennen.« Den Überlebenden des Angriffs bot er seine »Hand mit der Bitte um Versöhnung« an, was die Basken Deutschland hoch anrechnen.
Denn Spanien ist auch 75 Jahre danach noch immer nicht bereit, die Schuld anzuerkennen und Schritte zur Versöhnung zu gehen. Von der regierenden Volkspartei (PP), die sich nie vom Putsch und von den fast 40 Jahren brutaler Diktatur distanziert hat, ist das kaum zu erwarten. Sie wurde von Manuel Fraga Iribarne gegründet, der 1962 bis 1969 Informations- und Tourismusminister der Franco-Diktatur war. Iribarne war bis zu seinem Tod im Januar dieses Jahres Ehrenpräsident der PP und Mentor von Ministerpräsident Mariano Rajoy.
Aber die Sozialisten (PSOE) haben ebenso in ihren Regierungszeiten sowohl den 50. als auch den 70. Jahrestag ungenutzt verstreichen lassen. Auch die PSOE-Regierung verhinderte vor fünf Jahren, dass Pablo Picassos »Guernica« im Baskenland ausgestellt werden kann.
Mit seinem wohl berühmtesten Gemälde hat er das Grauen der Bombardierungen in das Gedächtnis der Welt geprägt. Obwohl es schon in Städten wie Paris und New York sowie in Madrid im Museum Prado zu sehen war und nun im Madrider Reina Sofía ausgestellt ist, wurden nun erneut die Forderungen abgelehnt, es im Baskenland zu zeigen.
Als Ausrede führte Kultusminister José Ignacio Wert im März den »Konservierungszustand« an, weshalb »jeder Transport« ein »Risiko« darstelle.
Statt Versöhnung sieht man es im Baskenland als »Provokation«, dass am Dienstag das spanische Militär Übungen in Elgeta veranstaltete. An dem Tag beging auch dieses Dorf den 75. Jahrestag seiner Bombardierung.
Es fiel damals nach sieben Monaten Widerstand in die Hände der Putschisten, die »freie Hand zum Mord und Vergewaltigung« bekamen, wie Bürgermeister Oxel Erostarbe erinnerte. Praktisch alle Männer im Dorf wurden erschossen, wovon Massengräber zeugen. »Ohne um Verzeihung gebeten zu haben, kommen sie genau an diesem Tag wieder bewaffnet nach Elgeta«, empörte er sich.
Gernika steht zwar als das Symbol für Flächenbombardements, doch teilten dieses Schicksal auch andere Städte.
Schon im März wurde das baskische Durango bombardiert, und kurz vor der Bombardierung Gernikas wurden die Städte Eibar und Ermua weitgehend zerstört und Hunderte Menschen ermordet.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 26. April 2012
"Bis heute bombardiert"
Gernika gedachte des 75. Jahrestages seiner Zerstörung durch Franco und Hitler. Streit um Picassos berühmtes Gemälde
Von Stefan Natke **
Das deutsche Auswärtige Amt hat 75 Jahre nach der Bombardierung der baskischen Stadt Gernika am 26. April 1937 einen Gedenkstein für die Piloten der deutschen »Legion Condor« auf dem Almudena-Friedhof in Madrid entfernen lassen. Das berichtete am Donnerstag der Kölner Stadt-Anzeiger. Das Blatt hatte sich beim Ministerium von Guido Westerwelle nach dem Stein erkundigt, dessen Inschrift lautete: »Hier ruhen deutsche Flieger gefallen im Kampfe für ein freies Spanien.« Inzwischen wurde der Text offenbar auf Druck aus Berlin gelöscht. »Die Aufschrift ignorierte die Leiden der Opfer, die der Einsatz der Legion im spanischen Bürgerkrieg insbesondere auch unter der spanischen Zivilbevölkerung gefordert hat«, teilte das Ministerium der Kölner Zeitung mit.
Unterdessen warteten die Menschen in Gernika auch am Jahrestag des Verbrechens vergeblich auf ein Schuldeingeständnis der spanischen Regierung. Bis heute verweist Madrid auf eine angebliche Alleinverantwortung der Hitlertruppen für den Angriff, der Hunderte Menschenleben gekostet hatte und leugnet, daß dieser auf die Kriegsplanungen der Franco-Faschisten zurückgegangen war. So zitierte die baskische Tageszeitung Gara am Donnerstag Spaniens Bildungs- und Kulturminister José Ignacio Wert von der postfranquistischen Volkspartei (PP) mit den Worten, der Bürgerkrieg »war ein Testfeld für deutsche Rüstung«. Bis heute hat sich kein spanischer Regierungschef für die Bombardierung Gernikas bei seinen Bürgern entschuldigt.
»Gernika wird immer noch bombardiert, heute zwar nicht mehr mit Fliegerbomben und Granaten, aber medial und politisch«, kommentierte dies gegenüber junge Welt Julen Martínez, der für das Linksbündnis BILDU im Kommunalparlament der geschundenen Stadt sitzt. Er erinnerte daran, daß im vergangenen Jahr mit dem Abkommen von Gernika Bewegung in den seit Jahrzehnten anhaltenden baskisch-spanischen Konflikt gebracht werden konnte und die Untergrundorganisation ETA daraufhin im Oktober 2011 die Waffen niederlegte. Trotzdem verleumden rechte Blätter wie ABC die an den politischen Bemühungen beteiligten Organisationen noch immer als »terroristisch«.
Bis heute vergeblich fordert Gernika zudem, daß das weltberühmte Bild von Pablo Picasso mit dem in spanischer Sprache gewählten Titel »Guernica«, das die in dem kleinen baskischen Städtchen von den Faschisten angerichteten Gräueltaten in bestürzend eindrucksvoller Weise widerspiegelt, an dem Ort ausgestellt wird, den es thematisiert. Stattdessen befindet es sich in Madrid, der Hauptstadt des Franco-Nachfolgers als Staatschef Spaniens, Köng Juan Carlos de Borbón. Franco hatte diesen am 25. August 1948 als seinen Nachfolger bestimmt und damit auch die Monarchie als Staatsform festgelegt. Nun läßt dieser das Bild wie zum Hohn im Museum »Reina Sofia«, das den Namen seiner Gattin trägt, ausstellen, wo es als Touristenmagnet enorme Summen in die Kassen Madrids spült. Den Einwohnern Gernikas hingegen wurde arrogant beschieden, sie seien nicht in der Lage, dieses wertvolle Stück sicher genug zu verwahren.
1969 hatte Picasso über seinen Rechtsanwalt Roland Dumas mitteilen lassen, Guernica werde »nur in ein Spanien mit einer Republik zurückkehren«. Zuvor hatten die Behörden Franco-Spaniens sich darum bemüht, das berühmte Gemälde nach Madrid zu holen. Ein Jahr später schrieb Picasso in einem Brief an das Museum of Modern Arts in New York, das das Gemälde ausstellte, es dürfe erst an Spanien zurückgegeben werden, »wenn die öffentlichen Freiheiten wiederhergestellt sind«.
Nach Ansicht der Einwohner Gernikas sind diese Vorgaben Picassos bis heute nicht erfüllt. Deshalb sammelten sie im vergangenen Jahr innerhalb von anderthalb Monaten mehr als 10000 Unterschriften dafür, das Bild dort zu beheimaten, wo es aus moralischen Gründen unbedingt hingehört: in Gernika.
** Aus: junge Welt, Freitag, 27. April 2012
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