Francos Erben
Spaniens Regierungspartei PP wurde von den Eliten der Diktatur gegründet. Das ist bis heute spürbar
Von André Scheer *
Trotz der Wirtschaftskrise und Mittelkürzungen in allen Bereichen hat die spanische Regierung für spezielle Anliegen noch genügend Geld. Wie die Nachrichtenagentur EFE in der vergangenen Woche berichtete, läßt Patrimonio Nacional – die Behörde, die für Gebäude und andere Objekte zuständig ist, die vom Staat und der Königsfamilie bei offiziellen Anlässen genutzt werden – derzeit eine Restaurierung des »Valle de los Caídos« vorbereiten, . Das »Nationalmonument des Heiligen Kreuzes im Tal der Gefallenen« ist die Grabstätte des Diktators Francisco Franco und des Gründers der faschistischen Falange-Partei, José Antonio Primo de Rivera. Errichtet wurden das Denkmal und die in einen Berg getriebene Kirche für rund 30000 im Krieg getötete Faschisten ab 1940 durch 20000 zur Zwangsarbeit getriebene politische Gefangene. Für Spaniens Neonazis ist der Ort heute ihre wichtigste Wallfahrtsstätte. Als im November 2008 jedoch die damalige Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero das Denkmal wegen des baulichen Zustands der Skulpturen schließen ließ, waren es nicht nur die offenen Faschisten, die dagegen protestierten, sondern auch die als konservativ geltende Volkspartei (PP). Unter der von ihr geführten Regierung des Ministerpräsidenten Mariano Rajoy soll dem Faschistentempel nun also wieder der alte Glanz zurückgegeben werden.
Überraschend ist das nicht, reichen die Wurzeln der PP doch direkt in die Spätphase der Diktatur zurück. Wenige Monate nach dem Tod Francos am 20. November 1975 wurde in Spa¬nien die Neugründung politischer Parteien zugelassen. Auf der linken Seite konnten die schon im Untergrund noch oder wieder aktiven Parteien in die Legalität zurückkehren. Die Rechte sah sich hingegen zu einer Neuaufstellung gezwungen. Auf der einen Seite gab es traditionalistische Faschisten wie Blas Piñar López, der mit seiner Partei Fuerza Nueva (Neue Kraft) gegen jede Demokratisierung auftrat. Ein solche offen faschistische Kraft war im Europa der 70er Jahre jedoch nicht angesagt. Deshalb engagierten sich unter anderem der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Joseph Strauß und die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung für eine Sammlung der »modernen« Rechten.
Im Oktober 1976 vereinigten sich sieben rechte Parteien, von denen sechs durch ehemalige Minister der Franco-Diktatur geführt wurden, zur Volksallianz (AP). An ihre Spitze trat Manuel Fraga Iribarne, der von 1962 bis 1969 spanischer Tourismus- und Informationsminister gewesen und unmittelbar nach Francos Tod zum Vizeregierungs¬chef und Leiter des Innenressorts ernannt worden war. In seine Amtszeit fiel das Massaker von Vitoria-Gasteiz, wo die Polizei im März 1976 fünf streikende Arbeiter erschoß und etwa 100 weitere verletzte.
Die AP blieb zunächst eine Minderheitspartei am rechten Rand des parlamentarischen Spektrums. Bei der ersten demokratischen Wahl 1977 erreichte sie bescheidene 8,2 Prozent, bei der zweiten 1979 sogar nur 6,1 Prozent, obwohl sie mit anderen Parteien ein Bündnis gebildet hatte. Erst 1982, nach dem Niedergang der zentristisch-konservativen UCD, wurde die AP mit gut 26 Prozent der Stimmen zur führenden Kraft der spanischen Rechten – blieb aber weit entfernt von einer Mehrheit gegen die Sozialdemokraten. Nach schweren internen Krisen gründeten Fraga und der aufstrebende neue Hoffnungsträger José María Aznar deshalb 1989 anstelle der bis dahin noch immer bestehenden Föderation formell unabhängiger Vereinigungen die neue Volkspartei (PP) als einheitlicher Organisation. Kurz darauf übernahm Aznar die Führung der Partei, während Fraga, von 1990 bis 2005 Chef der galicischen Regionalregierung, zum Ehrenpräsidenten der PP ernannt wurde. Heute trägt die Bildungsstiftung der Partei den Namen des im Januar 2012 verstorbenen Altfaschisten.
Aznar bemühte sich unterdessen durchaus erfolgreich, die PP einerseits als demokratisch geläuterte »Partei der Mitte« zu präsentieren, andererseits aber Heimstatt der alten franquistischen Ideologie vom »einheitlichen, großen Spanien« zu bleiben. So lehnte er in seinem 1991 veröffentlichten Buch »Libertad y solidaridad« (Freiheit und Solidarität) den »Staat der Autono¬mien«, die Selbstverwaltung der Regionen wie Katalonien oder Baskenland. Zudem relativierte er die Diktatur, die »nicht faschistisch« gewesen sei. Die Forderung nach Aufarbeitung des Franquismus verurteilte er als »historischen Masochismus« und bezichtigte die Sozialdemokraten, »die einzige Linke in der entwickelten Welt« zu sein, »die nicht an die eigene Nation glaubt«. Noch als Regierungschef würdigte er 1998 den chilenischen Diktator Augusto Pinochet als »eine Persönlichkeit, die zur Geschichte Chiles und seinem Modell politischer Transition gehört«.
Erst im November 2002 verurteilte die PP zum ersten Mal die Franco-Diktatur, als sie im spanischen Parlament einem Antrag der Linken und der Regionalparteien zustimmte, in dem die Gesellschaft zur »moralischen Anerkennung« der Opfer des Bürgerkriegs und der Repression unter der faschistischen Herrschaft aufgefordert wurde. Doch solche Einsicht war von kurzer Dauer. Im vergangenen Jahr verweigerte die PP im Parlament einem Antrag die Zustimmung, durch den die Königliche Akademie für Geschichte aufgefordert wurde, ein von ihr herausgegebenes biographisches Wörterbuch zu korrigieren, in dem Franco als »autoritär«, aber nicht als Diktator bezeichnet wurde. Nahezu zeitgleich sorgte die neugewählte PP-Bürgermeisterin des valencianischen Elche, Mercedes Alonso, dafür, daß eine Straße im Stadtzentrum wieder den Namen eines der letzten franquistischen Bürgermeister bekam, während ein Park, der nach der legendären Kommunistin »La Pasionaria«, Dolores Ibárruri, benannt worden war, nun »Garten der Argentinischen Republik« heißt.
* Aus: junge Welt, Donnerstag, 16. August 2012
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