ETA in der Kritik von Gründervätern
Die baskische Untergrundorganisation begeht ihr Jubiläum mit Anschlägen in Burgos und Mallorca
Von Ralf Streck, San Sebastián *
Seit 50 Jahren gibt es die Untergrundorganisation »Baskenland und Freiheit«, besser bekannt als
ETA (Euskadi Ta Askatasuna). Die Anschläge von Burgos und Mallorca in dieser Woche zeigen,
dass sie trotz Schwächung immer noch zu tödlichen Anschlägen fähig ist.
Bisher hat sich der Optimismus der spanischen Regierung nicht bewahrheitet. Seit dem Entstehen
der ETA (Euskadi Ta Askatasuna) 1959 prophezeien die in Madrid Regierenden das baldige Ende
der baskischen Untergrundorganisation. Doch ungezählte Verhaftungen haben die ETA bestenfalls
geschwächt. Ihre operative Kraft ist offenbar intakt. Wenige Stunden nach einem Anschlag in Burgos
brachte sie am Donnerstag 1000 Kilometer südlich, auf Mallorca, zwei Beamte der Guardia Civil um.
In Calvià, wo auch der König seinen Urlaub verbringt, klebten die Attentäter zwei Bomben unter
Autos der Zivilgardisten. Eine explodierte, als Carlos Sáenz de Tejada und Diego Salvá Lezaun den
Wagen bestiegen. 28 und 27 Jahre alt, waren sie noch nicht einmal geboren, als zum Ende der
Franco-Diktatur 1975 eine Chance verpasst wurde, eine Lösung für Spaniens Konflikt mit den
Basken zu finden.
Die ETA will für ein freies, vereintes und sozialistisches Baskenland kämpfen. Bis jetzt sieht sie ihr
Land dreigeteilt, überdies in zwei Staaten. Die paramilitärische Guardia Civil ist für sie der Ausdruck
der Repression. Eine Guardia-Kaserne war deshalb am Mittwoch Ziel einer Autobombe in Burgos.
Dort wohnen die mit Polizeiaufgaben betrauten Militärs abgeschottet mit ihren Familien. 1844 als
Eliteeinheit gegründet, war die Guardia 1936 am Putsch gegen die Republik beteiligt und danach
eine Stütze der Diktatur. In den 80er Jahren war sie tief in den schmutzigen Krieg gegen die
baskische Linke verwickelt. Gardisten wie General Enrique Rodríguez Galindo wurden wegen Mord,
Folter und Entführung verurteilt. Längst begnadigt, tauchen sie nach wie vor jährlich in den
Folterberichten von Menschenrechtlern auf. Deswegen fühlt sich die ETA legitimiert, den Intimfeind
anzugreifen.
Lange hatten die Studenten, die am 31. Juli 1959 die ETA gründeten, von Gewaltaktionen Abstand
gehalten. Hervorgegangen war die ETA aus der Jugendorganisation »Ekin« (Machen), die sich 1953
von der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) getrennt hatte. Ihr Vorwurf: Die PNV kämpfe nicht
entschieden genug gegen die Diktatur. ETA-Gründer Luis Alvarez Enparantza (Txillardegi) sprach
von einer »traurigen Zeit«, weshalb seine Organisation den Basken nach 20 Jahren Diktatur wieder
Hoffnung geben wollte – was ihr gelang.
Zunächst hängte sie nur verbotene baskische Fahnen auf, organisierte Kurse in der verbotenen
Sprache und bemalte Hauswände. Im Sommer 1961 ließ sie einen Zug mit faschistischen
Bürgerkriegsveteranen entgleisen. Der erste tödliche Anschlag galt 1968 dem Folterchef der
Politisch-Sozialen Brigade, Melitón Manzanas. Danach radikalisierte sich die ETA, was 1974 zur
Spaltung in einen politisch-militärischen (ETA-pm) und einen militärischen Flügel (ETA-m) führte.
Der militärische Flügel baute auf Attentate, während der politisch-militärische Flügel auf
Massenaktivitäten, Streiks und Demonstrationen gegen die Diktatur setzte.
ETA-pm löste sich 1982 auf, weil sie nach dem Übergang zur Demokratie in Spanien keine Basis
mehr für den Kampf sah. Eines ihrer Mitglieder war Arnaldo Otegi, heute Sprecher der seit 2003
verbotenen Partei Batasuna (Einheit). In der Batasuna-Führung sitzt – nun im Gefängnis – auch der
Sohn Txillardegis. Die Partei hat stets versucht, eine Dialoglösung für den Konflikt zu finden. Zwei
Friedensprozesse wurden seit 1998 gestartet, zweimal wurde die ETA zu unbefristeten Waffenruhen
bewegt. Da Madrid keine Konzessionen machte, sondern den Druck durch neue Verbote erhöhte,
riss der ETA schnell der Geduldsfaden.
Wohl weiß jedermann, dass sie militärisch nicht gewinnen kann, doch die Repression füllt die Reihen
immer wieder auf. Die ETA wird weiter bestehen, auch wenn sie von Gründervätern wie Txillardegi
kritisiert wird. Mit seiner Kritik steht er in der Unabhängigkeitsbewegung nicht allein. Julen
Madariaga sagte gerade: »Jede bewaffnete Aktion, egal gegen wen, ist nicht akzeptabel und ist
heute kontraproduktiv für unser Unabhängigkeitsstreben.« Beide sind in der Partei Aralar organisiert,
die sich 2001 von Batasuna abspaltete, weil Batasuna ETA-Anschläge nicht verurteilt. Zwar halten
auch viele Batasuna-Mitglieder diese Gewalt für falsch, doch glauben sie, eine Verurteilung
schwäche und spalte die baskische Linke.
* Aus: Neues Deutschland, 1. August 2009
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