ETA sprengt den Friedensprozess
Madrid stoppt nach Attentat Basken-Gespräche
Von Ralf Streck, San Sebastian *
Mit einem großen Anschlag auf den Madrider Flughafen beendete die ETA am Sonnabend ihre
Waffenruhe. Die spanische Regierung setzte jetzt den baskischen Friedensprozess aus.
Was von vielen befürchtet wurde, hat sich schneller in Realität verwandelt als erwartet. Mit mehr als
einer halben Tonne Sprengstoff beendete die baskische Untergrundorganisation ETA am
Sonnabend ihre Waffenruhe und versetzte dem siechenden Friedensprozess einen weiteren
schweren Schlag. Mit drei Telefonaten hatte ein anonymer Anrufer vor der Bombe in dem Kleinbus
gewarnt, der im Parkhaus des Terminals 4 im Flughafen Barajas versteckt war. Gegen 9 Uhr
explodierte die Bombe wie angekündigt.
Zunächst wurde gemeldet, 24 Menschen seien nur leicht verletzt worden. Befürchtet wird nun, dass
die Trümmer des Parkhauses zwei Leichen verbergen. Zwei Ecuadorianer werden seit dem
Anschlag vermisst. Beide sollen in ihren Autos geschlafen haben.
Die Bestätigung, dass es bei einem Anschlag der ETA nach drei Jahren erstmals wieder Tote
gegeben haben könnte, kann noch lange dauern. Die Bergungsarbeiten gehen zwar weiter, es
konnten aber nur kleine Teile der 40 000 Tonnen Schutt beseitigt werden. Man dürfe die Hoffnung
nicht aufgeben, aber bei einer Explosion dieses Ausmaßes bestünden kaum Hoffnungen, die
Vermissten lebend zu finden, erklärte die Feuerwehr.
Betroffen von der Explosion ist eine Fläche von etwa 70 000 Quadratmetern. Inzwischen hat die
Regionalregierung von Madrid erklärt, in dem Kleinbus hätten sich 500 bis 800 Kilogramm
Sprengstoff befunden. Nur so ließe sich die völlige Zerstörung des Parkhauses erklären. Inzwischen
ist klar, dass der spanische Kleinbus eines Skifahrers am 27. in den französischen Pyrenäen mit
vorgehaltener Pistole von ETA-Mitgliedern geraubt wurde. Den Fahrer hätte das Kommando erst
nach dem Anschlag frei gelassen.
Überrascht und geschockt trat der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero vor
die Presse. »Ich habe beschlossen, alle Initiativen zu Gesprächen mit der ETA auszusetzen«, sagte
Zapatero. Angesichts der Gewalt könne es keinen Dialog geben. Die ETA habe gegen die
Bedingungen für einen Friedensprozess verstoßen. Schlimmer konnte es für den Premier nicht
kommen, denn er hatte die Entwicklung völlig falsch eingeschätzt. Bei seiner Jahresbilanz hatte er
noch zum Stand des Friedensprozesses erklärt: »Heute sind wir weiter als vor einem Jahr.« Und:
»In einem Jahr werden wir noch weiter sein.«
Zapatero muss völlig falsch beraten worden sein, um eine solche Einschätzung eines Prozesses in
Agonie abzugeben. Seit Monaten verdichten sich Warnungen, die ETA könnte ihre Waffenruhe
beenden. Die warf Zapatero seit Monaten vor, sich nicht an die Abmachungen gehalten zu haben,
die zur »permanenten Waffenruhe« im März führten und drohte im Oktober offen mit der Rückkehr
zum bewaffneten Kampf.
Die ultrakonservative Volkspartei (PP), die ohnehin stets gegen den Friedensprozess eintrat,
forderte von Zapatero, den Prozess nun definitiv zu beenden. Die Suspendierung hält der PP-Chef
Mariano Rajoy für »unbefriedigend«.
Der Sprecher der verbotenen baskischen Partei Batasuna, die den Friedensprozess angestoßen
hatte, sagte auf einer Pressekonferenz, der Prozess sei »nicht zerstört«. Arnaldo Otegi erklärte, er
sei nun »nötiger als zuvor«. Er warf Zapatero vor, dass zwar eine Basis ausgehandelt worden sei,
auf der ein Friedensprozess stehen müsse, doch Madrid habe die Abmachungen nicht eingehalten.
* Aus: Neues Deutschland, 2. Januar 2007
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