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Neuer Schlag gegen die ETA

Spanische und französische Polizei nehmen den Chef des Militärapparates fest

Von Ingo Niebel *

Am Samstag führten spanische und französische Polizisten erneut einen Schlag gegen die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit). In der französischen Grenzstadt Perpignan verhafteten Beamte den 29jährigen Jurdan Martitegi und zwei weitere Personen. Parallel dazu nahm die spanische Polizei im südlichen Baskenland sechs mutmaßliche Angehörige eines ETA-Kommandos fest. Laut offiziellen Angaben war ein Aktivist nach Perpignan gefahren, um sich dort mit Martitegi zu treffen. Diesen Quellen zufolge war es der Madrider Nationalpolizei gelungen, das Kommandomitglied bis zu dem Treffpunkt zu verfolgen.

Das spanische Innenministerium erachtet Martitegis Funktion als so wichtig, daß es ihn als die »Nummer eins des Militärapparates« bezeichnet, obwohl die ETA keine Ränge kennt. Der Madrider Lesart folgend ist es der Polizei in den vergangenen fünf Monaten dreimal gelungen, die Kommando-Struktur zu enthaupten.

Es sind die politischen Umstände, die aus dieser Polizeiaktion etwas Besonderes machen. Sie erfolgt eine Woche, nachdem die ETA die zukünftige baskische Regionalregierung zu ihrem Hauptziel erklärte. In ihrem Kommuniqué signalisierte sie aber auch ihre Bereitschaft, den gescheiterten Verhandlungsprozeß von 2007 wiederaufzunehmen. In dieser Richtung hatte sich auch der Sprecher der verbotenen baskischen Linkspartei, Arnaldo Otegi, geäußert. Er will mit unterschiedlichen Akteuren die Lage für eine politische Lösung in Geheimgesprächen sondieren. So bereitete er auch die letzten Dialog vor. Sein Hauptgesprächspartner war damals Spaniens Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE).

Daher wertete das politische Madrid Otegis Ankündigung als einen Affront gegen die Minderheitsregierung des zukünftigen baskischen Ministerpräsidenten Patxi López. Der Sozialdemokrat kommt nur ins Amt, weil ihn die postfranquistische Volkspartei (PP) unterstützt und die baskische Linke verboten wurde. Mit der jüngsten Verhaftung hat Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba klargemacht, daß er weiter auf eine polizeiliche Lösung der politischen Konflikts setzt. Diese sieht die bedingungslose Kapitulation der ETA ohne politische Zugeständnisse vor. Das ist auch das Ziel der PP.

Gleichzeitig gelang es der Zentralregierung, mit der Polizeiaktion den Generalstaatsanwalt Cándido Conde-Pumpido aus dem Kreuzfeuer der Kritik zu ziehen. Der hatte öffentlich behauptet, die Nationalpolizei würde sich weigern, beim Verbot der baskischen Linken bei der EU-Wahl mitzuhelfen. Daraufhin zeigte das nach der Zivilgarde zweitstärkste Polizeikorps den Generalstaatsanwalt wegen Beleidigung an. Als Trostpflaster durfte es sich jetzt die Verhaftung einer »Nummer eins« der ETA auf die Fahnen heften. Alle vorherigen Festnahmen gingen auf das Konto der konkurrierenden Zivilgarde.

Währenddessen kämpft die baskische Linke auf eine politische Lösung: am Freitag gründete sie die neue Partei »Auf Seiten des Baskenlandes« (EHA), mit der sie beiderseits der ­Pyrenäen bei der EU-Wahl antreten will.

* Aus: junge Welt, 20. April 2009


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