Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Baskische Parteien ausgebootet

In Madrid verfeindet, wollen Sozialisten und Konservative in Vitoria gemeinsam regieren

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Alles deutet darauf hin, dass die spanischen Sozialisten (PSOE) mit der konservativen Volkspartei (PP) die »Autonome Baskische Gemeinschaft« (CAV) regieren werden. Auf einem Treffen der in Spanien heftig verfeindeten Parteien wurde beschlossen, die »historische Chance« zu nutzen, dass erstmals nach dem Tod des Diktators Franco im Jahr 1975 die Sozialisten den Regierungschef stellen.

Im Baskenland spricht viel für einen Regierungswechsel. Zwar hat die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) die Wahlen am vorvergangenen Sonntag mit 39 Prozent klar gewonnen. Doch ihr sind die Koalitionspartner abhanden gekommen, die ihr eine Mehrheit im Regionalparlament sichern würden. So hofften die moderaten Nationalisten auf eine große Koalition mit der PSOE, die bereits in den 80er Jahren mitregiert hatte.

Ein entsprechendes Angebot der PNV lehnte die PSOE ab, obwohl es einschloss, ihnen im Madrider Zentralparlament eine Mehrheit zu verschaffen. Denn in Spanien regiert die PSOE mit einer Minderheit gegen die starke PP, die bei den Wahlen vor einem Jahr den knappen Vorsprung weiter verringern konnte. So benötigte die PSOE zum Jahreswechsel die Stimmen der PNV zur Verabschiedung des Haushalts.

Der PSOE-Forderung, den Regierungschef im Baskenland zu stellen, kann die PNV jedoch nicht nachkommen. Sie nannte es einen »institutionellen Putsch«, dass die mit 31 Prozent der Stimmen schwächere Partei den Lehendakari-Posten haben will.

Zumal auch die PSOE und die PP zusammen nicht die Mehrheit der Wählerstimmen hinter sich wissen. Die Mehrheit von einem Sitz ist allein dem Ausschluss der Linksnationalisten zuzuschreiben, die bisher neun Sitze hielten. Mehr als 100 000 Menschen wählten die »Verbotenen«, deren Stimmen ungültig wurden. Viele gingen nicht zur Wahl, die Wahlbeteiligung lag 15 Prozent unter der von 2004.

Dass sich die Feinde in Spanien hier zu einer Front vereinen, wird die in der Wirtschaftskrise angeschlagene Zentralregierung weiter schwächen. Denn die PSOE hat kaum Ersatz für die PNVStimmen. Die katalanischen Nationalisten der CiU fordern, für die Unterstützung müsse die meistgewählte Partei Kataloniens mit Hilfe der Sozialisten in den Regierungssitz in Barcelona zurückkehren. So müsste Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero die Linksregierung in Barcelona opfern, um Patxi López, den sozialistischen Spitzenkandidaten, im Baskenland zum Regierungschef zu küren.

Oder er müsste mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten für jede dringende Maßnahme mühsam immer neue Mehrheiten suchen. Die langen Streits bieten der PP weiteren Raum zur Profilierung. Eigentlich müsste es für die PSOE eine Lehre sein, dass sie gerade die Macht in Galicien wieder an die PP verloren hat, die gestärkt zum Sturm auf Madrid bläst. Und ohne klare Mehrheit könnten in der Krise schneller Neuwahlen anstehen, als es den Sozialisten lieb sein kann.

Die schwache Linke bietet sich nicht mehr als Stimmenbeschaffer an. Von der PSOE-Politik grenzt sich die Vereinte Linke (IU) ab. Lange hatte Gaspar Llamazares die IU mit seinem Schmusekurs zur PSOE in den Niedergang geführt, aus dem sie der Kommunist Cayo Lara nun herauszuführen versucht. Im Baskenland hat die IU eine ihrer letzten Bastionen verloren. Sie erhielt nur noch einen Sitz. Wie im spanischen Parlament hat sie nun keinen Fraktionsstatus mehr. Dabei hoffte sie, von den Verboten zu profitieren.

Denn anders als in Spanien insgesamt ist die Linke im Baskenland weiter stark, aber die Wähler gaben ihre Stimme lieber einer verbotenen baskischen Partei. Javier Madrazo hat inzwischen die Verantwortung für das Wahldebakel übernommen und seinen Rücktritt vom Posten des baskischen IU-Vorsitzenden angekündigt.

* Aus: Neues Deutschland, 9. März 2009


Zurück zur Spanien-Seite

Zurück zur Homepage