Zaghafte Schritte im baskischen Friedensprozess
Kritik an den Vorschlägen des Präsidenten der Regionalregierung
Von Ralf Streck, Vitoria *
Fünf Monate mussten die Basken
warten, bis ihr »Lehendakari« sich
zum Friedensprozess äußerte. Am
Donnerstag machte der Präsident der
Regionalregierung Vorschläge, wie
mit dem Ende eines »Zyklus der terroristischen
Gewalt« umgangen werden
soll, nachdem die Untergrundorganisation
ETA vergangenen Oktober
erklärte, ihre Aktionen einzustellen.
Patxi López nannte die Entscheidung
einen »Meilenstein« und er
will nun den Vorgang »irreversibel
« machen. Klar wurde, dass der
spanische Sozialist (PSOE) die Zeit
nicht genutzt hat, um andere Kräfte
von seinen Ideen zu überzeugen.
Ein Abgrund klaffte zwischen
PSOE und der konservativen spanischen
Volkspartei (PP), von der
die Regierung López abhängt. Die
baskische PP will nicht in Widerspruch
zum Kurs ihrer spanischen
Regierung kommen, weshalb nach
langem Hin und Her die Abstimmung
über die Gründung einer
Arbeitsgruppe vertagt wurde. Sie
sollte »Lösungen für den Konflikt
beraten und abstimmen«. Die PP
hatte gedroht, López fallen zu lassen,
womit Neuwahlen nötig geworden
wären.
PP-Chef Antonio Basagoiti
sagte, er müsse zwischen
»der PP und Batasuna
« wählen. Ihn stört, dass
López den Beitrag der 2003
verbotenen Partei in diesem
Prozess würdigte; deren Basis
hatte sich von der Gewalt
der ETA distanziert. Zwar
verlangt López von Batasuna,
auch die »Auflösung der
ETA« zu fordern, aber er hält
es für notwendig, dass sich
die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung
wieder
als Partei organisieren
kann. Sie sitze mit zwei Koalitionen
ohnehin in Institutionen,
weshalb man sich
der »Realität« anpassen solle.
Die PP sah darin den Vorstoß,
Batasuna über »Allparteiengespräche
« in das weitere Vorgehen
einzubinden, was Basagoiti ablehnt.
Ihn stört auch, dass die Sonderbehandlung
der Gefangenen
des Konflikts anerkannt wurde.
López schlug eine »neue Gefängnispolitik
« vor, die »auf Gerechtigkeit
und dem Respekt vor dem
Gesetz basiert«. Die etwa 800 Gefangenen
sollten schrittweise in die
Heimat verlegt werden, denn sie
sind über ganz Spanien und
Frankreich verteilt. »Ziel ist ihre
Wiedereingliederung«, sagte López.
Mit Blick auf die PP hatte er
Schritte aber nicht nur mit geltenden
Gesetzen, sondern auch mit
individueller Reue verknüpft.
Enttäuscht waren alle baskischen
Parteien über seinen Umgang
mit den Opfern des Konflikts.
Er hatte zwar erklärt, das demokratische
Zusammenleben müsse
sich auf drei Pfeiler stützen:
»Wahrheit, Demokratie und Gerechtigkeit
«. Doch sprach er sich
gegen eine Wahrheitskommission
nach südafrikanischem Vorbild
aus, und er unterscheidet zwischen
Opfern und Opfern. Er will
zwar auch »Opfer von Exzessen
einiger Beamter« beachten, sie
aber »nicht den Opfern der terroristischen
Gewalt angleichen«.
Die internationalen Vermittler,
darunter Friedensnobelpreisträger
aus Südafrika und Irland, weisen
aber stets auf die Bedeutung
der »Anerkennung aller Opfer« für
einen dauerhaften Frieden hin.
Angesicht der Toten staatlicher
Todesschwadronen oder faschistischer
Gruppen kritisierte auch
die sozialdemokratische Baskische
Solidaritätspartei (EA) eine »tendenziöse
Betrachtung«. Maribi
Ugarteburu, Sprecherin der baskischen
Linken, zeigte ihre »absolute
Enttäuschung«. López habe
eine Chance verpasst, um »produktive
Vorschläge zu machen. Sie
forderte Neuwahlen und erinnerte
daran, dass er schließlich nur Regierungschef
werden konnte, weil
bei den Wahlen 2009 alle Parteien
der baskischen Linken verboten
waren.
* Aus: neues deutschland, 10. März 2012
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