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Noch nie dagewesen

Baskische politische Gefangene für Friedensprozeß mit spanischer Regierung

Von Uschi Grandel *

Mit dem Abkommen von Gernika nahmen vor einem Jahr über 30 Parteien, Organisationen und Gewerkschaften aus dem linken Spektrum der baskischen Gesellschaft die Verantwortung für eine friedliche Lösung des spanisch-baskischen Konflikts selbst in die Hand. Sie fordern von ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) und vom spanischen Staat »gewaltfreies Szenario, das durch zunehmende politische Normalisierung gekennzeichnet ist«.

Rechtzeitig zum ersten Jahrestag hat das Abkommen nun mit dem Kollektiv der baskischen politischen Gefangenen (EPPK) einen politisch bedeutsamen Unterstützer dazugewonnen. Eine entsprechende Erklärung hatten die baskischen Zeitungen GARA und Berria am Freitag abend (23. Sept.) veröffentlicht.

Als »noch nie dagewesen« bezeichnen sogar Vertreter der spanischen Regierung diesen Schritt. Seine politische Brisanz ist offensichtlich. Zum einen macht sie das EPPK und die etwa 750 baskischen politischen Gefangenen zu Aktivisten des Konfliktlösungsprozesses. Zwar hatte die spanische Regierung direkte Kontakte der Vertreter des Gernika-Abkommens und des EPPK untersagt, aber eine Diskussion habe trotzdem stattgefunden, erklärt Pello Urizar, dessen Partei EA (Eusko Alkartasuna) zu den Unterzeichnern des Gernika-Abkommens gehört. Wie im irischen Prozeß müssten auch die baskischen politischen Gefangenen »Teil des Prozesses sein und ihn unterstützen«.

Die Erklärung des EPPK erhöht vor allem den Druck auf die Regierung der Baskischen Autonomen Gemeinschaft, von ihren Parteifreunden in Madrid ein Ende der Sonderbehandlung baskischer Gefangener zu erreichen. Auf die Frage, ob die spanische Regierung nun nicht ihre Gefängnispolitik ändern müsse, erklärte der baskische Innenminister Rodolfo Ares am Samstag (24. Sept.), es sei »an der Zeit, über dieses Thema zu reden«.

Die Entwicklung der baskischen Friedensinitiative müsse sich auch weiterhin gegen Widerstände »mächtiger Kreise im Staat« durchsetzen, mahnte Arnaldo Otegi, der bekannte Sprecher der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung, in einem Brief. Otegi wurde Mitte September mit vier weiteren Aktivisten zu jeweils zehn bzw. acht Jahren Gefängnis verurteilt. Sie hätten die Friedensstrategie der baskischen Linken auf Befehl von ETA initiiert. Sein Brief aus dem Gefängnis war an die über 20000 Teilnehmer gerichtet, die am Samstag in Bilbo (Bilbao) dem Aufruf zum Protest gegen das Urteil, für ein Ende politischer Justiz und für demokratische Rechte gefolgt waren. Es war die zweite Großdemonstration im Baskenland innerhalb von sieben Tagen.

Am Rande der Demonstration protestierten Jugendliche gegen den Abriß des Jugendzentrums Kukutza in einem der Arbeiterviertel Bilbos. Das soziale Zentrum, das seit über 13 Jahren in einer besetzten alten Fabrik betrieben wird und für dessen Erhalt sich auch die Anwohner und viele Künstler stark machen, wird seit Freitag abgerissen. Rücktrittsforderungen an Bürgermeister Azkuna wurden bereits laut.

* Aus: junge Welt, 26. September 2011


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