Lange Haft für Otegi
Führer der baskischen Linken verurteilt
Von Ralf Streck, San Sebastián *
Der spanische Nationale Gerichtshof hat Führungspersonen der baskischen Linken zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Ex-Sprecher der verbotenen baskischen Partei Batasuna (Einheit) sei genauso ein Mitglied der Untergrundorganisation ETA wie der Ex-Generalsekretär der Gewerkschaft LAB. Arnaldo Otegi (Foto: dpa/Luis Tejido) und Rafa Díez sollen nicht nur »einfache Mitglieder der bewaffneten Bande«, sondern »Terroristenführer« sein. Beide müssen für zehn Jahre ins Gefängnis. Zwei weitere Angeklagte wurden zu acht Jahren Haft verurteilt.
Die Richter folgten den Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft. Danach hätten Otegi, Diez und drei weitere Personen die Neugründung der 2003 verbotenen Batasuna versucht und »Bateragune« (Vereinigungspunkt) gegründet. Otegi hatte hingegen im Prozess vorgebracht, dass es einer Gruppe von Personen darum ging, den 2007 gescheiterten Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. »Das einzige Szenario das wir vorschlagen, ist das definitive Ende der bewaffneten Gewalt und die Auflösung der militärischen Strukturen«, so Otegi.
Real hat die baskische Linke die ETA schon vor mehr als zwei Jahren zu einer einseitigen und unbefristeten Waffenruhe gezwungen. Eine Rückkehr zu den Waffen sei nicht möglich, betonten die Angeklagten im Prozess.
Alle baskischen politischen Kräfte zeigten sich von dem Urteil empört und hoffen, dass der Oberste Gerichtshof oder das Verfassungsgericht es aufheben werden. Sie stellten sich schon mehrfach gegen den Nationalen Gerichtshof.
* Aus: Neues Deutschland, 17. September 2011
Terrorurteil in Madrid
Spanisches Sondergericht verurteilt Basken zu langjährigen Haftstrafen, weil sie eine gewaltfreie politische Strategie planten
Von Stefan Natke, Donostia **
Das in der Spätphase der Diktatur in Spanien 1977 gegründete Sondertribunal für Terror- und Drogendelikte, die »Audiencia Nacional« in Madrid, hat am gestrigen Freitag führende Vertreter der baskischen Unabhängigkeitsbewegung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der wohl bekannteste Repräsentant der abertzalen Linken, Arnaldo Otegi, und der frühere Vorsitzende des baskischen Gewerkschaftsbundes LAB, Rafa Díez, sollen zehn Jahre ins Gefängnis. Miren Zabaleta, die Tochter des Vorsitzenden der baskischen Linkspartei Aralar, Patxi Zabaleta, sowie Sonja Jacinto und Arkaitz Rodriguez wurden zu jeweils acht Jahren Haft verurteilt. Allen wurde vorgeworfen, führende Positionen in der Untergrundorganisation ETA innegehabt zu haben. Drei weiter Mitangeklagte, Txelui Moreno, Manel Serra und Amaia Esnal, wurden freigesprochen.
Die jetzt Verurteilten waren am 13.Oktober 2009 festgenommen worden, als die spanische Nationalpolizei in einer spektakulären Aktion das Gewerkschaftshaus von Donostia (San Sebastián) stürmte. Außer Rafa Díez, der seit April 2010 wegen besonderer Umstände in Hausarrest entlassen wurde, saßen die damals Festgenommenen 703 Tage in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wird ihnen, sich getroffen zu haben, um eine neue, gewaltfreie Strategie zur Beendigung des politischen Konflikts im Baskenland auszuarbeiten. Dazu sollen sie geplant haben, mit »Bateragune« eine neue politische Organisation als Ersatz für die seit 2003 verbotene Partei Batasuna zu gründen. Wie einst der damalige Staranwalt der spanischen Regierung, Baltasar Garzón, die Parole ausgegeben hatte, daß alles, was im Spektrum der baskischen Linken passiert, der ETA zuzurechnen sei, konstruierten die Anklagebehörden aus der politischen Initiative der Politiker, daß diese die neue gewaltfreie Strategie auf Anweisung der Untergrundorganisation ausgearbeitet hätten und somit führende Angehörige der ETA seien.
Trotz des gestrigen Urteils stößt die Repression der linken Massenbewegung im Baskenland und ihrer legalen Organisationen durch die spanische Zentralregierung zunehmend an ihre Grenzen. Das von den jetzt Verurteilten mit ausgearbeitete Diskussionspapier »Zutik Euskal Herria« (Baskenland, steh auf) wurde in den Tagen nach der Erstürmung des Gewerkschaftshauses massenhaft per Internet verbreitet und bot die Diskussionsgrundlage für einen politischen Prozeß, aus dem im Februar 2011 zunächst die politische Formation Sortu entstand. Zwar wurde diese Kraft schon wenige Wochen später von den Tribunalen in Madrid verboten, doch gleiches konnte mit dem daraufhin entstandenen Parteienbündnis Bildu nicht mehr wiederholt werden. Die Allianz fuhr bei ihrer ersten Beteiligung an den Kommunal- und Regionalwahlen am 22. Mai ein hervorragendes Wahlergebnis ein und ist zur führenden politischen Kraft im Baskenland geworden.
Selbst die bürgerliche Baskische Nationalistische Partei (PNV) und andere Politiker, die keine Sympathien für die abertzale Linke haben, reagierten mit Unverständnis und Empörung auf das Urteil und sprachen von einer »kalten Dusche« für den Friedensprozeß. Selbst der baskische Lehendakari (Ministerpräsident) Patxi López von der sozialdemokratischen PSOE sagte, daß er das Urteil zwar akzeptiere, es bei der derzeitigen politischen Konjunktur im Baskenland allerdings nicht nachvollziehen könne, und daß es Verwunderung und Frustration heraufbeschwören werde.
**Aus: junge Welt, 17. September 2011
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