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Bildu will Bündnis

Baskische Linke ruft zur Allianz bei Wahlen im November auf. Konservative PNV lehnt ab

Von Uschi Grandel *

Am 20. November wird in Spanien gewählt, und deshalb will sich der Spitzenkandidat der spanischen sozialdemokratischen PSOE, Alfredo Pérez Rubalcaba, der bis Juli Innenminister in der Regierung von Ministerpräsident José Luís Rodríguez Zapatero war, am Donnerstag in Bilbao mit Parteifreunden und baskischen Unternehmern treffen. Da man ohnehin allgemein mit einer Niederlage der PSOE rechnet, stößt der Medienrummel um Rubalcaba im Baskenland auf recht wenig Interesse. Wichtigstes Thema für die Basken ist das Friedensszenario, das die baskische Linke seit fast zwei Jahren entwickelt hat. Eine große Mehrheit der baskischen Bevölkerung steht hinter der Forderung an die spanische Regierung, politisch unbequeme Forderungen nach einer Unabhängigkeit Euskadis nicht länger durch Parteienverbote zu unterdrücken, sondern politische Meinungen und das Recht der Bevölkerung auf Selbstbestimmung zu respektieren.

Bildu (»Sich versammeln«), neben der konservativen PNV die zweite große Kraft in der autonomen Region, schlug bereits im Juli ein Bündnis aller baskischen Parteien für die Wahlen zum spanischen Parlament vor, um in Madrid gemeinsam agieren zu können. Die Linkspartei Aralar, die bisher nicht im Bündnis vertreten ist, reagierte bereits positiv auf diesen Vorstoß und will im September auf einem Parteitag über eine Beteiligung entscheiden. Der Chef der PNV, Iñigo Urkullu, wies den Vorschlag hingegen bei seinem ersten Auftritt nach der Sommerpause zurück. Statt dessen will er die Diskussion um die angekündigte Verfassungsänderung, mit der die PSOE und die rechte PP eine »Schuldenbremse« einführen wollen, nutzen, um das Selbstbestimmungsrecht der Nationen in der spanischen Verfassung zu verankern. Angesichts des Widerstands der beiden großen spanischen Parteien räumt diesem Vorschlag allerdings kaum jemand eine Chance ein. Als »eine Panikreaktion auf Bildu« kommentierte die PSE, der baskische Zweig der spanischen PSOE, bereits die Initiative Urkullus.

Wie eine Kampagne gegen Bildu aussieht, mußte deren Mitglied Martin Garitano am eigenen Leib erfahren. Der ehemalige Journalist ist Regierungschef in der baskischen Provinz Gipuzkoa, in der Bildu die stärkste Partei ist. Nach einem Vortrag an einer katalanischen Universität am 19. August wurde er gefragt, ob das Attentat der ETA auf einen Supermarkt in Barcelona im Jahr 1987, das 21 Menschen das Leben kostete, »ein Fehler« gewesen sei. »Das war mehr als ein Fehler«, gab er zur Antwort. Die regierungsnahe El País gab daraufhin den Startschuß für eine Medienkampagne, in die alle anderen wichtigen Tageszeitungen Spaniens einstiegen. Garitano wurde unterstellt, durch seine Aussage habe er indirekt alle anderen Anschläge der ETA gerechtfertigt und die Opfer der ETA aus nicht-katalanischen Regionen herabgewürdigt. Prompt wurden Verbotsdrohungen gegen Bildu laut.

In der baskischen Linken glaubt man nicht an einen Zufall. Vielmehr scheint die Kampagne gegen Bildu die spanischen Verfassungsrichter unter Druck setzen zu sollen. Diese werden von der spanischen Rechten attackiert, seit sie mit knapper Mehrheit Bildu zu den Regionalwahlen im Mai zugelassen hatten. Im Herbst müssen die Richter über die Zulassung von Sortu entscheiden, einer parallel zum Wahlbündnis Bildu entstandenen neuen Partei der linken Unabhängigkeitsbewegung. Im März hatte der spanische Oberste Gerichtshof die Legalisierung der neuen Organisation abgelehnt, weil es sich bei ihr um einen Ersatz für die seit 2003 verbotene Partei Batasuna handele.

* Aus: junge Welt, 31. August 2011


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