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"Bruch mit der Macht"

Generalstreik im Baskenland, in Katalonien und Galicien

Von Ingo Niebel *

Das Baskenland bereitet sich auf seinen dritten Generalstreik innerhalb von anderthalb Jahren vor. Grund für den von den baskischen Mehrheitsgewerkschaften für den heutigen Donnerstag (27. Jan.) ausgerufenen Ausstand sind die beabsichtigte Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre und die von der Regierung in Madrid angestrebte Rentenreform. Den Protest in Euskadi begleiten weitere regionale Streiks in Galicien und Katalonien.

Während dessen in Madrid die Gewerkschaftsbünde UGT und CCOO weiter ergebnislos mit der Regierung von Premier José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) und den Unternehmern über einen Kompromiß bei der Rentenreform verhandeln, wurden am Mittwoch im Baskenland die letzten Details für die Notversorgung in Krankenhäusern und öffentlichem Verkehr ausgehandelt. Die linke Tageszeitung Gara erklärte sich solidarisch mit dem Generalstreik und kündigte am Mittwoch auf ihrer Internetseite an, daß die Redaktion deshalb der Arbeit fernbleibe und es so keine Donnerstagausgabe gäbe.

Kämpferisch gibt sich auch die Generalsekretärin der linksnationalen Arbeiterversammlungen (LAB), Ainhoa Etxaide. Zusammen mit der größeren Baskischen Arbeitersolidarität (ELA) gehört die LAB neben drei kleineren Branchengewerkschaften zu den Triebkräften der Streikbewegung. Im Gespräch mit junge Welt zeigt sie sich selbstbewußt. Hinter der LAB, die sich als Klassenorganisation versteht, stehen im spanischen Königreich und in der französischen Republik 45000 Gewerkschaftsmitglieder, die 4400 Betriebs- und Personalräte stellen. Den »Sozialdialog« in Madrid lehnt Etxaide ab. Dies sein keine effiziente Strategie zur Verteidigung der Arbeiterrechte. »Es ist bedauerlich, daß im spanischen Staat die meisten Arbeitsplätze und die meisten Rechte vernichtet wurden und gleichzeitig die wenigsten Arbeitskämpfe stattfinden.« Bisher hat es nur einen spanienweiten Generalstreik im vergangenen September gegeben.

Mit Blick auf die von Madrid geplante »Rente mit 67« sagte Etxaide: »Wir halten es für widerwärtig, dem Finanzsystem das staatliche Pensionswesen zu schenken. Tausenden von Arbeitern wird man so das Recht auf eine Pension nehmen.« Die Gewerkschafterin geht aber noch einen Schritt weiter: Der Streik solle sich nicht nur gegen eine konkrete Maßnahme richten, sondern den Beginn eines grundlegenden Wechsels in Politik und Wirtschaft markieren. »Wenn wir auf diese Krise zurückschauen, wollen wir sagen können: Das war die Krise, die definitiv einen Bruch zwischen der Gesellschaft und der politischen Macht bedeutete und die dazu führte, tatsächlich eine politische Alternative anzustoßen.« Und die sieht, so Etxaide, die baskische Unabhängigkeit vor: »Um sozialistisch zu sein, benötigen wir Instrumente, die uns garantieren, einen Staat zu haben.«

Gemeinsam mit der ELA und den drei kleineren Partnern vertreten die baskischen Gewerkschaften 52 Prozent der organisierten Arbeiter in Euskadi. Die spanienweit führenden Gewerkschaftsbünde Allgemeine Arbeiterunion (UGT) und die Arbeiterkommissionen (CCOO) stehen hier in der zweiten Reihe und unterstützen die Kampfmaßnahmen ihrer baskischen Kollegen in der Regel nicht. Neben politisch-ideologischen Differenzen spielt dabei die Finanzierung der Gewerkschaftsarbeit eine wichtige Rolle. UGT und CCOO erhalten staatliche Zuwendungen in mehrstelliger Millionenhöhe, während ELA und LAB sich zu 90 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren.

* Aus: junge Welt, 27. Januar 2011


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