Baskische Linke wirbt für nordirische Lösung
Spanische Politiker lehnen ETA-Initiative ab. Sie soll Ausdruck der Schwäche der Organisation sein
Von Ingo Niebel *
Unisono reagierten die sozialdemokratische Regierung wie auch die postfranquistische Opposition in Madrid zu Wochenbeginn mit Ablehnung auf die jüngste Ankündigung der ETA. Die baskische Untergrundorganisation hatte in einer Videobotschaft, die von der Tageszeitung Gara am Sonntag veröffentlicht worden war, erklärt, vorerst keine bewaffneten Aktionen mehr durchzuführen.
Spaniens Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba (PSOE) blieb bei seiner Interpretation, wonach das Statement lediglich Ausdruck der Schwäche der bewaffneten Gruppe sei. »Die ETA hört auf, weil sie nicht mehr kann«, sagte er am Dienstag im Frühstücksfernsehen des Staatssenders TVE. Folglich werde die Regierung von Premier José Luis Rodríguez Zapatero ihre bisherige Baskenland-Politik fortführen. Der Polizeiminister unterstrich ausdrücklich, daß er jegliche Gespräche oder gar Verhandlungen mit der »Terrororganisa-tion« ausschließt.
»Die Waffenruhe als Teil eines Friedenskonzepts, mit dem ein Dialogprozeß eröffnet wird, ist gestorben. Derartiges geht nicht mehr, weil die ETA sich bemüht hat, daß es nicht mehr geht«, führte der sozialdemokratische Hardliner aus. Offensichtlich spielte Rubalcaba auf den Bombenanschlag am Madrider Flughafen Barajas im Dezember 2006 an. Dieser war von der Regierung zum Anlaß genommen worden, die – seiner Meinung nach – damals laufenden Gespräche zu beenden. Allerdings hatten diese vorher bereits seit Monaten gestockt. Dementsprechend war der Anschlag, der zwei Menschenleben forderte, aus ETA-Sicht eine Reaktion auf die Tatsache, daß Zapatero sich an keine Absprache hielt, die zum Waffenstillstand im März 2006 geführt hatte.
Oppositionsführer Mariano Rajoy von der postfranquistischen Volkspartei (PP) hatte sich bereits am Montag ähnlich wie Rubalcaba geäußert. Er wolle nur eines lesen: »Das Kommuniqué mit der bedingungslosen Kapitulation der ETA«.
Der Südafrikaner Brian Currin, der in den vergangenen Monaten versucht hatte, als Konfliktschlichter zwischen den Seiten zu vermitteln, zeigte sich von diesen Reaktionen aus Madrid nicht überrascht. In einem Interview mit Gara, die der linken Unabhängigkeitsbewegung nahesteht, sagte er, er habe damit gerechnet. Bemerkenswert sei indes, daß sich die ETA direkt an die »internationale Gemeinschaft« gewandt habe. Diese werde sich allerdings nicht eher einbringen, solange »die Gewalt noch auf der Tagesordnung steht«. Trotz der Madrider Verweigerungshaltung meinte Currin, daß die baskische Linke, deren Kern aus der verbotenen Partei Batasuna (Einheit) stammt, weiter stärker werden wird. Schließlich habe die ETA ihre Bereitschaft gezeigt, daß sie bereit ist, den Vorschlägen zu einer politischen Lösung des spanisch-baskischen Konflikts zu folgen.
Hinter den Kulissen begannen baskische Linkskräfte in jüngster Zeit, zusammen mit der sozialdemokratischen Eusko Alkartasuna (EA, Baskische Solidarität) weitere Parteien des Baskenlandes davon zu überzeugen, eine Friedenslösung nach nordirischem Vorbild mitzutragen. Dazu zählen einerseits Prinzipien der Gewaltlosigkeit und des Respekts vor getroffenen Entscheidungen, andererseits eine Lösung der Gefangenenfrage. Auch spielt die Frage eine Rolle, welche Möglichkeiten es zu einer Wiederzulassung von Batasuna gibt.
* Aus: junge Welt, 8. September 2010
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