ETA bietet Madrid "Dialog und Verhandlung" an
Waffenstillstandserklärung der baskischen Untergrundorganisation bringt die spanische Regierung in Zugzwang
Von Ralf Streck, San Sebastian *
Es war keine Überraschung, dass die baskische Separatistenorganisation ETA am Sonntag (5. Sep.) erklärt hat, dass »schon vor einigen Monaten die Entscheidung fiel, keine offensiven bewaffneten Aktionen durchzuführen«.
Mehr als ein Jahr hatte die ETA keine Anschläge verübt. Ein Video mit der Erklärung ging exklusiv an die britische BBC, um sich an die »internationale Öffentlichkeit« zu wenden, die für eine Konfliktlösung sehr bedeutsam ist. Die ETA bekundet darin ihre Bereitschaft, »einen demokratischen Prozess einzuleiten«, um per »Dialog und Verhandlung« eine »dauerhafte, gerechte und demokratische Lösung für diesen jahrhundertealten politischen Konflikt« zu finden, erklären drei vermummte ETA-Mitglieder in baskischer Sprache.
Die internationale Gemeinschaft wird aufgerufen, daran teilzunehmen und das mit der Einschätzung zu tun, dass starker Druck auf Madrid nötig ist, damit es zu Verhandlungen kommt. Die Reaktionen der spanischen Regierung bestätigen das. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba erklärte am Montag als Reaktion, dass die sozialdemokratische Regierung »skeptisch« sei und die Anti-Terror-Politik nicht ändern werde. »Die ETA tötet, um sich durchzusetzen und deshalb kann es keinen Dialog geben.« Die ETA sei quasi am Ende – was seit 50 Jahren verkündet wird.
Dass es 13 Monate keine Anschläge gab, hat vor allem mit den politischen Vorgängen im Baskenland zu tun und wenig mit Verfolgungsdruck. In der linken Unabhängigkeitsbewegung hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass der bewaffnete Kampf eher schade. Anders als in der Diktatur verhindert er nun, dass sich die Kräfte vereinen, die für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland eintreten.
Die sich formierende Zivilgesellschaft hat in den vergangenen Monaten starken Druck auf die ETA ausgeübt, die Bemühungen nicht zu torpedieren. Dass diese Ende 2006 den Friedensprozess sprengte, den die in Spanien verbotene Partei Batasuna auf den Weg gebracht hatte, wird scharf verurteilt. Obwohl viele Batasuna-Führer inhaftiert sind, schob die Partei einen neuen Prozess an. Der wird international unterstützt und der baskische Freundeskreis im Europaparlament hatte einer Friedensinitiative, die von vier Friedensnobelpreisträgern aus Irland und Südafrika unterstützt wird, eine Plattform geboten. Von der ETA wurde dabei im März eine Waffenruhe als Voraussetzung gefordert, den bewaffneten Konflikt beenden zu können. Wortgleich hat die Aktionseinheit, die seit Juni zwischen Batasuna und der Baskischen Solidaritätspartei besteht, in einer Erklärung vorige Woche auch von der ETA diese »überprüfbare und permanente« Waffenruhe nach irischem Vorbild gefordert.
Der Druck auf Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero wächst. Gerade hatten auf einem Forum in Sao Paulo 54 Linksparteien aus 33 lateinamerikanischen Ländern, darunter die regierende PT in Brasilien von Lula Da Silva, die Freiheit von Batasuna-Chef Arnaldo Otegi gefordert, um einen Friedensprozess zu fördern. Zu Hause ist Zapatero nun auf die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) angewiesen, um seinen Sparhaushalt 2011 beschließen zu können. Katalanischen Nationalisten der CiU, die ihn bisher stützten und die ultrakonservative Volkspartei wollen ihn über eine Niederlage zum Rücktritt zwingen. Doch auch die PNV kann sich diese neue Chance nicht entgehen lassen. Sie fordert ohnehin, das Parteiengesetz zu schleifen, mit dem Batasuna verboten wurde. Es ist ein großes Hindernis für einen Frieden, wie sich 2006 zeigte.
* Aus: Neues Deutschland, 7. September 2010
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