Zeitungsverbot auf Antrag der Guardia Civil
Egunkaria-Prozeß bis Januar unterbrochen. Jesuit berichtet von Folter in der Haft
Von Ingo Niebel, Madrid *
Vor über sieben Jahren wurde die baskischsprachige Zeitung Egunkaria verboten. Am Mittwoch (16. Dez.) nun wurde vor Gericht in Madrid bekannt: Die Schließung erfolgte auf Antrag eines Polizisten. Auf Nachfrage der Verteidigung gab der Ermittlungsbeamte der spanischen Polizeitruppe Guardia Civil am zweiten Verhandlungstag gegen leitende Mitarbeiter der Tageszeitung zu: »Ich habe die Schließung beantragt. Das macht sonst nur ein Richter.« Die Gesetze in Spanien sehen vor, daß ausschließlich das Oberste Gericht eine Zeitung verbieten darf.
Dem Anliegen des Zivilgardisten hatte 2003 Juan del Olmo, Ermittlungsrichter am Sondergericht für Terror- und Drogendelikte, der Audiencia Nacional, stattgegeben. Damit beendete er die 13jährige Existenz der weltweit einzigen vollständig auf baskisch erscheinenden Zeitung. Derzeit muß sich in Madrid ein gutes Dutzend ihrer Mitarbeiter aus Verlag und Redaktion wegen Unterstützung der Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit) in zwei getrennten Verfahren vor der Audiencia Nacional verantworten. Jedem Angeklagten drohen bis zu 24 Jahre Haft sowie eine Geldstrafe in Höhe von 30 Millionen Euro, wenn die Nebenkläger - zwei rechtsextreme Opfervereinigungen - mit ihren Strafforderungen durchkommen.
Das erste Verfahren begann am Dienstag (15. Dez.) vor der Audiencia Nacional und richtet sich gegen den Egunkaria-Chefredakteur Martxelo Otamendi und dessen Stellvertreter Xabier Oleaga sowie gegen die Mitglieder des Aufsichtsrates des Verlages, Joan Mari Torrealdai, Iñaki Uria und Txema Auzmendi. Zu den Überraschungen des ersten Verhandlungstages gehörte, daß der Vorsitzende Richter Javier Gómez Bermúdez die Aussage des Jesuiten Auzmendi zuließ. Dieser schilderte die Erniedrigungen und den Psychoterror, die er in der fünftägigen Isolationshaft (Incomunicado) erlitten hatte. Auch seine Mitangeklagten waren während der Incomunicado-Zeit aufs Schwerste gefoltert worden.
Unter Tränen erzählte Auzmendi nun, wie er die Schreie seiner Leidensgenossen hörte, als er mit einer Kapuze über dem Kopf in gebeugter Haltung in einem Raum verharren mußte. Er bekam mit, wie eine Zivilgardistin ihren Kollegen sagte, daß sie gleich ihre kleine Tochter abholen müßte. »Wird sie ihr erzählen, daß sie Menschen mißhandelt hat?« fragte der Geistliche den Richter. Dieser unterbrach ihn auch nicht, als er feststellte: »Von diesem Gericht erwarte ich keine Gerechtigkeit mehr.« Während der ersten beiden Verhandlungstage stellte der Staatsanwalt keine einzige Frage. Er war zuvor zweimal mit seiner Forderung gescheitert, das Verfahren wegen Mangels an Beweisen einzustellen.
Sichtlich entspannt reisten die fünf Angeklagten mit ihren Angehörigen am Mittwoch abend ins Baskenland zurück. Dort findet am Samstag eine Großdemonstration für Egunkaria in Bilbo (Bilbao) statt. Der Prozeß wird im Januar fortgesetzt. Ein Ende ist nicht absehbar.
* Aus: junge Welt, 18. Dezember 2009
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