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Absage an jede Gewalt

Strategiewechsel: Baskische Linke stellt in Venedig und Altsasu neue Friedensinitiative vor. Unterstützung von der irischen Sinn Féin

Von Ingo Niebel *

Neue »Initiativen gegen die Repression« hatte die linke Unabhängigkeitsbewegung des Baskenlandes nach dem gescheiterten Verhandlungsprozeß 2006/2007 versprochen. Am Samstag nun trat sie national und international an die Öffentlichkeit und präsentierte in Venedig und im baskischen Altsasu einen weiteren Friedensvorschlag. Er dürfte für einiges Aufsehen sorgen, deutet er doch auf einen Strategiewechsel hin. In Altsasu, wo 1978 die Partei Herri Batasuna (Vereintes Volk), gegründet worden war, unterstrich die Anwesenheit von 110 bekannten Linkspolitikern die Bedeutung der Initiative.

Die neue Erklärung stelle einen »ersten Schritt für eine demokratische Lösung des baskischen Konflikts«, so der Titel des Dokuments. Die sieben Punkte, die als wichtige Voraussetzungen genannt werden, stehen in der Tradition der baskischen Linken, wobei auch an den Friedensvorschlag von Anoeta erinnert wird. Vor genau fünf Jahren, am 14. November 2004, hatte der Sprecher der damals bereits verbotenen Partei Batasuna (Einheit), Arnaldo Otegi, ein »Zwei-Tische-Modell« als Lösungsmethode vorgestellt: Einerseits Verhandlungen zwischen der Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit) und der spanische Regierung über die Demilitarisierung des Konflikts; andererseits eine Verständigung aller Parteien des Baskenlandes auf ein Zukunftsmodell.

Wichtig für das zukünftige Verhältnis zwischen der baskischen Linken und der ETA ist der Punkt sechs. Dort heißt es: »Der Demokratisierungsprozeß muß sich ohne jede Gewalt, Zwang und Einmischung entfalten können und ausschließlich auf politische und demokratische Mittel stützen.« Das setzt voraus, daß auch die ETA auf Gewalt als Mittel der Politik verzichtet. Wenn es dazu kommt, dann träte die gesamte linke Unabhängigkeitsbewegung tatsächlich in eine neue Phase ein, in der »neue Strategien, neue politische Bündnisse und neue Instrumente nötig« sind. Als Ziele dieses Abschnitts will die baskische Linke »die nationale Anerkennung des Baskenlands und seines Selbstbestimmungsrechtes« erreichen. Dazu möchte sie die Auseinandersetzung mit Madrid und Paris auf der politischen Ebene führen.

Das Vorhaben entspricht den Vorstellungen von Arnaldo Otegi, Rufi Etxeberria und anderen führenden Linkspolitikern, die seit Anfang des Jahres darauf hingearbeitet hatten. Zur Zeit läuft an der Basis, in den Orten und Städten des Baskenlandes, eine breite Diskussion über die zukünftige Strategie und Taktik. 110 bekannte Linkspolitiker unterstützten mit ihrer Anwesenheit den angestrebten Paradigmenwechsel, der den Schwerpunkt des Kampfes vom Militärischen ins Politische verlegen soll.

Unterstützung erhielt die baskische Linke auch aus dem Ausland. Der Vorsitzende der irischen Sinn-Fein, Gerry Adams, verlangte bereits am Freitag von Madrid die sofortige Freilassung von Otegi und anderen linken Spitzenpolitikern. Auf der internationalen Konferenz über Konfliktlösungen am Samstag in Venedig, wo Otegis Anwältin Jone Gorizelaia die Erklärung von Altsasu verlas, rief der südafrikanische Mediationsexperte Brian Currin Madrid und Paris, aber auch London und Berlin auf, sie mögen positiv auf den Text reagieren.

Von der ETA lag am Sonntag noch keine Reaktion vor.

* Aus: junge Welt, 16. November 2009


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