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Es leben die Banken

Der Bundestag stimmt der Euro-Hilfe für Spanien zu

Von Markus Drescher *

Der Bundestag stimmte am Donnerstag für die Hilfen für Spanien aus dem Rettungsschirm EFSF. In Spanien selbst verabschiedete das Parlament weitere Kürzungsmaßnahmen und auf den Straßen wurde protestiert.

Eigentlich war schon Sommerpause, doch die Krise der europäischen Banken rief die Abgeordneten des Bundestags zurück in den Plenarsaal. Auf dem Rettungsplan standen diesmal Spaniens Banken. Insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro sollen dem spanischen Staat an Krediten aus dem Rettungsschirm EFSF bereitgestellt werden, der das Geld anschließend an die Krisenbanken weiterverteilt. 473 der 583 anwesenden Abgeordneten votierten für die Hilfen, 97 stimmten mit Nein. 13 enthielten sich. Die Regierung verpasste die symbolisch wichtige »Kanzlermehrheit«.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte in seiner Regierungserklärung zu Beginn der Debatte für die Hilfen geworben und die Haftung des spanischen Staates für das Geld betont: »Spanien stellt den Antrag. Spanien bekommt das Geld zur Bankenrekapitalisierung. Und Spanien als Staat haftet für die Hilfen aus dem EFSF.«

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatte nicht viel inhaltliche Einwände gegen die Hilfen und konzentrierte sich auf Kritik an der Überzeugungs- und Vermittlungsarbeit der Bundesregierung in der Euro-Krise. »Wer sich immer mehr von der Realität entfernt, dem glauben irgendwann die Menschen nicht mehr.«

Als einzige Partei im Bundestag lehnte die LINKE geschlossen den Regierungskurs in der Euro-Krise ab. Sahra Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, kritisierte, dass die Steuerzahler und die Kommunen ausgeplündert würden, um gigantische Summen für die Bankenrettung zu verpulvern. Sie forderte, dass die Banken für ihre Fehlentscheidungen haften müssten. Als Gegenmodell zu den jetzigen Märkten warb sie in ihrer Rede für einen am Gemeinwohl orientierten Finanzmarkt.

Vor der Debatte und Abstimmung im Bundestag hatte schon die Europakammer des Bundesrates prinzipiell den Plänen zugestimmt, gleichzeitig jedoch weitere Strukturreformen und eine »nachhaltige Strategie zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung« in Spanien angemahnt. Die Europakammer des Bundesrats ist ein Gremium, das in Angelegenheiten der Europäischen Union, die eine schnelle Reaktion erforderlich machen, stellvertretend für das Bundesratsplenum Beschlüsse herbeiführen kann.

Während im deutschen Parlament über die Rettung der spanischen Banken entschieden wurde, stimmte das spanische für ein bis zu 65 Milliarden Euro schweres Kürzungspaket der Regierung.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 20. Juli 2012


Handzahme Oppositionsparteien

Auch bei den Hilfskrediten für spanische Banken unterstützen SPD und Grüne den Kurs der Regierung

Von Aert van Riel **


SPD und Grüne haben erneut den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Euro-Krisenpolitik gestützt. In der Bundestagsdebatte zu den Hilfskrediten für spanische Banken präsentierten sich die meisten Abgeordneten der beiden Parteien als zahme Opposition. Die LINKE forderte dagegen ein Ende der spanischen Strukturreformen, die Einführung einer Millionärssteuer und einen »gemeinwohlorientierten Finanzsektor«. In Spanien wollten gestern Abend Millionen Menschen gegen die Kürzungspolitik auf die Straße gehen. Das Parlament in Madrid hatte am Donnerstag erneut ein Sparpaket verabschiedet.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gibt sich wenig kämpferisch. Nur selten erhebt er die Stimme während dieser Sondersitzung des Bundestages. Inhaltliche Kritik hat er kaum an dem Kurs der Bundesregierung, die die Zustimmung des Parlaments für europäische Hilfskredite von bis zu 100 Milliarden Euro für marode spanische Banken benötigt, um auch in der Eurogruppe mit Ja stimmen zu können. Kurz vor Beginn der Bundestagssitzung hat Steinmeier in seiner Fraktion um Zustimmung geworben. Dabei haben sich trotz heftiger Debatte nur elf bis zwölf Abweichler zu erkennen gegeben.

Im Plenum mimt der SPD-Fraktionsvorsitzende den Anwalt der kleinen Leute. »Die Bürger wollen einer Erklärung, wie viele Rettungspakete noch nötig sein werden«, fordert er von der Regierung. Eine ähnliche Forderung hatte kürzlich auch Bundespräsident Joachim Gauck an die Kanzlerin gerichtet. »Sie regieren nur noch, weil SPD und Grüne nicht parteipolitisch, sondern in europäischer Verantwortung entscheiden«, sagt Steinmeier in Richtung Angela Merkel. Immerhin stellt er in Aussicht, dass er unter bestimmten Bedingungen die Zusammenarbeit mit ihr in der Euro-Krisenpolitik aufkündigen würde. »Es wird mit uns keinen direkten Weg von der Spanien-Hilfe zur dauerhaften Rekapitalisierung von kriselnden Banken geben«, versichert der Sozialdemokrat.

Ganz anders tritt Jürgen Trittin auf. Wild gestikulierend und laut rufend, versucht der Grünen-Fraktionschef den Anschein eines Oppositionspolitikers zu erwecken. Inhaltlich befürwortet auch er seit langem die Krisenpolitik von Schwarz-Gelb. »In Spanien gibt es keine Staatsschuldenkrise, sondern eine Bankenkrise, weil eine Immobilienblase geplatzt ist. Nun muss der marode spanische Bankensektor restrukturiert werden. Aber alleine schaffen die Spanier es nicht«, ruft Trittin. Dass es auch möglich sei, spanische Banken abzuwickeln, begrüße er. Das Abkommen mit Madrid sieht vor, Hilfen nur den Banken zu gewähren, die zuvor überprüft worden sind.

Die Bedenken, die einige Oppositionspolitiker in den vergangenen Tagen geäußert hatten - dass, sobald die Frage der europäischen Bankenaufsicht geklärt sei der dauerhafte Rettungsschirm ESM den spanischen Banken direkt helfen könne - , versucht Finanzminister Wolfgang Schäuble in seiner Regierungserklärung auszuräumen. »Spanien ist der Antragsteller und haftet folglich auch für die Gelder«, sagt Schäuble. Das Hilfsprogramm startet unter dem vorläufigen Euro-Rettungsschirm EFSF und soll später vom ESM übernommen werden, sobald dieser einsatzbereit ist. Aber das zieht sich wegen der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht noch mindestens bis September hin. Die »Hilfen für Spanien« seien dringend notwendig. »Es besteht eine gravierende Ansteckungsgefahr und somit auch eine Gefahr für die Stabilität der gesamten Euro-Zone«, so Schäuble. Spanien, das in einer schweren Rezession steckt, bescheinigt der CDU-Mann, auf einem guten Weg zurück zu einer wachstumsfähigen Wirtschaft zu sein. Insbesondere lobt er die Einführung der Schuldenbremse nach deutschem Vorbild und die Arbeitsmarktreform. Diese hatte etwa eine drastische Reduzierung der Abfindungen bei Entlassungen zur Folge.

Allein die Linksfraktion stellt sich geschlossen gegen solche neoliberalen Reformen und Hilfskredite für spanische Banken. Am Rednerpult steht Fraktions- und Parteivize Sahra Wagenknecht. »Anstelle der Steuerzahler sollten die Investoren und große Gläubiger haften«, fordert sie. Dieses Gesetz gelte auch in der freien Wirtschaft. Und wer diese wolle, müsse sich an die Regeln halten. Der Finanzsektor müsse gemeinwohlorientiert umgestaltet werden, fährt Wagenknecht fort. »Banken sollen lediglich investieren und Sparguthaben verwalten.«

Angela Merkel hört diese Forderungen nicht mehr. Sie hat kurz nach dem Beginn von Wagenknechts Rede den Saal verlassen.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 20. Juli 2012


Demokratie in der Krise

Standpunkt von Aert van Riel ***

Der Irrsinn in der Euro-Krisenpolitik geht in eine neue Runde. Gestern stimmte der Bundestag mit großer Mehrheit für die Gewährleistung von Milliardenkrediten für spanische Banken, die sich zumeist mit Immobiliengeschäften verzockt hatten. Leidtragende dieser Politik werden Arbeitnehmer, Rentner und Erwerbslose sein. Denn im Gegenzug zu den EU-Bankenhilfen verpflichtet sich die konservative Regierung in Madrid unter anderem trotz anhaltender Rezession zu einem harten Sparkurs, der weite Teile der Bevölkerung trifft.

Die »Spanien-Hilfe« ist nur eine von zahlreichen erfolglosen AntiKrisen-Maßnahmen, die vom Bundestag in den vergangenen Monaten abgesegnet wurden. Infolge dessen schwindet auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Abgeordneten rapide. In einer kürzlich vom Meinungsforschungsinstitut Forsa veröffentlichten Studie meinten 81 Prozent der Befragten, die Parlamentarier seien überfordert. Auch bei den Spanien-Krediten mussten sich viele Abgeordnete wieder einmal im Eiltempo informieren und auf einem Feld eine Entscheidung treffen, auf dem sie keine Experten sind. Hinzu kommt der Druck, sich der Fraktionsdisziplin zu beugen, den 77 Prozent der von Forsa Befragten kritisch bewerten.

Dass die Regierung ihre Informationspolitik ändert und Abgeordneten mehr Freiheit eingeräumt wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Somit wird sich parallel zur Wirtschaftskrise auch die Vertrauenskrise der repräsentativen Demokratie weiter verschärfen.

*** Aus: neues deutschland, Freitag, 20. Juli 2012 (Kommentar)


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