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Spaniens Vereinte Linke legt zu

Im Andalusien verhindert die IU, dass die Rechte die Region regiert

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Die Vereinte Linke (IU) hat bei den Regionalwahlen in Andalusien und Asturien deutlich zugelegt. Im großen Andalusien hat sich die Zahl der IU-Abgeordneten sogar von sechs auf zwölf verdoppelt.

Die kommunistisch dominierte Vereinte Linke legte im südspanischen Andalusien um 4,4 Prozentpunkte zu und erhielt fast 11,4 Prozent der Stimmen. Bei den vorgezogenen Wahlen im kleinen nordspanischen Asturien erhöhte die IU ihren Stimmenanteil von zehn auf 14 Prozent. Dort gewannen die Sozialisten (PSOE) die Wahlen mit 32 Prozent zwar, anders als in Andalusien haben die beiden Parteien aber nicht genügend Sitze, um die Regierung bilden zu können.

In Andalusien verhinderte die IU durch ihren Zugewinn immerhin, dass die rechte Volkspartei (PP) erstmals seit 30 Jahren an die Regierung gelangt. Die PP gewann die Wahlen zwar knapp mit 40,6 Prozent gegen die Sozialisten (PSOE), die um zehn Punkte auf 39,5 Prozent fielen. Doch die Volkspartei verfehlte ihr Ziel, der PSOE die letzte Hochburg zu nehmen.

Weil das Wahlsystem in Spanien kleine Parteien stark benachteiligt, reichten der PP im November vergangenen Jahres 44,6 Prozent der Stimmen, um Spanien mit absoluter Mehrheit zu regieren. Auch in Andalusien hatten die Konservativen im November 45,6 Prozent erhalten. PP-Spitzenkandidat Javier Arenas träumte denn auch noch am Sonntag von einem Wahlsieg - fast alle Umfragen und sogar erste Prognosen hatten ihn vorhergesagt. Doch am Ende büßte die Partei 400 000 Stimmen ein.

Der bisherige sozialistische Regierungschef José Antonio Griñán lag mit seiner Meinung richtig, wonach Umfragen stets die Rechten bevorteilen. Auch bei der IU lagen die Demoskopen daneben, sie hatten ihr nur neun oder zehn Abgeordnete zugebilligt. Mit ihren zwölf Mandatsträgern sorgt die Linke nun jedoch dafür, dass Andalusien den »rechten Durchmarsch« stoppt. IU-Spitzenkandidat Diego Valderas sagte, Andalusien werde nicht den Weg der Nachbarregion gehen. Dort, in der Extremadura, hatte die IU nach Regionalwahlen im Mai 2011 einen PP-Regierungschef ermöglicht. »Das ist aber kein Blancoscheck für Griñán«, warnte Valderas, der einen Linksschwenk erwartet.

Dafür sitzt die IU in der bevölkerungsreichsten Region des Landes am langen Hebel. Mit Blick auf den Generalstreik am Donnerstag sprach Valderas von einem Ergebnis, das die »Arbeitsmarktreform, die Einschnitte, die Korruption und auch die Griñán-Politik der letzten vier Jahre ablehnt«. Während die PSOE in Andalusien also die Gelbe Karte erhielt, musste die PP nach vier Monaten in der Zentralregierung in Asturien und Andalusien die Rote Karte dafür einstecken, dass sie zentrale Wahlversprechen gebrochen hat. Sie erhöhte Steuern, beseitigte per Dekret den Kündigungsschutz und verbilligte Abfindungen. Statt der Beschäftigung wurde damit nur die extreme Arbeitslosigkeit (gut 23 Prozent) gefördert. Ministerpräsident Mariano Rajoy und seine PP haben bei diesen Wahlen, bei denen nationale Themen dominierten, demnach die erste Rechnung für ihr autokratisches Vorgehen erhalten.

In Asturien kann die Rajoy-Partei bestenfalls Juniorpartner ihrer Abspaltung »Foro Asturias« werden. Entgegen allen Prognosen ist Letzteres (24,8 Prozent) nämlich erneut deutlich stärker als die PP (21,5 Prozent).

* Aus: neues deutschland, 27.03.2012


Schlappe für Rajoy

Spanien: Wähler in Andalusien und Asturien geben Zentralregierung Quittung für Sozialabbau. Vereinigte Linke legt deutlich zu

Von Carmela Negrete **


Weniger als 100 Tage nach ihrem Amtsantritt hat die konservative Regierung Spaniens ihren ersten Dämpfer bei zwei Regionalwahlen erhalten. »Die blaue Welle ist an den Despeñaperros und an den Spitzen Europas zerschellt«, freute sich der Chef der Vereinigten Linken (IU), Cayo Lara, unter Anspielung auf die Berge Andalusiens und die Küste Asturiens. In beiden autonomen Regionen mußte die seit den Parlamentswahlen im vergangenen November in Madrid regierende Volkspartei (PP) empfindliche Niederlagen einstecken, eine deutliche Quittung für die von Ministerpräsident Mariano Rajoy betriebene Politik der Kürzungen und des Sozialabbaus. Dabei hatte die PP mit Rücksicht auf die Wahlen sogar gegen den Willen Brüssels die Verabschiedung des Staatshaushalts mit weiteren Ausgabenkürzungen, bis Freitag verschoben.

Die seit 30 Jahren im landwirtschaftlich und touristisch geprägten Andalusien, einer der ärmsten Regionen Spaniens, regierende PSOE wurde 2011 durch einen Korruptionsskandal erschüttert, in den die Führung der Partei verwickelt war. Dieser sowie der auch schon unter der bis November amtierenden PSOE-Regierung von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero betriebene Sozialabbau hatten im Vorfeld der Abstimmung dazu geführt, daß die Umfragen der PP eine absolute Mehrheit prognostiziert hatten.

Nun wurde die PP in Andalusien zwar stärkste Partei, konnte mit 50 Sitzen jedoch nicht die Mehrheit in dem 109 Abgeordnete zählenden Regionalparlament erringen. Demgegenüber hat die sozialdemokratische PSOE, die Andalusien seit dem Ende der Franco-Diktatur und den ersten demokratischen Wahlen 1982 ununterbrochen beherrschte, zwar verloren und kommt nur noch auf 47 Sitze, doch zusammen mit der kommunistisch geprägten IU, die ihre Präsenz auf zwölf Mandate verdoppeln konnte, liegt sie deutlich vor der Rechten.

Juan Manuel Sánchez Gordillo, Bürgermeister des als »kommunistisches Dorf« bekannt gewordenen Marinaleda und eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Linken, versprach den Wählern seiner Liste jedoch, keinen Pakt mit der PSOE einzugehen. Ebenso wie die PP seien die Sozialdemokraten »eine weitere Partei des Kapitals«. IU-Chef Cayo Lara vermied am Wahlabend hingegen eine Festlegung. Die Andalusier hätten die Wahl gehabt, die politische Richtung nach links oder rechts zu verändern, und sie hätten sich für einen Schwenk nach links entschieden. Ein solcher habe »nichts zu tun mit der von Mariano Rajoys PP vorgeschlagenen Politik«, unterstrich der IU-Generalkoordinator. Damit stehen die Linken vor einer schweren Entscheidung. Wenn sie ein Zusammengehen mit der PSOE verweigern, droht Andalusien eine Minderheitsregierung der PP wie in der Nachbarregion Extremadura, wo die Stimmenthaltung der dortigen drei IU-Parlamentarier einer Rechtsregierung den Weg geebnet hatte.

In Asturien wurde die PSOE mit 16 Sitzen stärkste Partei, doch auch mit Unterstützung der Linken, die auf fünf Mandate zulegen konnte, wird es hier nicht für die Mehrheit reichen. Die PP erreichte zehn Sitze, während das als Rechtsabspaltung von ihr entstandene und die Region seit dem vergangenen Jahr mit einer Minderheitsregierung beherrschende Asturische Forum (FAC) 13 Abgeordnete entsendet. Beide zusammen könnten in der vom Bergbau geprägten Region im Norden Spaniens eine Koalitionsregierung bilden.

** Aus: junge Welt, 27.03.2012


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