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Aus den Trümmern Jugoslawiens

Die Militarisierung deutscher Außenpolitik im Spiegel der Zerschlagung eines Staates

Von Cathrin Schütz*

Im Zuge neuer Kriege gerät das Gedenken an den Angriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien in Vergessenheit. Die Aufarbeitung des ersten Krieges, an dem die Bundesrepublik Deutschland militärisch teilnahm, ist in weite Ferne gerückt. Auch in Deutschland erntet der US-Amerikaner Michael Moore, der sich gegen Bushs Kriegspolitik im Irak stellt und General Wesley Clarks Kandidatur im Präsidentschaftswahlkampf unterstützte, viel Beifall. Clark, als NATO-Oberkommandierender für Europa ein Hauptverantwortlicher für die Bombardierung Jugoslawiens, sei der „Anti-Kriegskandidat“, erklärt Moore seinen Anhängern aus dem linken Spektrum.

„Kollateralschäden“ wie die Bombardierung von Zivilisten in Varvarin, von Splitterbomben durchsiebte Körper in Nis, vom Bombenhagel auf das Gebäude von Radio-TV Serbien getötete Journalisten und Angestellten der chinesischen Botschaft stießen, ganz wie die „humanitäre“ Militärintervention selbst, mit Ausnahme Griechenlands in der Bevölkerung der NATO-Staaten auf geringen Widerstand. Auch das linke Spektrum ließ sich von den Argumenten über Humanität und Menschenrechte vereinnahmen und unterstütze - wenn auch nicht einstimmig den militärischen - Kampf gegen das „Belgrader Regime“.

Die erste direkte deutsche Teilnahme an einem noch dazu völkerrechtswidrigen Angriffskrieg veränderte die deutsche Außenpolitik maßgeblich: Kriege sind seitdem - nicht erst seit dem „11. September“ - wieder legitimes Mittel der Politik. Kanzler Schröder selbst wunderte sich, „wie wenig wahrgenommen worden ist, dass die Entscheidung zum Krieg eine fundamentale Veränderung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik bedeutet hat.“

Die Bundeswehr wird zur globalen Interventionsarmee ausgebaut, um, so Minister Peter Strucks verteidigungspolitische Richtlinien, Deutschland auch am Hindukusch zu verteidigen. „Es geht ja nicht darum, dem Militärischen einen unverdienten Raum zu geben, sondern diesen Aspekt der Außenpolitik nicht zu tabuisieren, was lange gemacht wurde“, so Schröder Ende 2001.

Diese Entwicklung war schon 1992 in den Richtlinien von CDU/CSU vorgezeichnet. Nur war sie damals, vor dem „humanitären“ Krieg gegen Jugoslawien, der Öffentlichkeit noch nicht in aller Klarheit zu vermitteln.

„Ich finde es nur falsch, die Moral im Kurzschluß mit Fragen von Krieg und Frieden zu verbinden, ohne das Moment des nationalen Interesses zu berücksichtigen. ... Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, dass die Bundesregierung, Koalition und Generalität ... Anlässe suchen oder Anlässe schaffen werden, um die Barrieren abzuräumen, die es gegenüber der Außenpolitik des vereinigten Deutschland noch gibt. Als Vehikel dienen dabei die Menschenrechts- und die Humanitätsfragen." (1) „Wo deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg gewütet haben, darf es keine Einsätze geben. Ich wäre froh, wenn die, die das wollen, sich nicht wenigstens andauernd hinter der Humanität verstecken würden, um eben diese Position durchzusetzen", so Joseph Fischer - im Jahr 1994. (2)

Spätestens seit dem NATO-Krieg von 1999 gehören diese Grundsätze für ihn zur Geschichte. Er stellte dann auch klar, dass er keine grüne Außenpolitik mache, sondern deutsche. (3) Der Krieg gegen Jugoslawien war der Türöffner für nachfolgende und bevorstehende Kriege. Noch während des Bombardements verabschiedete die NATO ein neues Strategiekonzept, das ihr das Recht zu offensiven „out-of-area“ Einsätzen gibt. Wurde der Völkerrechtsbruch im Krieg gegen Jugoslawien noch thematisiert und mühsam unter den humanitären Teppich gekehrt, spielen solche Überlegungen im andauernden Krieg gegen den Terror schon fast keine Rolle mehr.

Die Bundesrepublik ist nicht „hineingeschlittert“

Um die Entwicklung bundesdeutscher Außenpolitik zu verstehen, sollte der Blick nicht auf den militärischen Höhepunkt der Aggression gegen Jugoslawien von 1999 beschränkt bleiben, in die Deutschland, folgt man General a.D. Heinz Loquai, keinesfalls als Bündnismitglied „hineingeschlittert“ ist, sondern bereits im Frühjahr 1998 als erstes Land zu einer militärischen Lösung zu tendieren schien. (4) Jugoslawien war für eine Emanzipation bundesdeutscher Außenpolitik entscheidend und deren Beginn ist 1991 zu verzeichnen.

Die Anerkennung von Slowenien und Kroatien im Dezember 1991 stellte ein erstes massives außenpolitisches Auftreten der BRD dar. Im Alleingang preschte die Regierung Kohl/Genscher trotz aller Warnungen auf der internationalen Bühne hervor und vereitelte Verhandlungslösungen, die die blutigen Bürgerkriege im auseinander brechenden Jugoslawien hätten verhindern können. „Ungeachtet aller feierlichen Erklärungen über Friedensverantwortung und Verzicht auf Machtstreben“, von der deutschen Regierung gerade ein Jahr zuvor im Rahmen des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“ abgegeben, „mischte sich die Bundesrepublik massiv in die inneren Angelegenheiten eines der Staaten der Antihitlerkoalition ein. Deutschland, einig und wieder erstarkt, betrat die außenpolitische Bühne und betrieb erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder offen Großmachtpolitik – auf dem Balkan, wo es schon zweimal in diesem Jahrhundert angetreten war und schlimmes Unheil angerichtet hatte.“ (5)

Einen „Unabhängigen Staat Kroatien“ gab es schon einmal, 1941 als Schöpfung Hitlers und Mussolinis, gestützt von der katholischen Kirche und geführt von der faschistischen Ustascha. Ein halbes Jahrhundert später wurde erneut ein unabhängiges Kroatien unter dem Einfluß Deutschlands und des Vatikans geschaffen, regiert von der Partei Franjo Tudjmans, die sich offen an der Politik der Ustascha orientierte, die unter dem faschistischen Führer Ante Pavelic einen der schrecklichsten Völkermorde des 20. Jahrhundert begangen hatten, dem hunderttausende Serben zum Opfer fielen. (6) Die Greueltaten der Ustascha gehören bis heute zu den am wenigsten beachteten Verbrechen des Zweiten Weltkrieges. Wäre die Erinnerung daran nicht nur in den Köpfen der serbischen Überlebenden und Nachkommen verhaftet, hätte die deutsche Anerkennungspolitik wie auch die mediale Darstellung des Konfliktes in Kroatien nicht so unwidersprochen von statten gehen können.

Kurt Köpruner, als Geschäftsmann in den 1990ern viele Male im zerfallenden Jugoslawien und Augenzeuge der Tragödie, erfuhr aus der hitzigen Debatte um den drohenden Zerfall des Landes in Kroatien Ende 1990: „Sollte es wirklich zu einer Auflösung Jugoslawiens kommen, würde das unmöglich ohne schreckliche Gemetzel abgehen, mit hunderttausenden Toten“. (7) Warum diese Überzeugung vorherrschte, dämmerte ihm, als er gelesen hat, wie der Zweite Weltkrieg am Balkan verlaufen ist. Er erfuhr zum ersten mal von Massenschlächtereinen der Ustascha, muslimischen und albanischen SS-Divisionen.

Tudjman, der in den ersten Mehrparteienwahlen in Kroatien im Frühjahr 1990 die Präsidentschaft gewann und das Land 1991 mit Hilfe Deutschlands in die Unabhängigkeit führte, verharmloste schon 1989 den Holocaust im allgemeinen und die Ustascha-Verbrechen an Serben im Vernichtungslager Jasenovac im speziellen.

Unter Tudjman kam es zu einer Wiedereinführung der Ustascha-Symbole und -Ideale. Eine neue Verfassung erwähnte die Rechte von kroatischen Serben mit keinem Wort. Ein „systematisch und von oben gesteuerter“ Terror gegen die Serben in Kroatien setze ein. Es kam zu Massenentlassungen, „Aufforderungen zum Verlassen des Landes wurden an die Häuser der Serben geklebt.“ (8) In der von Tudjman als illegal erklärten Volksbefragung entschieden sich die kroatischen Serben für den Verbleib in Jugoslawien.

Monate vor Anerkennung und Kriegsausbruch kam es am 2. Mai 1991 zur „Dalmatinischen Reichskristallnacht“. Mit Hilfe der ortsansässigen Polizei zerstörten 2.000 Kroaten in einer mehrstündigen Aktion 116 serbische Geschäfte und Häuser in Zadar. (9) Am 16. Oktober 1991 folgte die „Nacht der langen Messer“, in der über 100 serbische Zivilisten gefoltert und exekutiert wurden. (10) Die westlichen Medien schwiegen. Im Dezember 1993 hieß es einzig in der New York Times: „Nach einer Meldung des neuen Zagreber Menschenrechtsbüros hat die Regierung von Kroatien tausende ihrer Gegner zum Verlassen ihrer Häuser und des Landes gezwungen. Die Taten sind hauptsächlich gegen Serben gerichtet, aber auch gegen Kroaten, die sich in der Opposition zur Politik des Präsidenten Tudjman befinden. Seit 1991 haben die kroatischen Behörden zehntausende Häuser hauptsächlich von Serben, aber auch Häuser von Kroaten in die Luft gesprengt... Ganze Familien wurden getötet. Insgesamt sind etwa 280.000 kroatische Serben aus dem Land geflohen.“ Nach Susan Woodward hatte die kroatische Regierung schon 1993 alle Serben vertrieben, die unter ihrer Kontrolle standen. (11) Es sei zu fragen, ob „das die Demokratie ist, die die Serben, als einheimisches Volk, die ein Drittel des von Tito geschaffenen kommunistischen Kroatien bewohnten, akzeptieren sollten?", so die NYT, die im April 1997 ergänzte: „Ist der Westen inzwischen so krank geworden, dass er dem kroatischem Faschismus ein Leben nach dem Tod erlaubt?“

In wie weit das kroatische Volk, auch in Vorahnung des Blutvergießens, die Politik Tudjmans getragen hat, bleibt offen. Die Volksabstimmung der Kroaten über die Unabhängigkeit kann jedenfalls nicht als Maßstab gelten, war sie doch alles andere als der im Westen gefeierte „eindeutige und überwältigende Wille des kroatischen Volkes“. Auf die Wähler wurde erheblicher Druck ausgeübt, um das Kreuz an der richtigen Stelle zu setzen. (12)

Das Zerrbild von der serbischen Expansion

Die deutsche Anerkennung ist nicht nur hinsichtlich der kroatischen Kräfte, die damit gestärkt wurden, zu hinterfragen. Auch aus rechtlicher Sicht ergeben sich Einwände. Völkerrechtsexperten sind sich mehrheitlich einig, daß die Sezession von Slowenien ein Vollzug des Selbstbestimmungsrechtes der Völker war. In Kroatien und Bosnien, wo ein Großteil aller nicht in Serbien lebenden Serben seit Jahrhunderten in geschlossenen Gebieten siedelte, war sie jedoch völkerrechtswidrig. (13)

Slobodan Milosevic machte wiederholt auf die Problematik aufmerksam. Er stellte sich nicht gegen das Selbstbestimmungsrecht, sonderte forderte das Recht für jedes Volk ein. „Er wies auf die über sechshunderttausend in Kroatien lebenden Serben, die in einzelnen Regionen Slawoniens und der Krajina klar die Bevölkerungsmehrheit stellten. Auch diesen müsse das Selbstbestimmungsrecht zugestanden werden. Die bisherigen Republiksgrenzen in Jugoslawien ... seien reine Verwaltungsgrenzen.“ (14)

Serbien zeigte sich um die Verhandlung der Grenzen bereit und warnte davor, dass eine Partei – wie dann durch die deutsche Anerkennung geschehen - vollendete Tatsachen schaffe, die eine unkontrollierbare Eskalation bedeuten würde. Von den Serben wurde mit der Aufgabe ihrer historischen Gebiete Unmögliches gefordert. Die Serben „haben Slowenien verabschiedet. Sie hätten auch Kroatien ohne die Krajina entlassen. Da es der Wille der dort lebenden Serben war, wollte Belgrad die Krajina an das Mutterland binden. Kroatien und später Bosnien aber wollten historische serbische Gebiete in die Unabhängigkeit mitnehmen.“ (15)

Charles Boyd, stellvertretender Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, stellte sich 1995 in Foreign Affairs gegen das „landläufige Bild dieses Krieges als einer unerbittlichen serbischen Expansion.“ Ein großer Teil von dem, was die Kroaten die „besetzten Gebiete“ nennen, sei Land, das den Serben seit mehr als drei Jahrhunderten gehöre. „Dasselbe gilt für die meisten serbischen Gebiete in Bosnien, von denen die westlichen Medien häufig als den 70 Prozent Bosniens sprechen, die von rebellischen Serben eingenommen sind. Kurz, die Serben versuchten nicht, neues Territorium zu erobern, sondern lediglich an dem festzuhalten, was ihnen bereits gehörte."

Die Milosevic-Regierung forderte das Recht auf Selbstbestimmung auch für die serbische Bevölkerung und warnte vor einer Wiederholung der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges. „Als die Kroaten ihre Unabhängigkeit verkündeten, gaben sie den Serben in ihrem eigenen Gebiet - und es gibt 600.000 von ihnen - keinerlei Garantien. Es war deshalb verständlich, dass die Serben sehr besorgt waren. Vor allen Dingen, wenn wir uns an die Verbrechen der Ustascha während des zweiten Weltkriegs erinnern“, so Lord Carrington. Doch als man einer Lösung für das Krajina- und Slawonienproblem nahe stand, „beschloß die Europäische Gemeinschaft Ende des Jahres 1991, Slowenien und Kroatien anzuerkennen. Kroatien bekam was es wollte, Slowenien ebenso, und sie hatten kein Interesse mehr an der Fortsetzung der Friedenskonferenz. Hans Dietrich Genscher wollte internationale Anerkennung für Slowenien und Kroatien. Praktisch alle anderen lehnten dies ab." (16)

Doch die Ängste, die bei Serben erwachten, wurden ignoriert und als aggressives „Großserbien“-Projekt dargestellt. (17)

Fremde Staaten begannen schnell, sich in den Konflikt einzumischen. Deutsche Militärinstrukteure waren in Kroatien tätig und die Bundeswehr nahm an Luftraumüberwachungen und der Schnellen Eingreiftruppe in Bosnien teil. Illegale deutsche Waffenlieferungen erfolgten, teils über den deutschen Geheimdienst, an Slowenien und Kroatien. (18) Die USA stellten sich gegen Serben und unterstützte Kroaten und Bosnische Muslime. „Schließlich haben die NATO-Mächte den kroatischen Nationalismus unterstützt und 1995 konnte Tudjmans Armee, ausgebildet von den US-Offizieren und illegal von der »internationalen Gemeinschaft« aufgerüstet, die ethnische Säuberung der Krajina-Serben erfolgreich beenden, die 1941 mit der Unterstützung der Nazis begonnen hatte.“ (19) Die so genannte „Operation Sturm“, die brutalste Kampagne ethischer Säuberung im auseinander brechenden Jugoslawien, wurde neben dem Kroaten Ante Gotovina laut dem etablierten Militärjournal Jane’s Defense vom späteren kosovo-albanischen UCK-Führer Agim Ceku geplant und durchgeführt.

Im Falle Bosniens waren es die USA, die zur Anerkennung drängten. Wieder wurde der Konflikt als Ergebnis einer serbischen Aggression bezeichnet. Doch der frühere US-Außenminister Henry Kissinger definierte den Konflikt als einen von drei Seiten geführten Bürgerkrieg und keine Invasion, die gegen einen souveränen Staat von einem Nachbarstaat geführt wird. „Kroatien und Serbien unterstützen ihre Landsleute in Bosnien. Der am wenigsten zu verantwortende Fehler in der gegenwärtigen bosnischen Tragödie war die internationale Anerkennung des bosnischen Staates unter der Führung der Moslems. Deutschland gab ein Beispiel mit der vorzeitigen Anerkennung von Slowenien und Kroatien, und nach diesem Vorbild schuf die internationale Gemeinschaft alle neu gegründeten Staaten im Gebiet des früheren Jugoslawiens.“ (20)

Der NATO-Einsatz in Mazedonien, wo 2001 der Kampf aus dem Kosovo heraus operierender albanischer Rebellen eskalierte, war in Deutschland umstritten. Die „Entscheidung gegen einen Einsatz der Bundeswehr wäre ein wichtiger und äußerst wertvoller Schritt hin zu einer Wende in der deutschen Politik und bliebe nicht ohne Bedeutung für die zukünftige Politik in Europa und selbst das Verhalten der USA“, so Knut Mertens von Bündnis 90/Die Grünen. (21) Der Bundestag jedoch hat dem Einsatz „Essential Harvest“, bei dem es nicht um friedliches Waffeneinsammeln, sondern einen klaren Kampfeinsatz der NATO bzw. Bundeswehr ging, am 30.8.2001 zugestimmt. (22)

Obwohl Gernot Erler (SPD) bei seiner Werbung für den Einsatz deutscher Soldaten dessen zeitliche Begrenzung beteuerte, wurde die Nachfolgeoperation „Amber Fox“ vom Bundestag am 27.9.2001 beschlossen. Nahezu unbemerkt übernahm Deutschland im Schatten des 11. September die Leitung des NATO-Mandats in Mazedonien.

Wer verantwortet die Gewalt im Kosovo?

Dem NATO-Krieg von 1999 war die Stationierung deutscher Truppen im Kosovo im Rahmen der KFOR gefolgt. Unter dem tolerierenden Auge von NATO und UNO gedeiht nicht nur die organisierte Kriminalität. Dauerhaft, geplant und eben wieder massiv eskalierend geht die ethnische Säuberung des Kosovo von allen Nicht-Albanern von statten.

Entgegen den offiziellen Bekundungen, die UCK zu entwaffnen und ein multikulturelles Kosovo wiederherzustellen, haben vor allem die USA und die BRD durch die Unterstützung des Kosovo-Schutzkorps den Terror im Kosovo nach dem NATO-Krieg finanziert. Alle anderen Länder hatten die Unterstützung des aus ehemaligen UCK-Kämpfern gebildeten Korps eingestellt, nachdem bewiesen war, dass Morde und Gewalttaten auf ihr Konto gingen. (23) Hintergrund der in einem Erlass des US-Präsidenten von 1999 formulierten Anweisung, die UCK in terroristischen Taktiken auszubilden, war offenbar der Gedanke, etwa im Falle eines Wahlgewinns von Milosevic mit ihrer Hilfe eine neue Krise entzünden zu können. (24)

Ob die aktuellen koordinierten Gewalt- und Verteibungsakte von ausländischen Kräften gestützt werden oder nicht, sie haben diese Gewalt mit zu verantworten. In der schon 1998 vorherrschenden Praxis wird die terroristische Gewalt der albanischen Kämpfer, die von je her für ein „ethnisch reines Kosova“ eintreten, beiden Seiten zugeschrieben. Auch jetzt fordert der UNO-Sicherheitsrat in absurder Verdrehung der Gegebenheiten „die serbische und die kosovo-albanische Seite auf, ihre Gewalt einzustellen“.

Die Wiederherstellung eines multikulturellen Kosovo gehörte lange schon zu den Märchen, die nur jene glaubten, die da meinten, die NATO habe 1999 aus „humanitären Gründen“ interveniert.

Anmerkungen:
  1. Die Woche, 30.12.1994
  2. Fischer zit. in: Horst-Eberhard Richter, IPPNW zum Jugoslawienkrieg, http://www.nato-tribunal.de/
  3. Vgl. Stern, 24.3.1999
  4. Vgl. Heinz Loquai, Weichenstellungen für einen Krieg, Nomos, Baden-Baden 2003, S. 44f.
  5. Ralph Hartmann, Die ehrlichen Makler, Dietz Verlag, Berlin 1999, S. 13
  6. Nach dem Zweiten Weltkrieg floh Pavelic über Rom nach Argentinien und starb 1954 in einem deutschen Krankenhaus in Madrid, nachdem ihm Papst Pius XII den persönlichen Segen erteilt hatte. Der kroatische Völkermord an den Serben wurde bis heute weder angemessen verurteilt noch ernsthaft studiert. Bei der Eröffnung des Holocaust-Museums in Washington wurde die Geschichte pervertiert: die Kroaten waren als US-Verbündete eingeladen, die Serben nicht. Diese und folgende Darstellungen beziehen sich in weiten Teilen auf die Ausführungen von Diana Johnstone, Fool’s Crusade, Yugoslavia, NATO and Western Delusions, Monthly Review Press, New York 2002
  7. Kurt Köpruner, Reisen in das Land der Kriege, Espresso, Berlin 2001, S. 27
  8. Malte Olschewski, Von den Karawanken bis zum Kosovo. Die geheime Geschichte der Kriege in Jugoslawien, Braumüller, Wien 2000, S. 34
  9. Köpruner, S. 42ff.; Olschewski, S. 34
  10. Vgl. Olschewski, S. 38
  11. Die andere Hälfte befand sich in der Krajina und in Teilen Kroatiens, die nicht unter Tudjmans Kontrolle standen. Diese wurden 1995 in der Operation Sturm mit der Unterstützung der US-Regierung vertrieben.
  12. Vgl. Köpruner, S. 51ff.
  13. Vgl. Olschewski, S. 14
  14. Köpruner, S. 31
  15. Olschewski, S. 14
  16. Profil, 1. Dezember 1993
  17. Das angebliche Ziel Milosevics, ein Großserbien zu errichten, bleibt bis heute seiner Beweise schuldig. Wie Ralph Hartmann aufzeigt, kann Milosevics „Amselfeld-Rede“ nur dann zum Beweis seiner „aggressiven“, „nationalistischen“ Linie hervorgezogen werden, wenn sie durch Kürzungen Sinn entstellt wird.
  18. Vgl. u.a. Olschewski, S. 78, 80
  19. Die Verwicklung der USA in die Operation wurden am 28.2.2002 im US-Kongreß offen angesprochen. Vgl. „The U.N. Crminal Tribunals for Yugoslavia and Rwanda: International Justice or Show of Justice?“, Hearing before the Committee on International Relations, House of Representatives, 107th Congress
  20. Washington Post, 17. Mai 1993
  21. Knut Mertens, Neues NATO-Protektorat oder ehrliche Friedenspolitik?, Zeit-Fragen, 20. August 2001, 9. Jg., Nr. 33, S. 1
  22. Vgl. Tobias Pflüger, Krieg, und zwar richtig, junge Welt, 23.8.2001
  23. Vgl. Interview mit dem US-Kongreßabgeordneten Dennis Kucinich von Cathrin Schütz, Wird Sanktionspolitik bald beendet? Interview mit Dennis Kucinich, junge Welt, 7.10.2000.
  24. Vgl. Dennis Kucinich, What I learnt from the War, The Progressive, August 1999
* Von Cathrin Schütz erschien Ende 2003 das Buch „Die NATO-Intervention in Jugoslawien. Hintergründe, Nebenwirkungen und Folgen“, Wilhelm Braumüller Verlag, Wien

Aus: Neues Deutschland, 26. März 2004


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