Für eine präventive Politik für Montenegro
Von Andreas Buro
In einer Leserzuschrift an die Frankfurter Rundschau vom 17.07.2000 entwickelt Andreas Buro vom Komitee für Grundrechte und Demokratie ein Programm, das helfen könnte, den Krisenherd Balkan langfristig zu beruhigen. Militärischen "Lösungen", die neuerdings in Bezug auf die jugoslawischen Teilrepublik Montenegro diskutiert werden, wird dabei eine klare Absage erteilt. Andreas Buro hat auch bezüglich anderer Konflikte (Türkei-Kurdistan, Tschetschenien, Osttimor) eine strikt nicht-militärische, zivile Politik der Prävention und Gewaltverhütung gefordert. In der Dokumentation zum 6. Friedensratschlag 1999, die im August 2000 erscheint ("Nach dem Jahrhundert der Kriege - Alternativen der Friedensbewegung", hrsg. von Ralph-M. Luedtke u. Peter Strutynski, Jenior Verlag: Kassel 2000) sind zwei Beiträge von Andreas Buro abgedruckt.
Der nachfolgende Beitrag von Buro bezieht sich auf einen Rundschau-Artikel vom 10.07.00), in dem u.a. die NATO aufgefordert worden war, "klare Sicherheitsgarantien" für Montenegro abzugeben, damit Belgrad vor einem "Überfall" auf Montenegro abgehalten werden könne und sich der Westen somit eine "nachträgliche Intervention erparen" könne.
Andreas Buro schreibt hierzu:
Der Argumentation kann ich nicht folgen. Die montenegrinische Bevölkerung ist in der Frage des Austritts des Landes aus Jugoslawien gespalten. Wahrscheinlich ist deshalb, dass es im Konfliktfall zu einem Bürgerkrieg kommt, dessen eine Seite von der Nato und dessen andere Seite von Belgrad unterstützt würde. Eine Sicherheitsgarantie des Westens würde auf einen neuen Balkankrieg der Nato hinauslaufen, in dem das Land schweren Schaden erleiden würde. Zudem hätte eine solche Entwicklung ein neues de facto Protektorat der Nato-Staaten neben Bosnien und Kosovo zur Folge. Eine fatale Lösung !
Für Belgrad würde das Ausscheiden Montenegros das Ende Jugoslawiens bedeuten. Serbien ist im eigenen Bereich mit separatistischen Bestrebungen konfrontiert und fürchtet weiteren Zerfall. Auch der Zugang Belgrads zur Adria würde durch ein Ausscheiden Montenegros zumindest wesentlich erschwert werden. Das Verhalten Montenegros beeinflußt die serbische Politik also stark. Der Konflikt ist demnach nicht nur ein "Milosevic-Problem", sondern von grundsätzlicher Art. Für beide Seiten muß eine befriedigende Lösung gefunden werden.
Gefragt ist eine friedenspolitische, präventive Politik. Von ihr wird gesprochen, nur nicht betrieben. Ihr Kern müßte sein, aus dem "Stabilitätspakt für Südosteuropa", der bisher nicht mehr als ein Wechsel auf eine ungewisse Zukunft darstellt, einen wirklichen Stabilisierungspakt für Frieden und Kooperation auf dem ganzen Balkan, also unter Einschluss Jugoslawiens so wie es zurzeit nun mal ist, zu machen. Elemente einer Prävention wären:
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Jugoslawien und seine Teilstaaten Serbien und Montenegro unter der Bedingung des Gewaltverzichts voll in den Balkan-Stabilitätspakt zu integrieren. Dabei ist es von größter Wichtigkeit, die Menschen dieser Gesellschaften, die bislang nie gefragt wurden, in den Prozess der Verständigung aufmerksam und vielschichtig mit einzubeziehen.
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Alle Beschränkungen gegenüber Jugoslawien aufzuheben, Jugoslawien wieder in die internationalen Organisationen aufzunehmen, um sie in diesen in eine zukunftsträchtige, friedenspolitsche Orientierung und in internationale Verpflichtungen und Normen einzubinden.
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Jegliche Drohungen von Seiten der Nato- und EU-Staaten, mit Gewaltmitteln eingreifen zu wollen, zu unterlassen. Ferner sind alle Balkanstaaten aufzufordern, ihren Einfluss für eine friedliche Lösung geltend zu machen. Schnelle Schritte der Deeskalation wären hilfreich. Darunter ein Erklärung des Europäischen Parlaments und des EU-Ministerrats und die Stationierung von OSZE-Beobachtern. Sollte das nicht möglich sein - Jugoslawien wurde aus der OSZE ausgeschlossen
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so könnte die Beobachtungsfunktion durch Gruppen friedenspolitischer Nicht-Regierungsorganisationen aus verschiedenen Ländern diese Funktion übernehmen.
Zu prüfen ist, ob in Montenegro von internationalen Friedensgruppen Projekte mit dem Ziel der Deeskalation und Versöhnung mit ansässigen Gruppierungen entwickelt werden können. In dieser komplexen Situation ist es unzureichend mit dem Finger auf den "Bösewicht in Belgrad" zu verweisen und ansonsten militärisch zu drohen. Nur die Kanonen und Gewehre von allen Seiten auf Serbien und Montenegro zu drehen, bringt totsicher den nächsten katastrophalen "humanitären" Krieg.
Professor Dr. Andreas Buro
Friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte
und Demokratie, Frankfurt am Main
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