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Neuer Anlauf zur Vereinten Republik Zypern

Friedensgespräche zwischen Inselteilen nach zweijähriger Auszeit fortgesetzt

Von Christiane Sternberg, Nikosia *

Die neue Runde der zyprischen Friedensverhandlungen beginnt in überraschender Einmütigkeit. Ziel ist eine Föderation mit zwei politisch gleichwertigen Landesteilen.

Sie waren die Stars des Tages, denn ihr Treffen am Dienstag war das bestimmende Ereignis in Zypern. Zum ersten Mal seit 18 Monaten kamen die Verhandlungsführer von Zyperngriechen und Zyperntürken zusammen, um über das Schicksal des Landes zu beraten. Derwisch Eroglu, das gewählte Oberhaupt der türkischen Zyprer, und Präsident Nikos Anastasiades als Repräsentant der griechischen Zyprer wagen einen neuen Anlauf, die Insel nach 40 Jahren der Teilung wiederzuvereinigen. Schon diese Woche sollen ihre Unterhändler die Verhandlungen aufnehmen.

Vorausgegangen war die überraschende Einigung auf eine gemeinsame Erklärung, die als Basis für die kommenden Gespräche gilt. Wichtigster Punkt in diesem nur zweiseitigen Dokument ist die Organisationsform einer Vereinten Republik Zypern: eine Föderation, die aus zwei politisch gleichberechtigten Bundesländern besteht. Sie werden sich sowohl territorial als auch kommunal an der jetzigen Verteilung der beiden Bevölkerungsgruppen orientieren: im Norden ein türkisch-zyprischer Teilstaat, im Süden ein griechisch-zyprischer, beide gemeinsam nach außen vertreten durch den Bundesstaat. Den türkisch-zyprischen Landsleuten, die stets auf den Bestand der bislang ausgeübten Selbstbestimmung in ihrer – wenn auch international nicht anerkannten, so doch faktisch existierenden – Türkischen Republik Nordzypern pochten, wurde damit ein gangbarer Kompromiss angeboten.

Die plötzliche Einigung beider Seiten auf eine gemeinsame Erklärung ist nicht zuletzt der Unterstützung der US-amerikanischen Regierung zu verdanken, die maßgeblich bei der Wahl der Formulierungen geholfen hat. Die Türkei wiederum, so berichten lokale Medien, drängte den türkisch-zyprischen Führer zu seiner Unterschrift. Ebenfalls auf Wunsch Ankaras wurde noch am Wochenende der bisherige türkisch-zyprische Unterhändler durch den gemäßigten Kudret Özersay ausgewechselt. Die Haltung der Türkei als politischer und ökonomischer Vormund Nordzyperns ist ausschlaggebend für den Verlauf der Gespräche. Die internationalen Interessen, die sich sowohl auf die erst kürzlich entdeckten Erdgasvorkommen vor Zypern richten als auch auf ein vereintes Zypern als Sicherheitsfaktor in der Region, verleihen den bevorstehenden Verhandlungen zusätzliches Gewicht.

Die Erklärung bilde eine »solide Grundlage« für eine »umfassende, gerechte und dauerhafte Regelung«, hieß es von der EU. Der Konflikt ist auch ein Hindernis in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Die Mittelmeerinsel ist seit 1974 geteilt. Der letzte vielversprechende Versuch zur Wiedervereinigung liegt zehn Jahre zurück. 2004 wurde ein Plan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zwar vom türkischen Norden abgesegnet, von den griechischen Zyprern jedoch abgelehnt.

Kritik kommt auch jetzt vorwiegend aus dem Süden: Während die konservative Regierungspartei DISY Nikos Anastasiades in seiner Entscheidung bestärkt und auch die linke Oppositionspartei AKEL sich für eine Fortsetzung der Verhandlungen auf Grundlage der gefundenen Übereinkunft stark macht, sind die Koalitionspartner DIKO und EVROKO sowie der Rest der Opposition auf Konfrontationskurs. Sie glauben, dass der türkisch-zyprischen Seite zu viele Zugeständnisse gemacht werden.

Die endgültige Entscheidung über den Vereinigungsplan liegt auch diesmal beim zyprischen Volk. Erst durch ein eindeutiges »Ja« beider Seiten würde das Werk, das nun begonnen wurde, mit Erfolg gekrönt.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 12. Februar 2014


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