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Zyperns Pleite in Sicht

Massiver Widerstand gegen »Hilfspaket« mit Zwangsabgabe für Kontoinhaber. Zustimmung im Parlament fraglich. Regierung legt entschärften Plan vor *

Statt der erhofften Rettung ist Zypern der Staatspleite ein Stück näher. Der Widerstand gegen eine geplante Zwangsabgabe für Kontoinhaber ist einfach zu groß. Euro-Gruppe und Internationaler Währungsfonds (IWF) hatten in der Nacht zum vergangenen Sonnabend in Brüssel ein »Hilfspaket« beschlossen. Das sah eine Zwangsbeteiligung aller Bankkunden an der Sanierung von Zyperns Staatsfinanzen vor. Selbst Kleinsparer sollten zahlen. Die inzwischen (grob gerechnet) sechste Rettungsaktion für eines der 17 Mitglieder des Währungsverbundes sollte so vor dem jeweils heimischen Publikum gerechtfertigt werden.

Nun wird nachgebessert. Aus Brüssel gibt es das Signal, Nikosia könne die Kleinsparer durchaus verschonen, Hauptsache sei, der geforderte Beitrag von 5,8 Milliarden Euro werde erbracht. Am Dienstag nachmittag (vor jW-Redaktionsschluß) sah es so aus, als sei ein Kompromiß in Sicht. Demnach würde die zypriotische Regierung einen neuen Plan vorlegen. Dessen Kernpunkte: Bankkunden mit Einlagen von bis zu 20000 Euro bleiben von der Sonderabgabe verschont, wie die BBC unter Berufung auf das Finanzministerium berichtete. Auf Guthaben zwischen 20000 und 100000 Euro wäre demnach eine einmalige Steuer von 6,75 Prozent fällig, während die Zwangsabgabe auf noch höhere Spareinlagen über 100000 weiter bei 9,9 Prozent liegen soll.

Ob diese neue Form der staatlichen Selbstbedienung funktionieren kann, war am Dienstag jedoch nicht klar. Zyperns Notenbankchef Panicos Demetriades sagte vor Abgeordneten, daß bei dieser Berechnung 300 Millionen Euro fehlen würden, die das Land als »Eigenanteil« zur »Rettung« beibringen muß. Der Zentralbanker warnte zudem vor massiver Kapitalflucht, sobald die Bankschalter wieder geöffnet würden. Die sind derzeit bis Donnerstag dicht.

Völlig unklar war zudem, ob das zypriotische Parlament dem Deal zustimmen würde – was für den frühen Dienstag abend vorgesehen war. Nicht auszuschließen war, daß die Abgeordneten sogar jede Art der Zwangsabgabe ablehnen könnten. Das würde die Brüsseler »Rettungsaktion« obsolet machen und das Land womöglich in die Zahlungsunfähigkeit führen. Normalerweise. Wer allerdings die immer grotesker anmutenden Konstrukte der Troika (EU, IWF, EZB) betrachtet, könnte annehmen, daß die sich ein noch abenteuerlicheres ausdenkt. Vielleicht eine europaweite Sammel­aktion unter Einschluß Rußlands?

Auf den großen östlichen Nachbarn der EU fokussiert sich nicht nur die Debatte, ob denn die Zypern-Hilfe überhaupt angebracht sei, wo doch so viel vermeintliches Schwarzgeld aus Moskau oder Sankt Petersburg auf die Insel geflossen ist. Rußlands Präsident Wladimir Putin gab dieser Version der Geschichte zusätzliche Nahrung, als er am Montag verkünden ließ, die EU-Pläne seien »unfair, unprofessionell und gefährlich«.

Nun soll eine EU-Abordnung nach Moskau reisen und dort für das »Rettungspaket« werben. Auch wenn das Thema nicht formal auf der Agenda stehe, »werden wir mit unseren russischen Partnern darüber reden«, kündigte EU-Kommissionssprecher Olivier Bailly am Dienstag an.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 20. März 2013


Islands Beispiel folgen!

Zockern das Handwerk legen

Von Sahra Wagenknecht **


Das herrschende Krisenmanagement führt Europa immer tiefer ins Chaos. Allein der Plan, Kleinsparer abzukassieren, wird früher oder später zu einem Bank-Run in anderen Euro-Ländern führen. Denn wer vertraut künftig noch einer EU-Einlagensicherung, die angeblich bis zu 100000 Euro garantiert, im Ernstfall aber nicht funktioniert? Das Sichere ist nicht mehr sicher. Die da oben können nicht mehr und die unten wollen nicht mehr.

»Stop the cuts, cut the debt, tax the rich«: Der Ruf nach dem sofortigen Ende der Kürzungspolitik, einem Schuldenschnitt und Reichensteuern ist in Europa nicht mehr zu überhören. Auch in Zypern lehnt eine große Mehrheit der Bevölkerung das von Brüssel und Berlin diktierte »Rettungsprogramm« ab. Es wird immer schwieriger, die Kombination aus Kürzungsdiktaten, Privatisierungen und Zwangsabgaben von Parlamenten abnicken zu lassen.

Auch in Deutschland ist die Zustimmung des Bundestags zum Zypern-»Rettungspaket« nicht gesichert. Zumal die Verlogenheit der Rettungspolitik immer deutlicher wird. Mit der Begründung, daß man die Spareinlagen der kleinen Leute sichern müsse, haben die europäischen Regierungen in den vergangenen Jahren etwa 4,5 Billionen Euro in die Rettung ihrer Banken gesteckt. Doch wie das Beispiel Zypern zeigt, ging es bei der Bankenrettung nie um die Ersparnisse der Bevölkerung. Nun sollen die einfachen Bankkunden in Zypern geschröpft werden, um ein überdimensioniertes und absurdes Finanzsystem zu retten.

Daß es zu dieser Politik Alternativen gibt, zeigt das Beispiel Island. Dort hat sich die Bevölkerung geweigert, für die Schulden der Banken zu bluten. Die ausländischen Gläubiger gingen leer aus, die Banken gingen in Konkurs, wurden anschließend vom Staat übernommen und kleinreguliert. Es wäre gut, wenn diese isländische Lösung in Zypern und anderen Ländern Schule machen würde. Statt die Besitzer großer Geldvermögen zu retten, sollte man die Spareinlagen der normalen Bevölkerung sichern. Um Verluste auszugleichen und den zypriotischen Bankensektor zu rekapitalisieren, müßten die Eigentümer und Gläubiger der Banken in die Pflicht genommen und Bankeinlagen über 500 000 Euro gepfändet werden. Das ist der einzige Weg, um dem Land eine Perspektive zu sichern und das Chaos zu beenden.

Konzerne und Superreiche haben jahrelang vom zypriotischen Finanzparadies profitiert. Da ist es nur billig, wenn sie auch für den Schaden aufkommen. In ganz Europa sollten die Schulden, die den Staaten durch die Bankenrettung entstanden sind, gestrichen werden. Ein solcher Schuldenschnitt muß zu Lasten der privaten Banken, Hedgefonds und Spekulanten erfolgen und die Kleinsparer verschonen. Unsoziale Kürzungen wären dann überflüssig. Was wir brauchen, ist eine Politik, die endlich den Mut aufbringt, den Zockern das Handwerk zu legen.

** Sahra Wagenknecht ist stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke

Aus: junge Welt, Mittwoch, 20. März 2013 (Kommentar)



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