"Unzureichender" Fortschritt auf Zypern
Linke Regierung in Nikosia sucht russische Unterstützung und lehnt NATO-Bindung ab
Von Harald Neuber *
Zyperns Präsident Dimitris Christofias und der türkisch-zyprische Volksgruppenführer Mehmet Ali
Talat trafen sich am Montag zur 13. Runde ihrer Verhandlungen über die Lösung des Zypern-
Problems. Zum Abschluss stellten sie zwar »einigen Fortschritt« fest, der jedoch »unzureichend«
sei.
Für das Jahr 2009 wünschten sich Christofias und Talat »Frieden und Wohlstand für Zypern, unsere
gemeinsame Heimat, ebenso wie für die ganze Welt«. Die guten Wünsche können indes nicht
darüber hinwegtäuschen, dass die Gespräche, die zur Überwindung der zyprischen Spaltung führen
sollen, nicht vom Fleck kommen. Nicht zuerst, aber auch nicht zuletzt liegt das an unterschiedlichen
Vorstellungen beider Seiten in internationalen Fragen.
Bei einem Besuch in Moskau hatte Dimitris Christofias Ende November den Vorschlag des
russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew, eine »neue europäische Sicherheitsarchitektur« zu
schaffen, wärmstens unterstützt. Und nicht nur das. Der Politiker der in Nikosia regierenden
Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes (AKEL) bezog auch entschieden gegen die NATO
Stellung. Nach dem Ende des Kalten Krieges habe der Nordatlantikpakt »keinen Grund mehr, weiter
zu bestehen«, sagte Christofias. Damit verärgerte er allerdings seinen türkisch-zyprischen
Verhandlungspartner. Als Talat wenige Tage später zur nächsten Gesprächsrunde mit dem
Präsidenten Zyperns zusammenkam, verlas er einen offenen Brief, in dem Christofias?
Schulterschluss mit Moskau indirekt als möglicher Grund zum Abbruch der seit September
laufenden Verhandlungen bezeichnet wurde. Zuvor schon hatte Talat das »falsche Verhalten« der
zyprischen Regierung gerügt.
Den Unwillen der Führung der sogenannten Türkischen Republik Nordzypern erregte auch ein
Kooperationsabkommen, das Christofias und Medwedjew unterzeichnet hatten. Die Regierungen
Zyperns und Russlands hatten darin eine »konstruktive Zusammenarbeit« mit dem Ziel vereinbart,
»eine effektive Arbeit der kollektiven Sicherheitssysteme auf globalen und regionalen Ebenen« zu
erreichen. Gemeinsam wolle man sich »für ein vereinigtes Europa ohne Trennlinien und Barrieren«
einsetzen -- ein klares Zeichen nach Ankara und in das besetzte Nordzypern. Zumal eine
Vereinbarung zur militärischen Zusammenarbeit zwischen Russland und Zypern aus dem Jahr 1996
erneuert wurde.
Mitte Dezember erklärte der Vorsitzende der zyprischen Regierungskommission für Sicherheit und
Austausch, Giorgos Chara-lambous, das Abkommen mit Moskau trage in Zeiten der
Weltwirtschaftskrise zur Stabilität der Kapitalmärkte bei. Russland profitiere von der
Zusammenarbeit, weil es sich im Umgang mit Zypern an die EU-Standards anpasse.
Ausdrücklich geht das Kooperationsabkommen auf den Medwedjew-Vorschlag ein: »Die Republik
Zypern begrüßt den Vorschlag des Präsidenten der Russischen Föderation, einen neuen und
rechtlich bindenden Vertrag über europäische Sicherheit anzunehmen.« Ein solcher Vertrag würde
an die Idee gegenseitiger Sicherheitsgarantien in der euro-atlantischen Region anknüpfen.
Innenpolitisch führt diese Moskau-nahe Linie in Zypern zwar zu Debatten. Doch die Regierung lässt
sich von der Kritik der konservativen DISY-Partei nicht beeindrucken. Die hatte Präsident Christofias
nach seinem Moskau-Besuch vorgeworfen, »eher als Vorsitzender einer Kommunistischen Partei
denn einer Regierungspartei« zu agieren.
Zwar unterstützt auch die konservative Opposition in Zypern den Präsidenten in den Gesprächen mit
den türlischen Zyprern. Doch orientiert sie auf eine Annäherung an die NATO. Dass dies mit der
AKEL-Partei nicht zu machen ist, erklärte Regierungssprecher Stefanos Stefanou gegenüber ND in
Nikosia. Die NATO sei »ein Relikt der Vergangenheit«, sagte Stefanou und verwies auf die
»verheerende Politik dieses Bündnisses in Jugoslawien und Afghanistan«.
Auch eine
Zusammenarbeit mit der NATO im Rahmen der sogenannten Partnerschaft für den Frieden schloss
Stefanou aus. Eine solche Zusammenarbeit sei überdies kein Bestandteil der EU-Verträge.
»Schließlich hat jeder EU-Mitgliedstaat eine gewisse Autonomie in seiner Außenpolitik, und wir
nutzen diese Freiräume.«
* Aus: Neues Deutschland, 24. Dezember 2008
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